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Das Geistliche Wort | 28.04.2019 | 08:40 Uhr

Wer, wenn nicht wir!


Wer, wenn nicht wir!

Guten Morgen!

In drei Tagen ist der erste Mai – und damit ist vielerorts Party angesagt, weil der erste Mai eben ein Feiertag ist. Mich freut das, nicht nur weil ich Gewerkschafter bin, sondern weil bei uns im Dorf echt was los ist. Ich wohne in Cappenberg, einem kleinen Dorf im südlichen Münsterland. Und da wird seit Jahren der 1. Mai begangen und zwar so:

Früh am Morgen ertönen dröhnende Bässe und lautstarke Musik. Es sind schnelle, rhythmische und markante Sprechgesänge. Etwas zwischen Hip-Hop und Rap, wie es mir einmal von meinen Kindern erklärt wurde.

Nun gut: Unser Dorf mutiert zur Party-Karawane: hunderte Jugendliche laufen zu einem Treff in der Nähe, zum Cappenberger See. In kleinen Gruppen mit Bollerwagen – phantasievoll ausgestattet, neueste Musikanlagen inklusive. Neben den Boxen so viele alkoholische Getränke, dass auch die dreifache Personenzahl nicht verdursten würde. Am Beginn des Tages sind alle noch fröhlich und in Feierlaune.

Am See angekommen, geht es erst richtig los: Eine Mega-Party mit rund 4.000 Jugendlichen, die aus anderen Dörfern hierher aufgebrochen sind. Dieser Maigang ist eben Kult.

Cappenberg kennt aber auch ein Kontrastprogramm dazu: Vier bis fünf Kilometer vom Cappenberger See entfernt liegt der Horstmarer See.Hier findet am ersten Mai keine Mega-Party statt, sondern hier treffen sich die Bürgerinnen und Bürger, politische Parteien und Gewerkschaften mit einer Veranstaltungskombination aus Maikundgebung, Unterhaltungsprogramm und Familienfest. Nicht das Feiern, sondern der Tag der Arbeit steht hier im Mittelpunkt.

Musik I

In drei Tagen ist 1. Mai: Ist das nun der Tag der Arbeit, ein Maifeiertag oder der Kampftag der Arbeiterbewegung? Der 1.Mai wird ganz unterschiedlich genutzt: Tanz und Party oder Maikundgebung. Mancher nutzt den Tag für Ausflüge mit der Familie oder Dorffeste, auf denen in manchen Regionen Maibäume aufgestellt werden. Egal: Es ist der Tag der Arbeit. Aber wie kam es überhaupt zu diesem Feiertag und warum sollte dieser Tag auch tatsächlich in Ehren gehalten werden?

Ein Ereignis im 19. Jahrhundert in den USA ist dafür verantwortlich. Dort galt der 1.Mai traditionell als "Moving day", als Stichtag für den Abschluss oder die Aufhebung von Verträgen, häufig verbunden mit Arbeitsplatz- und Wohnungswechsel. Der Achtstundentag sollte in die neuen Verträge aufgenommen werden. Dafür traten am 1. Mai 1886 rund 400.000 Beschäftigte aus 11.000 Betrieben in den Streik. Leider konnte damals nur für 20.000 Arbeiter der Achtstundentag wirklich durchgesetzt werden. Zudem überschattete diesen bescheidenen Erfolg ein trauriges Ereignis in Chicago: Die Kundgebung am dortigen Haymarket endete in einem Desaster mit mehreren Toten.

Wenige Jahre später beteiligten sich bereits in Deutschland am 1. Mai etwa 100.000 Arbeiterinnen und Arbeiter an Streiks und Demonstrationen – trotz drohender Sanktionen. Die Maidemonstrationen in Deutschland wurden zu einer Tradition.

Mittlerweile ist der 1.Mai ein gesetzlicher Feiertag. Sozusagen vom „Rebellensonntag“ zum allgemeinen Ruhe- und Festtag. Er ist ein fester Bestandteil des deutschen Feiertagsgesetzes, wobei die amtliche Bezeichnung allerdings von Bundesland zu Bundesland variieren kann. Nordrhein-Westfalen feiert ihn als Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde. Das hört sich sehr ambitioniert an.

Aber – so frage ich mich – sind denn nicht all diese Ziele schon längst erreicht? Ohne Zweifel ist Deutschland doch ein soziales und wirtschaftlich erfolgreiches Land. Das bestätigen doch die aktuellen Wirtschaftsdaten: Geringe Arbeitslosigkeit, hohe Renditen, günstige Kredite.

Ich will das alles nicht schlecht reden, aber als Christ und Gewerkschafter kann ich die Augen nicht davor verschließen, dass es Bruchlinien gibt zwischen den Generationen, in der Arbeitswelt und in der finanziellen Situation einzelner Menschen. Und trotz guter Konjunktur in Deutschland haben viele Menschen Zukunftsängste und Zukunftssorgen. Die hängen wiederum zusammen mit Klimakrise, weltweiten Konflikten und Kriegen, schwindender Solidarität bei gleichzeitiger Medienverdrossenheit. Ich will hier nicht die verschiedenen Fässer aufmachen, aber alles hängt zunehmend miteinander zusammen. Und am Ende wachsen die Ängste vor Arbeitsplatzverlust, Sozialabstieg und Identitätsverlust.

Der allgemeine Befund lautet: Es geht immer ungerechter zu. Die zentrale Frage vieler Menschen daher: Und was wird aus mir?

In dieser Frage unterscheiden sich viele Menschen heute kaum von den streikenden Arbeitern am 1. Mai in den vergangenen Jahrhunderten mit ihren Sorgen und Nöten.

Heute wie damals geht es um die zentrale Frage: Wie kann unsere Gesellschaft noch zusammengehaltgen werden, angesichts der rasanten und radikalen Veränderungen in Technik und Wirtschaft?

Musik II

Zurück in mein Heimatdorf. Wie gestalte ich in drei Tagen den 1.Mai? Feiern am See? Oder gemeinsam mit anderen mich zu Frieden und Freiheit zu bekennen, mich für Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit und Völkerversöhnung einzusetzen bei einer Demo?

Party und Demo sind für mich kein Gegensatz. Denn worum geht es inhaltlich? Es geht doch um den ganzen Menschen, der Arbeit zur Lebensgestaltung braucht und auch Zeit zum Feiern haben muss. Es geht um die Würde jedes Menschen, das Recht auf einen Lohn, der es erlaubt, Perspektiven zu entwickeln, es geht um das Glück, am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.

Und der 1.Mai kann genau das in Erinnerung rufen: In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist jeder auch für den anderen tätig; unsere Gesellschaft lebt von wechselseitiger Unterstützung und gegenseitiger Ergänzung.

Und damit bin ich bei der katholischen Soziallehre, die den Stellenwert der Arbeit in den Mittelpunkt gerückt hat. Was das konkret heißt, zeigt mir ein Zitat aus der Enzyklika "Laborem Exercens" von Papst Johannes Paul II.Da heißt es:

Sprecher: "Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen – für sein Menschsein –, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpasst, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen 'mehr Mensch' wird."[1]

Ich finde, das ist eine wunderbare Definition von Arbeit: Durch Arbeit immer mehr Mensch werden! Damit hängt aber zusammen, was die katholische Soziallehre weiter über die Gestaltung von Arbeit sagt: gerechte Entlohnung und gute Arbeitsbedingungen spielen dabei immer eine wichtige Rolle.

Ich finde es erschreckend: Gerade jetzt, in unserer Zeit mit einer historisch niedrigen Arbeitslosenzahl machen viele Beschäftigte die Erfahrung, dass es in den Unternehmen nicht um sie als Mensch, sondern allein um ihre Arbeitskraft geht. Und wer nicht mehr die entsprechende Leistung bringt, wer physisch oder psychisch angeschlagen ist, steht in Gefahr hinausgedrängt zu werden.

Das ist nicht im Sinne der katholischen Soziallehre! Sie hält den Unternehmen einen Spiegel vor:

Die Wirtschaft muss es ermöglichen, dass Menschen ihr Leben durch eigene Arbeit in Freiheit und Würde gestalten können. Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen.

Musik III

Die Ziele der katholischen Soziallehre in Hinblick auf den Menschen und seine Arbeit bleiben sehr allgemein. Wie sieht es konkret aus? Gefordert im Beruf, genervt im Alltag und gedrängt zur Selbstoptimierung. Wie ist es zu verhindern, nicht im Laufrad der täglichen Anforderungen zu straucheln? Seit es Arbeit gibt, fragen sich die Menschen was gute Arbeit ist. Das Verhandeln guter Arbeitsbedingungen, eines gerechten Lohns und einer gerechten Verteilung von Arbeit zählt zu den Kernaufgaben einer jeden Gesellschaft. Wie wollen wir arbeiten? Wie wollen wir leben?

Wir brauchen Prinzipien, nach denen wir uns richten, Kriterien, auf deren Grundlage wir entscheiden, und eine Grundlage, die dem Einzelnen Halt und der Gemeinschaft Zusammenhalt gibt.

Ausgehend vom christlichen Menschenbild könnten Antworten doch so aussehen:

Muss es eigentlich um immer mehr gehen, immer nur Wachstum, Wachstum, Wachstum? Wer entscheidet über die Zukunft und Qualität der Arbeit? Doch nicht nur technische Sachzwänge, nicht nur das Management, sondern auch die Beschäftigten. Wie wäre es, mit einer neuen Kultur der Bescheidenheit – aller gesellschaftlichen Gruppen? Wie wäre es mit einer neuen Kultur der Solidarität: Wo der einzelne sich mehr um das Wohl des anderen kümmert und wo die größeren Zusammenhänge geshenen werden. Nicht mehr „ich zuerst“, sondern „wir zuerst“.

Wer, wenn nicht wir selbst gestalten die Zukunft der Arbeitswelt und Gesellschaft. Wer, wenn nicht wir sind aufgerufen, an deren Gestaltung teilzunehmen. Wer, wenn nicht wir unterstützen Arbeitskollegen. Wer, wenn nicht wir können nur als Teamplayer überleben.

Ob Party oder Demo am 1. Mai: Nur zusammen kann es gelingen, Arbeit und Leben zu einer menschenwürdigen Einheit zusammenzubringen.

Musik IV

Einen gesegneten 1.Mai wünscht Ihnen Hans Ulrich Nordhaus aus Cappenberg


[1] (LE 9 Arbeit und personale Würde, 1981 Zugriff am 17.02.2019 unter www.w2.vatican.va )


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