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Kirche in WDR 5 | 19.08.2019 | 06:55 Uhr
Verkauf Deinen Besitz ...
Guten Morgen. Heute gibt es in den katholischen Gottesdiensten wieder einen Aufreger-Text: Wenn du vollkommen sein willst, sagt Jesus da, dann verkauf deinen Besitz, gibt das Geld den Armen und folge mir nach. Dieser Sozial-Romantiker – werden sich auch heute wieder viele denken, die diesen Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium hören. Was soll das bringen? Kann man mit Besitz nicht auch viel Gutes tun? Muss das eigentlich bei diesem Jesus immer gleich so radikal zugehen?
Um es gleich zu sagen: So radikal, wie es da steht, wird es kaum jemand durchziehen können. Das ist auch Jesus klar. Deshalb sagt er ja auch: Wenn du vollkommen sein möchtest…
Mir fallen da Gestalten aus der Kirchengeschichte ein, die das eins zu eins umgesetzt haben. Franziskus von Assisi zum Beispiel: Aus reicher Familie stammend, merkt er plötzlich: Dieses Leben in Saus und Braus kann es doch nicht wirklich sein. Da muss es doch noch mehr geben. Und er setzt die Forderung Jesu um: Verkauft alles, was er besitzt (und das war nicht wenig…) und gibt das Geld den Armen. Den zusätzlichen Gewinn, den er damit macht: Er wird unglaublich frei. Ja – denn Besitz ist immer auch Belastung. Und je mehr es davon gibt, desto höher wird die Last. Das hatte Franziskus wohl auch gespürt.
Und das ist auch die eigentliche
Botschaft hinter der Botschaft. Denn hier geht es nicht zunächst um
Sozial-Romantik, darum, ärmeren Menschen zu helfen. Jesus geht es in erster
Linie darum, Menschen von ihrer Last zu befreien. Besitz kann eine solche Last
sein. Wie viele Menschen fallen mir aus meinem Bekanntenkreis ein, die tagein
tagaus nichts anderes zu tun haben, als sich um den Schutz ihres Besitzes zu
kümmern, darum, dass nur nichts drankommt und er nicht weniger, sondern immer
noch mehr wird. Auf dass die Last des Besitzes immer noch größer wird… Das kann
durchaus krank machen. Irgendwann ergreift dich dein Besitz vollends: Du wirst
dann regelrecht von ihm besessen – weil nichts anderes mehr in deinem Leben Platz
hat. Davon möchte Jesus in der Geschichte aus dem Evangelium befreien. Möchte,
dass der Blick wieder klarer auf das wirklich Wichtige im Leben gelenkt wird.
Etwa auf die Menschen um mich herum. Immer nur auf sich schauen macht auf Dauer
krank. Da läufst du irgendwann an dir selbst heiß und wirst verrückt. Dabei
gibt es doch in unserer direkten Umgebung so viel, was es sich anzuschauen
lohnt. Ja – auch Menschen in Not. Denn das ist auch klar: Keinen Besitz haben,
das macht nicht unbedingt weniger krank. Ein Obdachloser ist nicht gleich
vollkommener, weil er nichts hat. Ich kenne sogar einige, die dabei ziemlich
habgierig sind. Das zu leugnen, wäre auch falsch verstandene Sozial-Romantik.
Und trotzdem: Not zu sehen und zu handeln:
Da kann jeder dann
ausprobieren, wie das geht: Etwas aus meinem Besitz abgeben und erleben, dass
es nicht weniger, sondern in Wirklichkeit mehr wird. Und wenn es nur die Zeit
ist, die Sie besitzen und die Sie und mich immer wieder in Nöte bringt – auch
die zu teilen, ist heutzutage wertvoll. Vor kurzem Erst habe ich einmal meinen
Kalender spontan freigeräumt für einen guten Freund, der meine Zeit brauchte.
Und obwohl es mir eigentlich gar nicht passte, habe ich einige Stunden abgespart für seine Probleme. Irgendwie wurde es für mich überhaupt nicht stressiger – im Gegenteil – die Entschleunigung im Gespräch hat bei mir dazu geführt, dass ich selbst viel ruhiger wurde. Wir hatten am Ende beide etwas davon. Also: Geh, gib deinen Besitz ab und teile dein Leben mit den Menschen. Mehr und intensiver als zuvor. Du wirst freier für das Wesentliche. Ich wünsche ihnen einen guten Start in die Woche, Ihr Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.