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Das Geistliche Wort | 19.04.2020 | 08:40 Uhr

Keep calm


Auch in diesem Jahr wird es wieder nicht gefeiert. Genau gesagt am kommenden Dienstag, den 21. April. An diesem Tag jährt sich das Wiegenfest der alten Dame: Elizabeth Alexandra Mary Windsor. Kurz Queen Elizabeth II. Und wie in jedem Jahr bekommt der normale Bürger davon eigentlich so gut wie nichts mit. So wird es dann wohl auch in diesem Jahr sein. Und das noch nicht mal mit dem Corona- Virus zu tun. Die Queen feiert ihren Geburtstag alljährlich im Juni nach; und dann mit Pauken und Trompeten und der bekannten Parade „Trooping the colour“. Der Grund ist ganz einfach: Das Wetter -besonders in England- ist der berühmten Dame an diesem Apriltag einfach zu unbeständig.

Da denkt sie ganz britisch: Keep calm - Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben. Ganz pragmatische Gründe, die der Jubilarin wohl nicht sonderlich wehtun. Sie ist sich ja bewusst: Das Fest wird umso schöner, wenn es nicht im unbeständigen und frischen April verregnet. Zudem: Sie hat es ja auch selber in der Hand. Und daher meckert keiner über die ausbleibende Feier am Apriltag. Jeder weiß: Das Fest fällt nicht aus! Also: keep calm.

Die Briten sind es gewohnt, dass ihre Queen den Geburtstag verschiebt, dann wenn die Großwetterlage günstiger ist. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Anders ist es sicher an diesem Sonntag! Und ich, für mein Teil, kann schon sagen: ich vermisse das, was heute eben NICHT ist. Und wenn ich es schon vermisse, wie wird es dann mit all denen sein, die direkt betroffen sind? Die Rede ist vom „Weißen Sonntag“, den die Katholiken traditionell am Sonntag nach Ostern feiern. Und meist ist das der Tag, an dem die Kinder zur ersten Heiligen Kommunion gehen.

Die Kinder, und auch die Familien fiebern meist schon über Monate auf den Termin hin. Und in diesem Jahr? Abgesagt. Wie alle Gottesdienste derzeit. Klar: in der Corona-Krise ist das not-wendig, dass wir nicht mit vielen zusammen kommen. Nur so kann sich die Not wenden. Das leuchtet uns ein und unser Kopf versteht das. Aber das Herz? Wie mag es heute all den Kindern gehen, die sich eine lange Zeit mit ihren Eltern und Familien, Katechetinnen und Katecheten und vielen Helfenden auf diesen Tag vorbereitet haben? Um diese Zeit hätten die Kinder wahrscheinlich aufgeregt vor der Kirche gestanden und der „Große Tag“ hätte seinen Lauf genommen. Kommunio: das heißt Gemeinschaft. Aber heute kommt keine größere Gemeinschaft zusammen.
Aber: Dem ist nun nicht so. Das Fest findet nicht statt. Die Gäste sind ausgeladen und alles, was mit der Feier zu tun hatte ist storniert. Das Fest ist…. Abgesagt. Nein… eigentlich ist das Fest verschoben auf „bessere Zeiten“. Aber was hilft das schon den Kindern? Eine Vertröstung.

Sprecherin:Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben. Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging. Sie sagten zueinander: Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen? Doch als sie hinblickten, sahen sie, dass der Stein schon weggewälzt war; er war sehr groß. Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat. Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich.“

So schreibt es Markus in seinem Evangelium. Es ist das älteste Osterevangelium, das überliefert ist. Wie enttäuschend… so denke ich. Das endet ja alles andere als oster-fröhlich. Die Frauen bekommen es mit der Angst zu tun und flüchten. Zwar ist die Botschaft klar: Jesus ist auferstanden! Das versteht der Kopf vielleicht so gerade. Aber das Herz kommt nicht mit. Denn: Sie sehen ihn nicht. Keine Begegnung, keine Ostererscheinung, kein Wunder, kein Freudenfest. So soll sie enden, ihre Ostergeschichte? Sie werden weggeschickt, nach Galiläa. Dort erst soll der Auferstandene ihnen erscheinen.

Galiläa – das ist da, wo die Frauen und die Jünger zu Hause waren. Galiläa, das ist vertraut. Galiläa ist da, wo die anderen Jünger sind: Petrus, Jakobus und Johannes und wie sie alle heißen.

Galiläa – das ist also die Welt der Alltäglichkeiten und des Alltagsgrau. Das ist genau da, wo man zusammen ist. Wo die Eltern sind mit den Kindern, mit freundlichen oder griesgrämigen Nachbarn.

Galiläa ist da, wo man arbeitet und sich verschnauft, wo man engagiert ist, wo man sich freut und fröhlich ist. Aber eben auch, wo man traurig ist und es auch sein darf. Galiläa ist da, wo man lebt.

Die Frauen konnten das damals noch nicht erkennen und begreifen. Sie waren auf einmal quasi am Ball und mussten diese Ostergeschichte selber schreiben. Mit ihrem Leben. In ihrem Alltag und in ihrem Galiläa. Dazu musste aber noch einiges erlebt und erfahren werden. In dem Moment war das alles Vertröstung und kein Trost.

Vertröstung, dass bedeutet: Jemanden hinhalten, Hoffnungen und Wünsche nicht sofort zu erfüllen. Nicht selten ist die Grenze zum berühmten „am ausgestreckten Arm verhungern lassen“ nicht sehr weit - zumindest im Herzen.

Trost hingegen bedeutet zwischenmenschliche Zuwendung an jemanden, der trauert

Das hätte es gebraucht, damals bei den Frauen am Grab. Das bräuchte es heute bei den vielen, die auf das Fest am Weißen Sonntag verzichten müssen. Das bräuchte es bei allen, die an diesem Virus erkrankt sind, oder die um einen Toten trauern. Es braucht Trost in unserer Welt; nicht nur wegen der ausgefallenen Erstkommunion, oder des Coronavirus.- Aber auch deswegen. Was es nicht braucht: Vertröstung auf „bessere Zeiten“. Das lindert keinen Schmerz.

Im Wallfahrtsort Kevelaer am Niederrhein, wo ich arbeite, steht in der Mitte des Kapellenplatzes die Gnadenkapelle. In dieser Kapelle hängt es: Das kleine und unscheinbare Gnadenbild mit dem Abbild Mariens. Kleiner als eine Postkarte und im „Alltags-Schwarz-Weiß“. Wenig prunkvoll und auf den ersten Blick sicher nicht sonderlich eindrucksvoll. Dort wo das Gnadenbild in der Wallfahrtszeit durch ein offenes Fenster auf den Kapellenplatz blickt, steht über der Fensteröffnung in goldenen Lettern: „Consolatrix Afflictorum“ – Trösterin der Betrübten. Und dieses Fenster haben wir vom Seelsorgeteam (anders als eigentlich üblich) schon vor dem Beginn der Wallfahrt geöffnet. Seit dem Beginn der Corona-Pandemie in unserem Land ist es nun Tag ein und Tag aus geöffnet und lädt die afflicti (also die Betrübten) unserer Tage ein. Und: sie kommen. Seit über 375 Jahren.

Nach Kevelaer pilgern Menschen, die in ihrem Galiläa, in ihrem Alltag versuchen ihre persönliche Oster-Lebens-Geschichte zu schreiben. Das gelingt das eine Mal sehr gut. Das andere Mal gelingt es eben gar nicht. Das sind vielleicht jene Momente, in denen sie sich höchstens selber vertrösten können. Das sind Momente, in denen Trost fehlt und Zuwendung. Dann kommen die Menschen nach Kevelaer und zünden an diesem kleinen unscheinbaren Ort ein Kerzchen an, um ein wenig Tröstung zu erfahren und einen Lichtmoment zu erfahren.

In Zeiten, wo es nicht so einfach ist dies selber zu tun, bieten wir seit einigen Wochen an, dieses Licht stellvertretend für die Menschen anzuzünden. Seitdem Aufruf haben uns in Kevelaer darum rund 250 Menschen gebeten. Wir machen das gerne und halten so das Licht an. Wir schreiben so weiter an unserer Ostergeschichte 2020 und halten alle im Blick, die in diesen Tagen echten Trost und eben keine Vertröstung gebrauchen können. Das betrifft die vielen Menschen, die vom Corona-Virus betroffen sind und sich in diesen Tagen sorgen. Das betrifft aber heute besonders die Erstkommunionkinder, deren Fest heute verschoben wurde. Wir alle wissen: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das wissen wir… im Kopf. Aber das Herz kommt eben nicht mit. Und weil das so ist, brauchen wir vielleicht gerade heute und hier echten Trost.

Vielleicht geht es auch der Queen so an ihrem eigentlichen Geburtstag, am kommenden Dienstag. Deswegen erklingen in London am 21. April wenigstens Salutschüsse in einem der großen Parks.

Also: An dieser Stelle -wenn auch nur als kleiner Trost- mein „Salut“ für diese Erstkommunion-Kinder und Ihre Familien und dafür, dass sie warten!
Für diese Zeit des Wartens brennt heute für Euch und Eure Familien am Kapellenplatz eine Kerze. Ihnen allen wünsche ich: Bleiben Sie gesund und behütet. Und der Queen schon jetzt: „God save the Queen!“ – sagt Bastian Rütten aus Kevelaer.

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