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Kirche in WDR 5 | 07.01.2020 | 06:55 Uhr
Der vierte König
Gibt es drei
oder vier heilige Könige? Köln verehrt drei heilige Könige. Gestern erst wurde
das Fest begangen im stolzen Dom zu Köln. Dabei kenne ich Geschichten von vier
heiligen Königen. Wer sich schlau machen will und nach dem vierten König googelt,
trifft auf ein französisches Restaurant. Irritiert wird er weiter suchen. In
einem zweiten Anlauf findet er den Roman von Edzard Schaper, in dessen
Mittelpunkt ein vierter König aus Russland steht. Erst beim dritten Versuch
landet er bei einer uralten Legende, die wahrscheinlich der Ursprung ist. Sie
erzählt tatsächlich von einem vierten König, der wie die anderen drei in seiner
Heimat den Stern gesehen hat. Genau wie sie bricht er auf, um rechtzeitig in
Bethlehem zu sein. Drei Edelsteine nimmt er als Geschenke mit. Auf dem langen
Weg zur Krippe begegnen ihm drei Arme. Ihr Elend rührt ihn so sehr, dass er
sich um sie kümmert. Damit sie keine Not mehr leiden müssen, schenkt er ihnen vor
seiner Weiterreise seine Edelsteine. Durch seine tatkräftige Hilfe verzögert
sich seine Ankunft. Dreißig Jahre lang ist er unterwegs. Müde und erschöpft
erreicht er sein Ziel. Auf Golgotha ist Jesus
gerade gekreuzigt worden. Statt an der Krippe fällt der vierte König mit leeren
Händen am Kreuz auf die Knie.
Die Legende war
mir nicht bekannt, als mir die Schützenbruderschaft meiner niederrheinischen Pfarrgemeinde
beim Neujahrsempfang ein Anliegen vortrug. „Drei Könige stehen an unserer
Krippe in der Kirche“, meinte der Präsident, „jedes Jahr krönen wir unseren
Schützenkönig. Warum darf er als Figur nicht mit an der Krippe stehen?“ Ich
zögerte. „Der Schützenkönig als vierter König?“ Die Herren des Vorstandes versuchten
mich zu überzeugen. „Im Kölner Dom stehen Domschweizer an der Krippe. Dann wird
es doch am Niederrhein erlaubt sein, die drei Könige um einen Schützenkönig zu
vermehren. Der Schützenkönig gehört zu unserem Dorf wie Weihnachten zur
Kirche.“
Obwohl ich noch zweifelte,
stimmte ich zu. Die Bruderschaft beauftragte einen Schnitzer aus ihren Reihen,
der sich sogleich ans Werk machte. Die Frauengemeinschaft nähte eine grüne
Uniform, und die Jungschützen löteten eine kleine Silberkette, die ja nach
alter Tradition das Zeichen der Königswürde ist. Kurz nach Weihnachten war der
vierte Krippenkönig fertig. Auf Wunsch der Bruderschaft wurde er im
Festgottesdienst am 6. Januar zum ersten Mal aufgestellt. Viele Bruderschaftler
waren in die Kirche gekommen, um den Moment mitzuerleben. Mit ernster Miene
trug der Schützenkönig seinen kleinen Bruder an die Krippe. Seit damals wird im
Dorf diese Zeremonie jedes Jahr zum 6. Januar wiederholt. Für die Schützen ist
das Fest der heiligen drei Könige ein besonderes Ereignis, zu dem auch die
Bruderschaftler der Nachbarpfarreien erscheinen. Der vierte König lädt die
Menschen ein, Caspar, Melchior, Balthasar und das Krippenkind zu feiern.
Ob nun zu dritt oder zu viert, es ist nie zu spät, um bei Jesus anzukommen. Wichtig ist nur, aufzubrechen und die Not am Weg wahrzunehmen. Wer losgegangen ist, erreicht sein Ziel. Sei es nun die Krippe in Bethlehem oder das Kreuz auf Golgotha.
Bleiben Sie dorthin unterwegs, das hofft Ihr Pfarrer Albert Damblon aus Mönchengladbach.