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Das Geistliche Wort | 25.12.2019 | 08:40 Uhr

Weihnachten: Wagnis der Menschwerdung aus der Sicht von Schüler*innen


Stefan Klug: Guten Morgen und frohe Weihnachten! Ich bin Lehrer und unterrichte am Gymnasium Theodorianum in Paderborn das Fach Katholische Religion. In den letzten Wochen vor den Weihnachtsferien habe ich mit den Schülerinnen und Schülern meines Oberstufenkurses intensiv mit Gottesbildern und mit der Bedeutung von Weihnachten beschäftigt. Zusammen mit zwei Schülern aus dem Kurs möchte heute Morgen der Frage nachgehen: Was denkt ihr eigentlich über Weihnachten? Also: Hallo Lutz und Stella, erzählt einmal, was verbindet ihr mit Weihnachten und wie seid ihr darauf zugegangen?

Lutz: Neulich am Morgen: Ich stand auf, machte mir mein Frühstück, alles so wie immer. Und doch stellte sich ein angenehmes, wohliges Gefühl ein… Ach ja, Weihnachten steht vor der Tür! Klar, ich erinnerte mich auch an die hektischen Wochen davor. An die Schoko-Weihnachtsmänner, die schon seit Herbst die Regale der Supermärkte bevölkern. An diese typischen, manchmal echt nervigen Weihnachtshits, die wochenlang aus allen Lautsprechern schallen und die im Radio zu hören sind. Aber ich denke auch an die vielen schönen Seiten: Die Menschen machen sich Gedanken, wie sie ihrer Familie und Freunden eine Freude bereiten können. Und wie sie voller Vorfreude, alle Jahre wieder, den Weihnachtstagen entgegenfiebern.

Stefan Klug: Und Stella, wie geht es dir mit der Vorweihnachtszeit?

Stella: Für mich bedeutet Weihnachten vor allem eins: Stress! Stress in der Schule. Viele Termine. Stress beim Geschenkekaufen. Stress, wo immer man auch hinsieht. Ich finde: Weihnachten ist doch nur noch ein Fest des Konsums. Die ursprüngliche Bedeutung spielt doch fast eine Rolle mehr!

Stefan Klug: Was bedeutet Weihnachten. In der Schule, wo ich Lutz und Stella unterrichte, haben wir eine Umfrage gemacht.

Lutz: Wir hatten alle Schüler befragt, was sie am ehesten mit Weihnachten verbinden. Heraus kam: zuallererst Familie, als zweites das gemeinsame Essen – und dann der Tannenbaum. Danach folgten die Geschenke – die fanden viele von uns auch noch ganz wichtig. Religiöse Dinge, wie der Gang zur Kirche oder die Geburt Jesu, fanden weniger als die Hälfte wichtig für Weihnachten.

Stefan Klug: Eine aktuelle Umfrage in Deutschland aus diesem Jahr kam übrigens zu einem ähnlichen Ergebnis. Immerhin: Etwa mehr als die Hälfte der Befragten sieht in Weihnachten noch einen christlichen Feiertag. Daran wird jedenfalls deutlich: Weihnachten wandelt sich immer mehr von einem christlichen Fest hin zu einem weltlichen Familien-Event. Aber das hat vielleicht ja auch etwas Positives: Die Familie kommt zusammen, man verbringt gemeinsame Zeit und genießt die ruhigen Tage.

Lutz: Ja, das sehe ich auch so. Auf diese Tage freue ich mich besonders. Dazu die weihnachtliche Atmosphäre: Alles ist schön geschmückt und beleuchtet, und der Weihnachtsmarkt lädt zum abendlichen Bummel ein. Jeder kennt doch dieses Gefühl: dieses typische „Weihnachts-Feeling“ eben!

Stella: Aber das kann doch nicht alles sein. Sollte Weihnachten nicht mehr sein als dieses „Weihnachts-Feeling“? Diese ganze Weihnachtsfeierei steht doch total im Gegensatz dazu, was mit Weihnachten ursprünglich verbunden wird.

Stefan Klug: Wie meinst du das?

Stella: Jesus kam doch damals nicht als gefeierter Superheld auf die Welt, sondern in einer Krippe in einfachsten Verhältnissen… Was ich aus der Bibel weiß, war das ganz schön bescheiden: Geburt mit neugeborenem Kind in einer Krippe. Hirten auf einem Feld. Irgendwie Engel, die singen. Aber ob das wirklich so war, da bin ich skeptisch.

Stefan Klug: Es gibt allen Grund skeptisch zu sein gegenüber den anschaulichen Berichten von Weihnachten in der Bibel. Warum, dazu kann Stella was sagen:

Stella: Im Unterricht haben wir uns genauer mit den Kindheitsgeschichten Jesu beschäftigt. Die Evangelien von Matthäus und Lukas setzen an den Anfang ihrer Bücher die Kindheit Jesu: mit seiner Geburt in der Krippe, dem Auftreten der Engel und der Huldigung der Sterndeuter. Viele dieser Aussagen sind aber, wie wir gelernt haben, historisch kaum gesichert. Sicher scheint nur: Jesus wurde in der Regierungszeit von König Herodes und Kaiser Augustus geboren. Die Texte zur Geburt und Kindheit Jesu wollen aber keine exakten historischen Fakten liefern. Sie transportieren wichtige theologische Aussagen über Jesus, um den Lesern zu zeigen, wer Jesus ist und welche Bedeutung er hat. Für die Evangelisten Matthäus und Lukas war klar: Jesus ist der verheißene Retter und der Sohn Gottes.

Lutz: Stimmt. Und seit dem frühen Christentum ist dieses Bekenntnis zum Sohn Gottes bis heute einer der wichtigsten Aussagen über Jesus. Mich hat im Unterricht überrascht, dass es die Vorstellung von „Gottessöhnen“ auch in anderen antiken Kulturen gab. Schon beim griechischen Dichter Homer ist von den „Söhnen des Zeus“ die Rede, Alexander der Große galt als Sohn des ägyptischen Gottes Ammon. Die römischen Kaiser schmückten sich mit dem Titel Divi filius – „Sohn des Göttlichen“. Das sollte ihre überirdischen Kräfte beziehungsweise ihren weltlichen Herrschaftsanspruch betonen. Von solchen Vorstellungen unterscheidet sich das christliche Bekenntnis deutlich: Hier wird kein Herrschaftsanspruch erhoben, im Gegenteil: Gott macht sich ganz klein und schutzlos.

Stefan Klug: Ich bin ja echt froh, dass ihr das aus meinem Unterricht behalten habt. Denn genau, wie Stella sagte: Jesus kam eben nicht als Superheld auf die Welt. Sondern: Er ist in einer Krippe in einfachsten Verhältnissen geboren worden, verwundbar und auf die Hilfe anderer angewiesen. Mit der Weihnachtsgeschichte zeigt sich eben ein ganz neues Gottesbild: Gott wird unmittelbar erfahrbar als ein Gott der Welt, für die Welt und in der Welt. Indem Gott Mensch wird, geht ihn das Schicksal der Menschen und der Schöpfung unmittelbar selbst an. Gott kommt den Menschen nahe, so nahe, dass er sich auf menschliche Augenhöhe begibt – und wählt dabei seine verletzlichste, ohnmächtigste Gestalt.

Lutz: Ja, genau: Das drückt sich im Bild des Säuglings aus: schutzlos, zutiefst abhängig und verwundbar. Das neugeborene Kind in der Krippe steht also dafür, wie nah wir Menschen Gott zu Herzen gehen.

Stefan Klug: Das Historische und Theologische von Weihnachten ist das eine. Ich frage mich vielmehr und frage euch: Was bedeutet denn dieses neue, weihnachtliche Gottesbild heute konkret? Wo wird diese Nähe Gottes zu den Menschen denn erfahrbar?

Stella: Mir fällt dazu ein Beispiel ein. Ok, das hat nicht direkt was mit Weihnachten zu tun, aber es geht ja um die Erfahrung, das Gott nahe bei den Menschen ist und das habe ich erfahren. Ich war mit unserem Reli-Kurs zu Besuch in einem Hospiz. Dort erzählte eine Mitarbeiterin, wie sie todkranke Menschen durch ihre letzten Wochen und Tage begleitet, und mit welcher Aufmerksamkeit und Wertschätzung sie für sie da ist. Das hat mich total beeindruckt: Menschen im Sterben nahe zu sein.

Stefan Klug: Ich war ja auch dabei als euer Reli-Lehrer. Stimmt, und mir ging das auch so! Da fällt mir ein: Vor einigen Jahren hatten wir an Weihnachten in meiner Familie fünf geflüchtete Kurden zu Gast. Die kamen aus dem Norden Syriens, unter schwierigsten Umständen. Nun lebten sie in einer Flüchtlingsunterkunft. Den Heiligabend verbrachten wir gemeinsam, mit Bescherung, Abendessen und Gesellschaftsspielen. Das Verrückte war: Auch wenn die Flüchtlinge keine Geschenke verteilten, so wie wir das ihnen gegenüber an dem Heiligabend getan haben: Am Ende fühlte ich mich doch von ihnen reich beschenkt.

Lutz: Apropos Flüchtlinge: Mich hat sehr beeindruckt, wie sich seit den letzten Jahren unzählige Menschen in Deutschland ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Sie helfen dort, wo sie können, um den Neuankömmlingen ein besseres Leben zu ermöglichen. Auch viele Kirchengemeinden wirken bis heute haben daran tatkräftig daran mit. Gerade hier, in sozialen und caritativen Bereichen, wo Menschen sich selbstlos engagieren, um anderen zu helfen, da zeigt sich doch menschliche Nähe. Wenn das kein Bild für die Zuwendung Gottes zu den Menschen durch Menschen ist?!

Stella: Richtig. Das sehe ich auch so: Die Weihnachtsgeschichte ist nicht eine alte, fromme Erzählung aus der Bibel, sondern sie hat eine aktuelle politische Bedeutung. Ich vergleiche einmal: Eine kleine Familie, mit einer hochschwangeren Frau, sucht eine Herberge, bis das Neugeborene schließlich in einem armseligen Stall in einer Krippe geboren wird. Diese Familie wird dann von König Herodes in die Flucht nach Ägypten getrieben. Solche Geschichten von Flucht und Vertreibung spielen sich auch heute noch ab: im Nahen Osten, in Afrika und sogar in Europa!

Stefan Klug: Richtig: Die Weihnachtsgeschichte, mit ihrer Botschaft von einem Gott, der den Menschen nahe ist, ist hochpolitisch und hochaktuell.

Stefan Klug: Weihnachten als politische Haltung im Umgang nicht nur mit Geflüchteten. Das könnte ein echtes Programm werden für die Gesellschaft – für jeden von uns.

Lutz: Ich finde, dass viele Menschen heutzutage diesem Ursprung von Weihnachten schon nahe kommen: Wenn nicht nur die Traditionen, die Geschenke oder der Konsum – also das „Weihnachtsfeeling“ – im Mittelpunkt stehen, sondern sich der Blick weitet, auf unsere Mitmenschen hin, gerade mit ihren Verwundbarkeiten. Und wenn wir uns für sie einsetzen, da wo es möglich und nötig ist, ganz konkret.

Stella: Ok, da stimme ich dir zu. Das sind dann doch Erfahrungen von einem „Weihnachts-Spirit“. Sozusagen: „Weihnachtsfeeling“ plus „Weihnachts-Spirit“!

Stefan Klug: Was meinst du mit so einem „Weihnachtsspirit“?

Stella: „Weihnachtsspirit“ ist da, wo ich Gemeinschaft erlebe, wo Menschen mir zur Seite stehen. Und umgekehrt, kann ich dann auch diesen Weihnachtsspirit erzeugen, wo ich anderen zur Seite stehe. Man könnte sagen: Weihnachten ist eine „Beziehungsgeschichte“: zwischen den Menschen, und darin zeigt sich die Beziehung zwischen Menschen und Gott.

Lutz: Für mich gehört zu diesem „Weihnachtsspirit“ dazu: Ich darf eigene Schwächen und Verwundbarkeiten zeigen und versuchen sie anzunehmen. Ich vertraue dann darauf, dass Gott mir auch in solchen Momenten nahe ist.

Stefan Klug: Das hoffe ich auch! Lutz und Stella: Danke für Eurer Mitdenken und Mittun. Euch und allen Hörerinnen und Hörern wünsche ich noch schöne Momente des Weihnachtsfeelings, aber auch den Weihnachtsspirit. Herzlich grüßen aus Paderborn: Stefan Klug,

Lutz:… Lutz Renneke …

Stella: und Stella-Marilyn Sowa.



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