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Das Geistliche Wort | 10.03.2019 | 08:40 Uhr

Von Träumern und anderen Ja-Sagern

Visionäre und Realisten: Das war schon immer ein angespanntes Verhältnis. Nicht nur Helmut Schmidt zweifelte an dem Sinn von Visionen, als er riet, dass zum Arzt gehen solle, wer so etwas bei sich bemerkt.

Zu allen Zeiten gab es die, die eine Idee von einer anderen Welt haben. Und es gab die, die das für unrealistisch halten. Träumer und Zweifler stehen sich gegenüber.

Einspieler: Martin Luther King: „I have a dream“

Sprecher: “… dass eines Tages wirklich in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen mit kleinen weißen Jungen und weißen Mädchen als Schwestern und Brüder Hände halten können.“

„I have a dream.“ Dieser Satz ist für alle Zeiten mit Martin Luther King verknüpft. Seine Vision war 1963 ebenso unrealistisch wie aufrüttelnd und anziehend. Sie war der Beginn einer Entwicklung, die noch längst nicht am Ziel ist. Sein Traum ist noch nicht Realität. Aber die Realität hat sich deutlich angenähert. Ich widerspreche den Visionszweiflern daher deutlich: Ohne Visionärinnen und Visionäre würden wir noch auf den sprichwörtlichen Bäumen sitzen. Wenn nicht gar auf realistischen.

Musik

“Wir leben nicht nur in der besten aller Welten, sondern auch in der besten aller Zeiten, und genau das ist das Problem“ meint der niederländische Historiker und Autor Rutger Bregmann in seinem Buch „Utopien für Realisten“. Er stellt fest: „Wir können uns keine bessere Welt mehr vorstellen.“

Hätte er Recht, bekäme ich Angst. Eine Gesellschaft, die sich als satt und zufrieden empfindet, die keine Vision von mehr Gerechtigkeit hat, die wäre in meinen Augen unerträglich. Es gibt sie noch immer, die Utopisten und Träumer, die Unzufriedenen und Kämpfenden.

Eine von ihnen ist Greta Thunberg. Für viele ist sie eine echte Hoffnungsträgerin. Sie lassen sich anstecken von ihrem Mut. Für andere ist sie eine harmlose Träumerin. Gut: Sie schwärmen zwar für die Idee davon, dass eine Schülerin aus Schweden die Welt bewegt. Aber so ganz trauen sie ihr doch nichts zu.

Die Geschichte der 16jährigen Schwedin, die vor führenden Politikerinnen und Politikern aus aller Welt spricht, die eine Bewegung von Abertausenden Schülerinnen und Schülern in Gang setzt, die Freitag für Freitag auf die Straße gehen – sie wirkt wie aus einem Hollywoodfilm entsprungen. Wie dieser Film ausgeht?

Die einen malen sich ein Happy End aus: Bei einer von Gretas Reden beginnt der Präsident von Amerika zu weinen. Endlich erkennt er, dass der Klimawandel eine wirklich große Gefahr darstellt. Augenblicklich ändert sich was – global – und China geht voran.

Die anderen glauben, dass Gretas Geschichte als Klimaktivistin bald zu Ende erzählt ist. Weil ihre Stimme verhallt, das Interesse an ihr versandet. Ihrer Protestbewegung „Friday for future“ geben Sie keine Zukunft.

Es ist die Geschichte von David gegen Goliath, sagen sie. Das hat keinen Sinn. Obwohl…

Musik

Die Geschichte von David gegen Goliath ist Ausdruck einer tiefen menschlichen Sehnsucht: Dass der Kleine nicht ohnmächtig ist. Dass er sogar gegen den Großen gewinnen kann. Dass niemand unbesiegbar ist. Schon gar nicht der, der nichts Gutes im Sinn hat.

Wohl deshalb ist Greta Thunberg gerade in aller Munde. Wohl deshalb wird sie als Rednerin eingeladen. Sie ist ja keine Wissenschaftlerin, die neue Erkenntnisse oder Lösungsansätze bietet: Nein, stoisch widerholt sie ihre Forderung darauf, dass ein radikales Umdenken in der Klimapolitik jetzt erfolgen muss. Mehr sagt sie nicht. Aber das mit Nachdruck.

Sie ist für viele eine Art moderne Davidfigur, die womöglich den Wandel anschiebt. Sie selbst ist sich dieser Situation absolut bewusst. Auf der Klimakonferenz in der polnischen Stadt Kattowitz erklärte sie den anwesenden Staatsvertretern und dem UN-Generalsekretär: „Ich habe gelernt, dass man nie zu klein dafür ist, einen Unterschied zu machen.“

Musik

Träumer und Utopisten werden hinterfragt. Und das zurecht. Wir sollten niemanden kritiklos zur Lichtgestalt erklären, niemanden hinterherlaufen ohne selbst zu denken. Der kritische Blick, der Diskurs ist notwendig.

Was mir allerdings auffällt: Die Anfragen sind nicht nur inhaltlicher Art, sondern werden nicht selten auch ziemlich persönlich. Bleiben wir noch einmal beim Beispiel von Greta Thunberg: Während sie von den einen zu einer Heldenfigur gemacht wird, wird sie zeitgleich von anderen demontiert. Ob sie denn nicht zu jung sei, um zu protestieren, heißt es. Ob sie nicht besser zur Schule ginge, statt andere auch noch zum Schulschwänzen anzustiften liest man. Ob sie womöglich von ihren Eltern gesteuert werde oder von Interessensverbänden bezahlt. Über ihr Aussehen wird gelästert. Sie entspricht für viele nicht der Norm einer 16jährigen. Andere zweifeln an, dass jemand, bei dem vor einigen Jahren das Asperger-Syndrom diagnostiziert wurde, überhaupt für voll genommen werden kann. Fieberhaft wird nach potentiellen Fehlern beim Menschen Greta Thunberg gesucht.

Und Greta? Sie nimmt Stellung zu diesen Vorwürfen und macht zugleich unbeirrt weiter. In einem Interview wird sie auf die Diagnose Asperger angesprochen, ob sie glaube, dass das das eine Auswirkung auf ihr Handeln habe, wird sie gefragt. Ihre Antwort: „Absolut! Ich denke, wenn ich kein Asperger hätte wäre das hier nicht möglich gewesen. Ich hätte einfach so weitegelebt und gedacht, wie jeder andere auch. Ich sehe die Welt aus einer anderen Perspektive – Schwarz und Weiß.“

Für Greta gibt es keine Grautöne. Deshalb fordert sie so kompromisslos die Kompromisslosigkeit. Und ist sich bewusst, dass sie damit aneckt. Aber davon lässt sie sich nicht aufhalten.

Wer Utopien verwirklichen, ja sie auch nur laut aussprechen will, darf nicht eitel sein. Braucht ein wirklich dickes Fell.

Ich stelle fest: Wer nicht perfekt ist, dem wird gerne das Recht abgesprochen, auf Fehler in dieser Welt hinzuweisen. Neuerungen zu fordern. Träume und Utopien laut auszusprechen. Da wird reflexhaft auf die eigene Tür verwiesen, vor der doch erstmal zu kehren ist.

Und da bekanntermaßen niemand perfekt ist, entsteht so ein visionsfeindliches Milieu. Bemerkenswert schade. Denn damit beschneiden wir uns gegenseitig in unseren Möglichkeiten.

Musik

Christen sind nicht nur zum Glauben berufen. Zum lieben. Sondern ebenso zum Hoffen. Hoffnungslos Hoffende sollen sie sein. Sich nicht mit dem abfinden, was ist, sondern nicht eher ruhen, bis allen Menschen ein gutes Leben möglich ist. Auch sie werden oft belächelt, manchmal verspottet. Für weltfremd gehalten.

Jesus hat das am eigenen Leib gespürt. Wir Christen glauben an einen Gott, der mit menschlichen Mitteln so gelebt hat, wie Gott sich das für uns bis heute vorstellt. Wie er es uns ermöglicht.

Doch dieses hoffen darf in meinen Augen nicht beim Abendgebet stehen bleiben. Es braucht unseren Mut, nach vorne zu treten und für das einzustehen, was wir als Unrecht erkannt haben.

In der katholischen Kirche gibt es gerade eine stetig wachsende Anzahl von Menschen, die genau das tun. Neun namhafte Theologinnen und Theologen haben einen Offenen Brief geschrieben und Tausende haben sich ihrem Anliegen angeschlossen. 30.000 Unterschriften von Frauen aus ganz Deutschland hat der Bundesverband der katholischen Frauengemeinschaft gesammelt. Und dann gibt es da noch die Gruppe von Frauen aus einer kleinen Münsteraner Gemeinde, die den Namen Maria 2.0 trägt. Sie rufen zum Streik der Frauen in der Kirche auf. Vom 11. bis 18. Mai sollen Frauen so deutlich machen: Es muss anders werden! Und auch sie haben inzwischen Nachricht von Tausenden Männern und Frauen, die sie unterstützen.

Was diese Initiativen eint: Sie haben die Vision von einer Kirche, in der die Macht von Männern und Frauen gleichermaßen getragen wird. In der demokratischere Strukturen einziehen. In der Transparenz herrscht und in der Menschen sich juristisch verantworten müssen, wenn sie juristisch schuldig geworden sind. Selbstverständlichkeiten, antworten die einen. Utopien sagen die anderen. Berechtigte Hoffnung, sage ich.

Gott hat schon immer durch Menschen und zu Menschen gesprochen. Hat schon immer mit ganz gewöhnlichen Menschen Geschichte geschrieben. Er hat das auch mit Träumern gemacht, mit Prophetinnen und streitbaren Köpfen. Dein Reich komme, so beten Christen auf der ganzen Welt.

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Ich bin Michaela Bans aus Nottuln, bei Münster. Träumen Sie ruhig weiter – von einer Welt, in der auch die künftigen Generationen leben können. Und sorgen Sie mit dafür, dass das Realität wird.

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