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Das Geistliche Wort | 21.04.2019 | 08:40 Uhr

Unser Osterlamm ist geopfert ...

Domvikar Dr. Peter Dückers, Aachen


Das Geistliche Wort

„Unser Osterlamm ist geopfert, Jesus Christus“

Guten Morgen!

Schon vor knapp zwei Wochen gab es beim Discounter meines Vertrauens Osterlämmer zu kaufen – nicht aus Schokolade, sondern gebacken aus echtem Rührteig.

Einzeln verpackt, in einem kleinen grünen Tragekarton, lecker mit Puderzucker bestreut.

Zuhause hab ich dann noch ein Osterfähnchen reingesteckt; das war noch übrig vom vergangenen Jahr.

So steht dieses Osterlamm in den kommenden Wochen auf meinem Esstisch.

Und wahrscheinlich werde ich es auch in diesem Jahr nicht anschneiden und aufessen.

Es sieht zu süß aus, zu wertvoll, um es einfach zu essen.

Eigentlich ist es sonderbar, dass das Osterlamm auch heute noch in Massen produziert wird.

In einer zunehmend entchristlichten Gesellschaft hat das christliche Ostersymbol überlebt.

Denn anders als der Osterhase, der einfach nur putzig ist und mehr ein Fruchtbarkeitssymbol als ein Osterzeichen, kündet das Osterlamm von der zentralen christlichen Glaubensbotschaft von Ostern: Jesus Christus ist nicht im Tod geblieben, sondern auferstanden von den Toten.

Er hat den österlichen Sieg errungen: Nicht mehr der Tod hat das letzte Wort, sondern alle werden mit Christus auferstehen zum ewigen Leben – so die christliche Überzeugung.

Der Ostersieg, den die Christen feiern, ist nämlich ein Sieg nicht am Tod vorbei, sondern durch den Tod hindurch.

Deshalb ist auf dem kleinen Fähnchen, das klassischerweise zum Osterlamm dazugehört, ein Kreuz abgebildet. Und das bedeutet: Die Auferstehung gibt es nicht ohne das Kreuz, das ewige Leben gibt es nicht ohne den Tod, das Wiedersehen gibt es nicht ohne den Abschied.

Das Osterlamm ist eben nicht einfach bloß putzig und nett anzusehen; es ist alles andere als harmlos.

Denn das Lamm, das da gebacken wird und in den Wohnungen aufgestellt wird, dieses Lamm steht für ein Opferlamm, für ein Lamm, das zum Schlachten bestimmt ist, das getötet werden muss.

MUSIK

Das Osterlamm ist eines der ältesten Glaubenssymbole der Bibel.

Es stammt aus einer Zeit, als jüdisch Stammesgruppen noch nicht sesshaft waren, sondern mit ihren Schafherden ständig unterwegs, Nomaden im Vorderen Orient.

Im Winter haben sie nahe bei den Städten gelagert.

Aber wenn es Frühling wurde, dann sind sie aufgebrochen in die Weite des Landes.

Und weil ein solcher Weidewechsel immer auch riskant war, haben die Hirten versucht, die Gefahr abzuwenden mit einem religiösen Ritual.

Sie haben eines ihrer Lämmer ausgesucht, ein junges, ein gesundes, ein besonders schönes Lamm haben sie genommen.

Sie haben es geschlachtet und haben sein Blut an das Dach ihres Zeltes gestrichen.

In der Nacht vor dem Aufbruch haben sie das Lamm gegessen, im Stehen, fürs Weggehen gegürtet.

Und dann sind sie losgezogen, ohne zurückzugucken, den Blick nach vorne, in die offene Zukunft.

So wollten sie die Gefahren vertreiben.

Sie wollten das Risiko des Aufbruchs bändigen, die Angst vor dem Neuen kleinhalten.

Diese Frühlingstradition hat Jahrhunderte, vielleicht sogar Jahrtausende überdauert, bis sie sich verbunden hat mit einem Aufbruch ganz besonderer und einmaliger Art.

Das Volk Israel war in Ägypten in Gefangenschaft geraten und versklavt worden – so erzählt es das Atle Testament im Buch Exodus.

Statt in Freiheit zu leben, wie Gott es für sein Volk gewollt hatte, waren sie unterdrückt und gedemütigt worden.

Sie mussten dem Pharao, dem König von Ägypten dienen; sie mussten Ziegel herstellen, eine Stadt errichten und alle möglichen Arbeiten auf dem Feld verrichten.

Aber Gott hat ihr Elend gesehen und ihre laute Klage hat er gehört – so haben sie später erzählt und aufgeschrieben.

Gott hat sie der Hand der Ägypter entrissen und hat sie herausgeführt aus der Sklaverei in ein schönes, weites Land, in ein Land in dem Milch und Honig fließen. (Ex 3,7f.)

Wie seinerzeit beim Weidewechsel im Frühling mussten die Israeliten in der Abenddämmerung ein Lamm schlachten, ein fehlerfreies, einjähriges, männliches Lamm musste es sein.

Und sie sollten das Blut auf die Türpfosten und den Türsturz des Hauses streichen, als Erkennungszeichen, damit sie ungehindert aufbrechen konnten.

Noch in derselben Nacht sollten sie das Lamm essen, hastig, die Hüften gegürtet, Schuhe an den Füßen und den Stab in der Hand. (Ex 12,8f.)

Exodus, Aufbruch war angesagt, hinein in die Freiheit, hinein ins Leben.

Jahr für Jahr haben die Juden fortan das Frühlingsfest in Erinnerung an diese große Befreiungstat Gottes.

Das Pascha, wie sie dieses Fest nennen, erinnert sie an diesen Aufbruch im Namen Gottes.

Und noch heute muss in einer jüdischen Familie, die das Paschafest feiert und in der das Lamm gegessen wird, das jüngste Kind fragen: „Warum unterscheidet sich diese Nacht von allen anderen Nächten?“

Und der Vater antwortet: „In jeder Generation muss sich jeder so sehen, als wäre er selbst aus Ägypten ausgezogen. Wir sind verpflichtet, Gott zu danken, ihn zu preisen, zu loben ... Denn er hat uns aus der Sklaverei in die Freiheit gebracht, aus Kummer zur Freude, aus der Trauer zu einem Fest, aus der Dunkelheit ins große Licht, aus der Knechtschaft in die Erlösung.“ (Pes 10,5)

MUSIK

Bereits die ersten Christen haben im Lamm, das geschlachtet wird, ein Bild gesehen für Jesus Christus, ihren Herrn. Sie haben das Lamm als den leidenden Gottesknecht gedeutet, von dem der Prophet Jesaja verkündet hatte im Alten Testament (Jes 53,7): „Wie ein Lamm ist er schutzlos zum Schlachten geführt worden. Wie ein Schaf vor seinen Scherern verstummt, so hat er seinen Mund nicht aufgemacht vor seinen Peinigern. Genau so war Jesus bedrängt und misshandelt worden und schließlich umgebracht worden, schmählich und einsam am Kreuz.

Aber für die ersten Christen galt eben auch: Gott hat diesen Jesus nicht untergehen lassen.

Er hat ihn bestätigt als den, der die Menschen befreit aus aller Unterdrückung und Unfreiheit.

Sein Leben und seine Botschaft sind nicht widerlegt durch das Kreuz. Im Gegenteil. Gerade am Kreuz, gerade in seinem Sterben, hat Jesus noch einmal gezeigt, wie er gelebt hat: Als einer, der nicht zurückschlägt, nicht mit Fäusten und nicht mit Worten, als einer, der dem Verlorenen nachgeht und sich über einen Sünder, der umkehrt, mehr freut als über neunundneunzig Gerechte, als einer, der gekommen ist, den Armen das Evangelium zu verkünden, als einer, der Kranke heilt und Ausgestoßene annimmt, als einer, der sich zu denen kleinen Leuten gesandt weiß und sich mit ihnen an einen Tisch setzt.

Und genau das passte den politischen und religiösen Autoritäten nicht. Das stellte ihre Welt, ihre Gesellschaftsordnung in Frage und deshalb musste Jesus weg. Ein für alle mal.

Bemerkenswert ist ein kleines Detail im Neuen Testament: Nach dem Johannesevangelium stirbt Jesus genau zu der Zeit, als im Tempel die Lämmer geschlachtet werden, die unschuldigen Lämmer für das Pascha.

Für die Christen bedeutet dieses zeitliche Zusammentreffen: Jesus ist das neue Paschalamm. Und sie waren sich sicher: Gott hat dieses stumme Lamm, diesen Jesus nicht untergehen lassen, sondern ihn aus dem Tod gerettet. Gott bestätigt die Haltung Jesu, die er gelebt hat.

Und darum haben die Christen anfangs nur ein einziges Fest gefeiert, nämlich Ostern.

Wenn dann Jahr für Jahr der Frühling wiederkam und sich Israel an die Befreiung aus der Herrschaft der Ägypter erinnerte, dann haben sich die Christen zugesagt: „als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden“ (1 Kor 5,7).

Er ist das Lamm, das uns frei macht, nicht nur von der äußeren Gefangenschaft, sondern auch von der inneren, von Schuld und Angst, und von der bedrängenden Frage, ob es einen Gott gibt, der uns liebt.

MUSIK

Im letzten Buch der Hl. Schrift, in der Geheimen Offenbarung, wird das Bild des Lammes noch einmal eindrücklich vor Augen gestellt; gleich 28 mal ist dort vom Lamm die Rede.

Und auch dieses Lamm steht für Jesus Christus – allerdings mit einer weiteren Bedeutung.

Das Buch der Geheimen Offenbarung handelt vom Ende der Zeiten und da steht wieder Christus als das Lamm.

Er steht dafür, dass die Zeit und Geschichte der Menschen ein glückliches Ende haben wird.

Konkret heißt es da: Die Heiligen sagen zu dem Lamm (Offb 5,8): „Würdig bist du, das Buch zu nehmen und seine Siegel zu öffnen; denn du wurdest geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erworben.“

Und das Lamm, das aussieht wie geschlachtet, steht aufrecht. (Offb 5,6)

Es kann das Buch des Lebens öffnen und die sieben Siegel aufbrechen, mit denen das Buch verschlossen ist.

Ich verstehe das so: Mein Leben ist manchmal undurchsichtig und voller Rätsel und Fragen, wie ein Buch mit sieben Siegeln. Aber durch diesen Jesus kann ich einen Sinn erkennen in dieser Welt, in diesem Leben, in meiner eigenen Geschichte und meiner Biographie. Er löst alles Undurchsichtige und Unverständliche auf.

Noch einmal anders formuliert es Johannes der Täufer, einer der ersten Zeugen des Jesus von Nazareth. Der bezeichnet Jesus als das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt (Joh 1,29.36). Er, Jesus ist das Ziel meines Lebens. Das Lamm Gottes sagt mir: zwischen mich und Gott wird sich nichts und niemand mehr stellen können, keine Sünde, keine Ungerechtigkeit, keine Krankheit, nicht einmal der Tod.

Mit ihm wird alles gut.

MUSIK

Jesus, das Lamm Gottes, das Ziel meines Lebens: Ich bin froh, dass ich daran glauben kann: Dass der Tod nicht das letzte Wort hat über mein Leben.

So wie Jesus nicht im Tod geblieben ist, so ist auch mir ewiges Leben verheißen, ein letztes, niemals endendes Glück.

Ich brauche keine Angst mehr zu haben vor den Weidewechseln, vor den Aufbrüchen in eine unbekannte Zukunft, vor Umbrüchen und Abschieden in meinem Leben, keine Todesangst.

„Fürchtet euch nicht“ (Mt 28,5) sagt der Engel zu den Frauen am Grab Jesu.

Und Jesus selbst sagt als letzten Zuspruch an seine Jünger nach der Auferstehung: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“ (Mt 28,20).

Was für eine Zuversicht: Jesus, das Lamm Gottes, steht für das Leben, und das gilt es heute zu feiern – auch mit einem leckeren gebackenen Osterlamm.

Ein gesegnetes Osterfest wünscht Ihnen aus Aachen Domvikar Peter Dückers.

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