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Kirche in WDR 5 | 09.07.2019 | 06:55 Uhr
Unser engster Verbündeter
Guten Morgen!
Als ich den Nachlass eines
Freundes organisieren musste, bin ich über ein Buch gestolpert. Eine Stolpergeschichte.
Und die hat mich auf neue Weise verstehen lassen, was es mit dem Heiligen Geist
auf sich hat. Die Geschichte heißt: "Der Atem". Sie stammt vom
berühmten Schriftsteller aus Österreich, Thomas Bernhard.
Er erzählt in diesem Buch, was er als junger
Mensch am eigenen Leib erfahren hatte. Als er noch nicht achtzehn Jahre alt
war, war er zwischen Leben und Tod geraten durch eine lebensbedrohliche
Rippenfellentzündung. Bernhard muss in eine Klinik und die Krankheit
verschlimmerte sich von Tag zu Tag.
Die
Hoffnung auf Heilung schwindet zusehends. Schließlich muss er ohnmächtig über
sich ergehen lassen, wie die Pfleger ihn in seinem Bett in den Baderaum
schieben. Dort findet er sich wieder inmitten von lauter aufgegebenen Fällen
und muss wachen Auges erleben, wie rings um ihn einer nach dem anderen
wegstirbt.
In diesem gottverdammten
Baderaum voller Sterbender und Toter da erlebt Bernhard, wie seine eigene
Atembewegung ins Zentrum seiner Wahrnehmung tritt, der Rhythmus des Ein- und
Ausatmens. Das ist seine Rettung. Er nimmt seinen Atem bewusst wahr und er
merkt, dass er lebt und dass der Atem sein engster Verbündeter ist, sein bester
Freund. Als ich das gelesen hatte, da habe ich endlich ver-standen, warum der
Heilige Geist in den Kirchen -Texten rund um Pfingsten unser „Seelenfreund“
genannt wird. Ein Mönch machte mich einmal darauf aufmerksam, dass die Bibel
keinen Unterschied macht zwischen dem Atem, dem Geist und Gott. Ob Du Atem
sagst oder Geist oder Gott, es ist ein- und dasselbe. Unser Atem ist „das von
Gott in uns.“
Bleiben wir einen Moment
beim Atem, bei dieser Urbewegung des Lebens.
Es gibt keinen einzigen Ort in unserem ganzen
Körper, der leben könnte ohne unseren Atem. Er besucht alle inneren Organe und
sorgt dafür, dass sie lebendig bleiben, rührt sie an und es ist, als ob er sie
streicheln würde. Und so ist er auch an jeder unserer Gemütsbewegungen beteiligt.
Das wissen alle Religionen
der Welt. Das wissen auch alle, die ihr Leben meditieren. Das ist gemeint mit
dem Wort Spiritualität.
Ohne unsere Freundschaft
mit dem Atem können wir es nicht. Ob wir uns wie getrieben fühlen, ob wir uns
verlieren oder ob es uns gelingt, ausgeglichen zu sein, es hängt wesentlich
davon ab, ob und wie wir mit unserem Atem und seiner Heilkraft verbunden sind.
Paulus hat in seinem Brief
an die Römer geschrieben: „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf „ Und wenn
ich es ernst nehme, was der Mönch mir damals sagte, kann man auch sagen: unser
Atem hilft unserer Schwachheit auf. Thomas Bernhard hat seinen Atem auf der
Schwelle zwischen Leben und Tod als seinen Freund entdeckt, der ihn gerettet
hat. Ist aber unser Atem das von Gott in uns, ist er der Geist, der unserer
Schwachheit aufhilft, dann ist er es nicht erst in extremen Situationen zwischen
Leben und Tod, dann ist der Atem, der Geist auch in unserem all-täglichen Hin
und Her zugegen.
Es grüßt Sie Pfarrer Friedhelm Mensebach aus
Köln