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Kirche in WDR 5 | 03.10.2019 | 06:55 Uhr
Meine Mission
Verehrte Hörerinnen und Hörer! Der „Tag der Deutschen Einheit“, den wir heute begehen, lässt mich zurückdenken an den Sommer 1989 vor genau dreißig Jahren. Mit meiner Familie war ich zu Besuch in der DDR. Ich kann die Angst nicht vergessen, die wir vor den unglaublichen Grenzanlagen mit Stacheldraht und der Schikanierung durch die Grenzposten hatten. Sie zwangen uns den ganzen Kofferraum auszupacken, als sie auf der Hutablage des Autos meine Bibel entdeckten. Und wir waren nur zu Besuch. Unsere Verwandten, die in der DDR lebten, hatten z. B. keine Chance zu studieren, weil sie die antikirchliche Jugendweihe nicht mitmachen wollten.
Viele hatten sich damit arrangiert. Und denen, die sich am besten arrangiert hatten, ging es auch am besten. Aber 1989 kam es dann zur Wende. Tausende hatten die Nase voll und flohen im Sommer 1989 vor allem über Ungarn und die Tschechoslowakei in den Westen. Viele andere formierten sich zu Oppositionsgruppen und nahmen im Herbst 1989 an den Demonstrationen teil. Dabei spielten die christlichen Kirchen eine wichtige Rolle, besonders die in der DDR zahlenmäßig relativ große evangelische Kirche.
Die Menschen in Ostdeutschland hatten 1989 eine Mission. Sie wollten nicht mehr in einer Diktatur mit großen persönlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen leben. Ihre Mission war Freiheit, Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und ein geeintes Deutschland. Und dafür setzten sie sich ein.
Eine Mission haben. Der Begriff Mission kommt von dem lateinischen Wort „missio“, das „Sendung“ bedeutet. Und ursprünglich bezeichnet das Wort „Mission“ die Verbreitung des christlichen Glaubens. Jesus hat allen Christen aufgetragen, seine Botschaft weiterzugeben. Dieser Missionsgedanke wird heute angefragt. Zum einen schrecken manche Auswüchse der Missionsgeschichte ab, die vor allem auf unheilvoller Verbindung von staatlicher und kirchlicher Macht beruhen. Zum anderen ist es verpönt, den eigenen Glauben als mögliche Alternative zu anderen Auffassungen darzustellen. Doch Papst Franziskus sagt mit Recht: „Was du entdeckt hast, was dir zu leben hilft [...], das sollst du den anderen mitteilen“ (EG 121).
Tatsächlich höre ich nahezu täglich von
Christen, wie ihnen der Glaube geholfen hat. Noch vor kurzem hat mir ein afrikanischer
Bischof gesagt: „Der Glaube hat uns befreit!“ Und tatsächlich kann man in
vielen Teilen der Welt wahrnehmen, wie der christliche Glaube Menschen von der
Furcht vor allen möglichen sie bedrängenden Geistern befreit. Man kann erleben,
wie die Botschaft des Evangeliums zur Befriedung zwischen verschiedenen
Volksgruppen führt, den Menschen innere Freiheit schenkt und sie zu Toleranz
und Barmherzigkeit bewegt
– christliche Haltungen, die auch unsere
Vorfahren vor mehr als 1000 Jahren von christlichen Missionaren gelernt haben
und die wir in mancher Hinsicht heute wieder neu verinnerlichen könnten.
So stellt sich für mich die Frage: Was ist am heutigen Tag meine Mission im weiten Sinn des Wortes? Was ist meine Sendung? Wo ist es mir möglich, etwas zum Positiven zu verändern? Wer dies mit anderen teilen möchte, kann das mit dem Hashtag #mymission tun.
Einen guten Feiertag wünscht Ihnen Weihbischof Stefan Zekorn aus Münster.