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Kirche in WDR 5 | 08.11.2019 | 06:55 Uhr
Gastfreundschaft
Guten
Morgen. Vermutlich haben Sie sich schon mal in ein Gästebuch eingetragen. Ich
mache das gerne. Auch wenn ich nicht sehr kreativ bin und meistens nicht viel
mehr als meinen Namen schreibe.
Umso lieber blättere ich darin: „War wieder
schön bei Euch. Kommen gerne wieder. Michi und Anke.“ „Wir freuen uns, dass wir
bei eurem 50. dabei sein durften. Bis zum nächsten runden! Deine
Arbeitskollegen Markus und Sven“. „Der Kuchen war wieder köstlich. Dir alles
Gute und viel Gesundheit, Deine Mutter“. Mein Mann und ich haben zur Hochzeit
auch ein Gästebuch geschenkt bekommen. Wir vergessen nur meist, es auszulegen.
Anders meine Freundin. Sie denkt immer daran. Und da sie oft Gäste hat, ist sie
schon beim dritten Band. Kürzlich bei Ihrem 60. haben wir darin geschmökert und
es war so schön zu sehen, wann wir die letzten Male mit ihr gefeiert haben und
wer da schon alles mit von der Partie war. Gastfreundlich zu sein ist schon
Thema in der Bibel – in vielen Geschichten. Aber noch mal aus einem anderen
Grund: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne
es zu ahnen, Engel beherbergt,“ steht da (Hebräer 13,2) Klar, es gibt
Phasen im Leben, da steht einem der Kopf nicht danach, auch noch Gastgeberin zu
spielen. Die Arbeit wächst einem über den Kopf oder die Kinder sind noch klein
und man braucht alle Energie für sie. Und manche Gäste sind auch anstrengend,
das kennen wohl die meisten von Familienfeiern. Und doch: Gastfreundschaft ist
etwas Tolles. Die Bibel erinnert mich daran: Vergiss die Gastfreundschaft
nicht. Lade mal jemand neuen ein, einfach weil du die Person interessant
findest und näher kennenlernen möchtest. Dann kann es sein, du beherbergst
Menschen bei dir, die wie ein Engel für dich sind. Vielleicht sorgt der neue
Nachbar von nebenan dafür, dass die ganze Gästeschar vor Lachen schier unterm
Tisch liegt. Wo sonst nach zwei drei Stunden der Gesprächsstoff längst
ausgegangen ist. Oder die Kollegin, mit der ich seit Jahr und Tag auf demselben
Flur arbeite, erzählt von ihrem Chor, wo ich doch schon lange nach einem suche,
und wir marschieren das nächste Mal zusammen da hin.
Oder die Bekannte aus dem Fitness-Studio erweist sich als gute Zuhörerin und beim Reden wird mir klar, was der nächste Schritt für mich ist. Oder jemand freundet sich mit den Kindern an und man hat einen Baby-Sitter gewonnen. Dann ist das so, als wenn Gott diesen Menschen zu mir geschickt hat. Dann werden diese Worte wahr: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt.“ Ohne Gastfreundschaft hätte sich der jüdisch-christliche Glaube kaum so richtig ausgebreitet. Jesus zum Beispiel wurde immer wieder eingeladen und konnte dann seine Botschaft in Wort und Tat loswerden. Und später seine Jünger und die Apostel – wie Paulus auf seinen Reisen. „Vergesst die Gastfreundschaft nicht.“ Manchmal genügt schon ein Blick, eine Geste oder ein Wort und ich begegne nicht nur einem besonderen Menschen, der für mich ganz wichtig wird. Ich begegne darin dem lebendigen Gott.
Ihre
Pfarrerin Barbara Schwahn, aus Meerbusch.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze