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Das Geistliche Wort | 24.11.2019 | 08:40 Uhr

Singen ist Sache des Liebenden


Guten Morgen!

Heute, am Sonntag nach dem Gedenktag der heiligen Cäcilia, wird in vielen katholischen Kirchen besonders der Kirchenmusik gedacht. Warum? Die heilige Cäcilia gilt als die Patronin der Kirchenmusik. Und viele Kirchenchöre feiern das heute am sogenannten Cäciliensonntag mit Konzerten und Festgottesdiensten. Ich bin Vorsitzender des Diözesancäcilienverbands der Kirchenchöre im Erzbistum Köln und möchte ihnen etwas von der heiligen Cäcilia erzählen. Oft wird sie ja dargestellt als junge Frau an einer Orgel, die singt. Dabei hatte sie ursprünglich nichts mit der Musik zu tun.

Alles fing nämlich mit einem Übertragungsfehler an. Und das war so: Cäcilia sollte – wie man heute sagen würde – zwangsverheiratet werden. Mit einem heidnischen Mann. Sie aber wollte ganz zu Jesus Christus gehören und sich keinem anderen Mann hingeben. Die legendäre Lebensbeschreibung aus dem 5. oder 6. Jahrhundert berichtet, dass sie in ihrem Herzen zu Gott sang, während schon die Instrumente zur Hochzeit spielten. Sie bat Gott, dass er sie vor der Ehe bewahren möge. Dieser Widerspruch zwischen dem weltlichen Hochzeitslärm und dem innerlichen Gebet ging verloren, als später aus der Lebensbeschreibung ein Gebet formuliert wurde. Nun hieß es plötzlich: Cäcilia sang zum Spiel der Instrumente zu Gott. Dazu kam noch: Das lateinische Wort für Instrumente damals war allgemein Organa. Aber das wussten die Künstler späterer Jahrhunderte nicht mehr, und so sitzt nun Cäcilia singend an der Orgel als Schutzpatronin der Kirchenmusik.

Ein altes Musikstück gibt noch Zeugnis von diesem Übertragungsfehler. Da heißt es: “Zum Spiel der Orgel sang Cäcilia in ihrem Herzen zu Gott: Herr, lass mein Herz unversehrt bleiben, damit ich nicht zuschanden werde."


Allerdings ganz so unpassend ist der Übertragungsfehler dann doch nicht – wenn man einmal auf die weitere Lebensbeschreibung der heiligen Cäcilia schaut. Cäcilia – so die Legende – war ganz von Liebe zu Gott erfüllt. So sehr, dass auch ihr Bräutigam Valerianus sich davon anstecken ließ. Er wurde getauft und respektierte, dass Cäcilia ganz für Gott leben wollte. Und wenn sich Liebe im Gesang ausdrückt, dann stimmt, was der heilige Kirchenvater Augustinus einmal so formuliert hat: Cantare amantis est – Singen ist Sache des Liebenden. Und ich unterstelle einmal: Als große Liebende hat Cäcilia sicherlich viel gesungen. Übrigens: Den Zusammenhang zwischen Liebe und Singen kann ich heute noch nachvollziehen, wenn ich im Stadion die Fans des 1. FC Köln mit ihrer Hymne höre: „Mer stonn zo dir, FC Kölle!“

So hört es sich an, wenn Zigtausend ihren Verein wirklich lieben. Oder wenn – nicht nur im Karneval – die Kölner mit den Bläck Fööß singen: „Du bes die Stadt op die mer all he stonn!“ Wenn das nicht die Liebe der Menschen zu ihrer Stadt ist?

Es gibt aber auch noch andere Beispiele, die zeigen, dass das Singen ein tiefer Ausdruck der Liebe ist zwischen Mann und Frau. Ich denke da an den Minnesang des Mittelalters mit seinen kunstvollen Liebesgedichten. Auch heute ist es undenkbar, dass Musik fehlt, wo es um Liebe geht. Weder bei einem romantischen Abend zu zweit noch bei einer festlichen Hochzeit. Cantare amantis est – Singen ist Sache der Liebenden.

Und wie weit diese Liebe reicht, das zeigen wunderbare Worte aus der Cäcilienhymne des englischen Komponisten Herbert Howells: „Sing für deine Lieben des Himmels und der Erde in Worten aus Musik. Und jedes Wort eine Wahrheit.“


Singen ist Sache der Liebenden. Allerdings hat mich überrascht, dass die Christen der ersten Jahrhunderte durchaus ihre Vorbehalte gegen Musik hatten, besonders gegen die reine Instrumentalmusik. Das zeigt die Legende von der Hochzeit der heiligen Cäcilia nämlich auch sozusagen als historisch wahren Kern. Denn Instrumente galten als heidnisch und theatralisch und passten deswegen nicht in den Gottesdienst.

Aber andererseits waren von Anfang an für den christlichen Gottesdienst sinnliche Erfahrungen auch wichtig. Das Christentum ist eben nicht nur etwas Vergeistigtes, sondern betrifft immer den ganzen Menschen mit all seinen Sinnen.

Apropos Sinnlichkeit: Hier möchte ich noch etwas mehr von Augustinus erzählen. Der war nämlich nicht von Anfang an Theologe, und schon gar kein Heiliger. Zunächst führte er ein ziemlich wildes Leben und war ein arroganter Intellektueller seiner Zeit. Seinen unehelichen Sohn nennt er zum Beispiel Adeodatus – d.h. von Gott gegeben. Er beschreibt seinen Weg zum Christentum weg von den sinnlichen Ausschweifungen ins totale Gegenteil. Denn zunächst wurde er ein Radikaler, der alles Irdische und Sinnliche verachtete, weil er glaubte, nur so könne er erlöst werden.

In Mailand lernt er dann die christliche Gemeinde von Bischof Ambrosius kennen, dessen Predigten ihn packen. Durch Ambrosius lernt Augustinus auch Gesänge und Hymnen im Gottesdienst kennen. Und diese Erfahrung der Musik bekam schließlich eine ganz entscheidende Rolle für Augustinus christliche Prägung. Augustinus berichtet später selbst in seinen Bekenntnissen:

„Wie weinte ich bei Deinen Hymnen und Gesängen, tief bewegt von den Stimmen deiner lieblich singenden Kirche! Die Stimmen drangen in mein Ohr, und in ihrem Strom träufelte die Wahrheit in mein Herz, das Gefühl für Gott taute auf, es flossen Tränen und mir war wohl dabei.“ (Confessiones IX 6,14)


„Die Stimmen drangen in mein Ohr, und in ihrem Strom träufelte die Wahrheit in mein Herz, das Gefühl für Gott taute auf, es flossen Tränen und mir war wohl dabei.“ Musik kann in uns etwas auslösen, was Worte allein niemals vermögen. Musik hat eine Kraft, die innerlich tief anrühren kann. Und Musik gibt eine Ahnung von dem, was Menschen übersteigt.

Musik kann auch erschüttern und etwas entstehen lassen, was in einer Gesellschaft der Macher kaum noch zu erkennen ist: Ich spreche von Ehrfurcht. Der Begriff ist nicht populär, aber er meint ein Staunen vor etwas Großem. Und dazu kann Musik allemal verhelfen.

Heute – am Cäciliensonntag – feiern viele katholische Chöre ihr Jahresfest und sie werden dabei viel singen. Großartig, dass sich allein in Deutschland in evangelischen und katholischen Chören rund 800.000 Sängerinnen und Sänger engagieren. Und schade, dass in Kitas und Schulen immer weniger gesungen wird. Dabei zeigt schon der WDR mit seinem Wettbewerb „Der beste Chor im Westen“, wieviel Spass das Singen im Chor machen kann – nicht nur in der Kirche.

Ich weiß natürlich, dass es auch viele Menschen gibt, die sagen: Ich kann gar nicht singen. Aber warum sollte man es nicht einmal versuchen.

Ein Gesangspädagoge hat mir jedenfalls gesagt: Jede und jeder kann singen! Man muss es nur wagen.

Und was die Kirchenmusik angeht, da gilt: Gott, den die Musik zu erfassen versucht, ist immer größer als alles Lob, das der Mensch singen kann. Deshalb soll man es ruhig wagen zu singen – auch wenn mal ein Ton daneben geht und es nicht perfekt ist. Oder, wie es einmal der große Theologe Thomas von Aquin gesagt hat: „Was Du kannst, das wage, denn Gott ist größer als alles Lob, und nie schöpfst du sein Lob aus.“


Gott ist immer größer als unser Lob und unser Singen. Und dafür steht die Heilige Cäcilia, auch wenn es nur ein Übertragungsfehler war, der sie zur Patronin der Kirchenmusik machte. Aber Patronin hin oder her, wichtiger ist die Musik selbst. Sie hebt den Menschen über sich hinaus, sie drückt das Unaussprechliche aus, sie ist die angemessene Sprache der Liebe zu den Menschen, denn Singen ist Sache der Liebenden. Und ich würde ergänzen: mehr noch ist Musik die angemessene Sprache der Liebe zu Gott.


Viele frohe Lieder im Herzen und auf den Lippen wünscht Ihnen

Ihr Markus Bosbach

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