Beiträge auf: wdr5
Das Geistliche Wort | 10.06.2019 | 08:40 Uhr
DIESER BEITRAG ENTHÄLT MUSIK, DAHER FINDEN SIE HIER AUS RECHTLICHEN GRÜNDEN KEIN AUDIO.
Nicht mehr und noch nicht- Raum für Gottes Geisteskraft
Autorin: Bei den Bundesjugendspielen, früher, war der Weitsprung mein Liebstes. Der Anlauf mit schneller werdenden Schritten, Wind im Gesicht, das genaue Achtgeben, damit ich das Absprungbrett nicht übertrete, das Abstoßen mit ganzer Kraft und das Landen im Sand. Na ja, und das Schönste: der Sprung. Dieser kurze Moment der Leichtigkeit, Fliegen durch die Luft, viel Raum. Ein kleines Wagnis, verheißungsvoll. Ein Moment, in dem ich das Alte nicht mehr unter den Füßen hatte und das Neue noch nicht.
Guten Morgen am Pfingstmontag! Nicht mehr und
noch nicht - ein Gefühl, das wohl auch die Jüngerinnen und Jünger hatten, damals.
Sprecherin:
Als der 50. Tag des Wochenfestes gekommen
war, waren sie alle beisammen. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Tosen wie
von einem Wind, der heftig daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie
sich aufhielten. Es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten,
und auf jede und jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Da wurden sie alle von
heiliger Geistkraft erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden; wie die
Geistkraft es ihnen eingab, redeten sie frei heraus. Unter den Jüdinnen und
Juden, die in Jerusalem wohnten, gab es fromme Menschen aus jedem Volk unter
dem Himmel. Als nun dieses Geräusch aufkam, lief die Bevölkerung zusammen und
geriet in Verwirrung, denn sie alle hörten sie in der je eigenen Landessprache
reden. Sie konnten es nicht fassen und wunderten sich. (1)
Autorin:
Eine lebendige Szene. Die Jünger sprechen in anderen Sprachen, in ihren Köpfen
entflammt Neues. Sie ziehen ins Freie, nehmen sich Raum. Das kreative Chaos
bringt sie in Kontakt mit anderen. Kraftvoll, diese Geschichte und begeisternd,
bis heute.
Musik 1:
Track 2 Qué vendrá, CD: Effet miroir, Text und Musik: Esposito, Davide; Frochoso, Luis; Lamarca, Laurent, Interpretin: ZAZ, Label: WARNER MUSIC INTERNATIONAL (14666), EAN: 0190295580865, WDR-Archiv: 7076013102.1.01.
O-Ton
Nicolai: „Pfingsten ist für mich deshalb wichtig, weil es das Ereignis ist, wo
in der Kirche die Fenster und die Türen aufgemacht werden. Das ist wie mal ein
ordentlicher Durchzug, wo der Wind durchweht. Das Wort für Geist und Wind ist
ja wohl dasselbe im Alten Testament. Also, wo ein frischer Wind durch die
Kirche hindurchweht.“
Autorin:
Für Pfarrer Christoph Nicolai aus Bonn
Bad-Godesberg, geht von Gottes Geist Veränderungspotential aus. Wie sehr,
konnten schon unsere Mütter und Väter im Glauben erfahren. „Ruach“ ist das
hebräische Wort in der Bibel für die Geistkraft. Es bedeutet auch Atem, Hauch,
Wind. Die Geistkraft wirkt in der Schöpfung, lässt die Wasser nach der Flut
wieder sinken und das Meer durch das die Israeliten in die Freiheit ziehen,
austrocknen. Die Ruach ist verwandt mit der rewah, der Weite. Gemeinsam
schaffen sie den Menschen Raum, setzen in Bewegung, führen aus der Enge in die
Weite. Solche Kraft, solches im Spirit sein, Inspiration, wünscht sich
Christoph Nicolai auch für unsere Kirche heute.
O-Ton
Nicolai: Diese Geistbewegung hat immer mit Überraschungen zu tun. Und Kirche
ist, glaube ich, oft in der Gefahr immer das zu tun, was sie schon kennt und
was etabliert ist. Das heißt also, das sich dem Geist aussetzen auch bedeutet,
sich einer Veränderung auszusetzen, und sich dem auszusetzen, dass etwas kommt,
was man noch nicht so genau weiß und vor allem nicht im Griff hat. Aber ich
glaube, dass das der Kirche guttut.
Musik
2 = Musik 1
Autorin:
Die Geistkraft Gottes hat keinen festen
Wohnsitz. Unverfügbar weht sie, wo sie will, sucht aber Wohnung bei den
Menschen. In Liedern zu Pfingsten singen Christinnen und Christen dies herbei.
„Und lass uns deine Wohnung sein“, „Komm in uns wohnen“. Wenn ich singe, wenn
ich bete gewähre ich Herberge, indem ich meinen Herzensraum weit mache. Im
Gebet öffne ich mich mit der leisen Sehnsucht, dass sich der Geist bei mir
einlädt. Isabel Hess-Friemann, Referentin für Ostasien im Zentrum für Mission
und Ökumene in Hamburg beschreibt das so:
O-Ton Hess-Friemann: In meiner eigenen spirituellen Praxis ist es so, dass für mich genau da etwas passiert, wo ich mich einlasse auf das (…), was ich gar nicht weiß. Was ich nicht kenne. Meine spirituelle Praxis ist Schweigegebet, kontemplatives Gebet und es ist sowas wie `ne Umstimmung. Ich lass das Lenkrad los und Gott übernimmt. (…)
Und dann kann etwas passieren, kann ich gefüllt werden vom Geist. Wenn ich ständig beschäftigt bin mit meinen Gedanken, mit meinem Streben, auch mit meinem guten Willen, dann hat Gott wenig Platz.
Musik 3:
Track 9
Se voce me ama, CD The Absence,
Text und Musik: Gardot / Pereira,
Interpretin: Meoldy Gardot, Label: Decca (00171), 2012, 2792657.
Autorin: Auch in
Gemeinschaft ist die Geistkraft erlebbar. Wenn ich anderen begegne, mit ihnen
feiere, über Fragen des Lebens spreche. Ein Forum hierfür sind die Kirchentage.
In neun Tagen beginnt der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag in Dortmund. Vor
70 Jahren nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde er
gegründet. Als kirchlicher Aufbruch aus engen Kirchengrenzen. Bis heute ist das
Treffen immer noch inspirierend. Er ist in die Jahre gekommen, doch der Geist
Gottes wirkt bis heute. Die Generalsekretärin Prof. Dr. Julia Helmke
beschreibt, warum das für sie so ist.
O-Ton Helmke: Was ich glaube, ist, das Geheimrezept, es ist ein
Experimentierfeld. Also, vieles ist vertraut, aber immer wieder kann man
sozusagen diesen Raum der Freiheit Gottes auch hier erleben. Neu ausprobieren,
wie ist das mit neuen Liturgien, mit neuen Tagzeitgebeten. Was brauchen
Menschen heute in dieser Gesellschaft? Und immer wieder ganz spannende
neue
Menschen, die man anhören kann. Man
trifft auf internationale Gäste, nimmt sich immer wieder neue Schwerpunkte vor
und so glaube ich ist es auf jeden Fall nicht abgestanden. Sondern, wir können
das nur tun, wenn Gottes Geist in uns weht. Sonst wär´s mühsam und viel Arbeit,
das ist es auch. Aber dieser Kick, dieser Spirit, der ist da und der bleibt da.
Musik 4:
Track
2 Bläserzeichen für den Kirchentag, CD Fundstücke,
Posaunenchor des Evangelischen Posaunenwerkes
Bremen, Deutscher Evangelischer Kirchentag, Bestellnummer: BEX09CD.
Autorin:
Was den Kirchentag besonders macht, ist die Begegnung von Menschen, die sich in
ihren Glaubens- und Lebensfragen verbunden fühlen. Sie bringen sich ein und
suchen auch immer mehr Formen, in denen Beteiligung möglich ist. Dass es
hierfür genug Möglichkeiten gibt, liegt Julia Helmke besonders am Herzen.
O-Ton
Helmke: Ich wünsch dem Kirchentag und dann auch uns selbst in der
Programmvorbereitung, die oft sehr straff sein muss, weil sonst bekommt man gar
nicht diese 2000 Veranstaltungen unter einen Hut, doch auch mehr Mut zu weißen
Flecken! Also die Bereitschaft sich auch, soweit es geht, und vielleicht noch
ein wenig mehr, auf das Unvorhergesehene einzulassen, auf das, was sozusagen
von den Menschen selber kommt. Klassisch sind Flashmobs oder auch Möglichkeiten
wirklich auch zu sagen, was einem am Herzen liegt. Aber da wieder sozusagen dieses
Spielerische, Kreative.
Musik 5:
Track 2 Desert
rose, CD: Brand new day, Text: Khelifati, Mohamed, Musik:
Sting, Interpret: Sting; Matthew, Gordon; Mami, Cheb, Label: A&M (00485),
EAN: 0606949045128, WDR-Archiv: 6638505102.1.01.
Autorin:
Spielerisch, kreativ! Das gefällt der Heiligen
Geistkraft. Dort ist sie gern zu Gast. Und kommt auch ohne viele Worte aus.
Damals verstanden die Jünger plötzlich fremde Sprachen. Menschen aus
unterschiedlichen Kulturen hatten eine Wellenlänge. Christoph Nicolai kennt das
aus seinem Engagement in der Flüchtlingshilfe Syrien seiner Gemeinde.
O-Ton Nicolai: Ich spüre es darin, dass Kulturen, die mir bis dato fremd waren, also diese ganze arabische Welt, mir nahe kommen, obwohl ich die Sprache nicht verstehe, aber im Gesichtsausdruck der Menschen und in ihrem sich mit mir verständigen, eine unheimliche Herzlichkeit sich breit gemacht hat und ein Verstehen über Sprache hinaus möglich wurde.
Inzwischen
können die meisten sehr gut deutsch, aber diese Anfangsform: Menschen begegnen
sich und haben ein gleiches Anliegen und wollen dazu etwas beitragen, dass die
Menschlichkeit zum Zuge kommt, das ist das, was ich im Endeffekt dann wieder
dem pfingstlichen Geist zuordnen.
Musik 6 = Musik 5
Autorin:
Pfingsten, ein Fest, das ermutigt. Ermutigt, für
Gott Raum zu schaffen im Gebet, in der Gemeinschaft und im Engagement für
andere. Weht die Geistkraft, ist es ein Geschenk, das belebt und erfrischt. Ich
bin Susanne Wolf, Pfarrerin aus Wuppertal und wünsche Ihnen, dass Gottes
Geistkraft in der nächsten Zeit bei Ihnen hereinweht und Sie mit Leichtigkeit
erfüllt.
Musik 7:
Track 3 Wonderful life, CD: Ultimate collection, CD: 2, Text und Musik: Vearncombe, Colin, Interpret: Melua, Katie, Label: BMG RIGHTS MANAGEMENT (19813), EAN: 4050538435146, WDR-Archiv: 7074932103.1.01.
Fußnoten:
(1) Bibel in gerechter Sprache. Ulrike Bail u.a. (Hg.), Gütersloher Verlagshaus: Gütersloh 2006.
(2) Vgl. zu Ruach, Dorothee Sölle, Die Heilige Geistin, in: Erinnert euch an den Regenbogen. Texte, die den Himmel auf Erden suchen, Verlag Herder: Freiburg i.Br. 5. Auflage, 1999, S. 136-139.
(3) A.a.O., S. 137.