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Das Geistliche Wort | 21.05.2020 | 08:40 Uhr

Gut Abschied nehmen

(Audio der Internetfassung enthält nicht die im Manuskript angegebene Musik)


Musik:
Tears in heaven (instrumental), Komponist: Eric Clapton, Interpretin: Kinga Glyk, CD: Dream, Track 7, Label: Warner Music International (Warner), LC: 14666


O-Ton (Friederike Lambrich):

Neulich hat mir eine Angehörige erzählt: Ich bin so ein Typ, ich hätte meine Mutter noch mal sehen müssen. In dem Heim war das nicht möglich. Die Heimleitung hat gesagt: Auch zu Sterbenden lassen wir niemanden. Also es war wirklich gar nicht mehr möglich, die Mutter zu sehen. Abschied gestalten und sehen, dass sich was verändert, das fehlt. Total. Das kann man nur irgendwie zusammen aushalten.


O-Ton (Robin Banerjee):

Ein Trauergespräch, wie wir das kennen oder wie ich das kenne hier in Schwanenberg, dauert zwischen einer Stunde und zwei Stunden. Die ganze Familie ist am Tisch. Das geht jetzt auch nicht mehr. Weil wir ja auf Abstand sitzen müssen. Und sobald mehrere Menschen Interesse an diesem Gespräch haben, geht es nur über Telefon.


Autor:

Wie geht das in Zeiten von Corona: jemanden verlieren, trauern, Abschied nehmen? Was brauchen Menschen? Welche Nähe ist möglich, wenn Abstand geboten ist? Was geht dann am Sterbebett, im Trauergespräch, auf dem Friedhof? Darüber spreche ich Ende April mit Friederike Lambrich und Robin Banerjee. Sie ist Pfarrerin in Lövenich und Baal, er ist Pfarrer in Schwanenberg. Die Orte liegen im Kreis Heinsberg. Hier fing alles an mit Corona in Deutschland. Hier gab es die meisten Fälle, hier schlossen die Schulen schon Mitte Februar. Hochzeiten wurden verschoben, Konzerte fanden nicht statt – und auch das Schwere wurde jetzt besonders schwer.


Musik:
Tears in heaven (instrumental), Komponist: Eric Clapton, Interpretin: Kinga Glyk, CD: Dream, Track 7, Label: Warner Music International (Warner), LC: 14666


O-Ton (Robin Banerjee)

Also die Menschen rufen an, und ich gehe dann auf den Tod ein, frage, was passiert ist, wie es passiert ist, und kondoliere auch. Und dann kommt aber auch schon bald sozusagen die Pflicht anzudeuten, wie die Beerdigung stattfinden wird, nämlich ohne Kirche. Das ist für die sehr schwierig zu akzeptieren, dass es nicht stattfinden kann in der Kirche. Und was dann bleibt, sind 10 Minuten auf dem Friedhof, 10-12 Minuten, und 10-12 Personen auf dem Friedhof. Das wird hier von der Stadt Erkelenz so vorgegeben. Und ich halte mich auch daran.


O-Ton (Friederike Lambrich):

Ich hab auch vorher schon, auch schon vor Corona Trauergespräche am Telefon geführt. Weil die Angehörigen weit weg wohnen oder weil es irgendwie beruflich bedingt nicht möglich war, dass wir uns treffen. Und ich finde, am Telefon kann man so die bestmögliche Nähe als Alternative zum Treffen herstellen. Also in einem Gespräch. Es ist wirklich ein sehr nahes Gespräch.


O-Ton (Robin Banerjee):
Und die Kunst ist natürlich am Anfang des Gesprächs eine Nähe herzustellen. Also durch Empathie. Und auch durch echt sein. Wertschätzung sowieso. Aber das sind so die drei Dinge, die von professioneller Sicht da eine große Rolle spielen. Und das gelingt auch am Telefon. Auch mit einer Person.


O-Ton (Friederike Lambrich):

Und ich führe das Gespräch so, wie ich es auch führen würde, wenn wir uns treffen würden. Wir können uns jetzt hören und Sie können erzählen und ich kann zuhören und stelle Fragen, und wir kommen uns nahe, und der Verstorbene kommt auch nahe. Weil es um die verstorbene Person geht. Und das geht gut. Und in der Stimme offenbart man so viel, und ich bin es als Seelsorgerin auch gewohnt, darauf zu hören, wie Leute etwas sagen. Das kann ich auch am Telefon.


O-Ton (Robin Banerjee):

Das war sehr schön in einem Fall. Da saßen drei Töchter, also die haben ihre Mutter verloren, hoch betagt, in dem Garten der Mutter am Tisch bei Sonne, und da fiel alles sehr leicht, darüber zu reden und es tat auch sehr gut. Man merkte am Telefon, wie toll die Atmosphäre war.


Musik:
Sad and happy Blues,
Interpretin/Komponistin: Kinga Glyk,
CD: Kinga G?yk:
Rejestracja, Track 1, Label: 580048 Records DK; LC: unbekannt


O-Ton (Friederike Lambrich):

Normalerweise brauchen Menschen das Begreifen, das geht über das Sehen, was da passiert, aber auch eben miteinander teilen, was da passiert, undzwar das geht manchmal über das Erzählen: weißt du noch, wie der Opa immer. Und solche Geschichten. Aber sich dann auch zu treffen und dann auch bei allen möglichen Gelegenheiten auch ja miteinander auszuhalten, was da gerade passiert. Also Menschen brauchen Miteinander, um zu trauern.


O-Ton (Robin Banerjee):

Was ich noch mache, ist vor dem Gespräch die Menschen zu bitten, einen Lebenslauf schriftlich abzugeben und eine Mindmap zur Persönlichkeit. Das soll keinen hohen Anspruch haben, aber es bringt die Menschen schon ein bisschen ins Gespräch. Ich habe jetzt die Erfahrung gehabt, da ist auch eine alte Dame gestorben, die beiden Töchter wohnen sehr weit entfernt voneinander und haben sich am Wochenende getroffen. Und durch die Bitte, beides einzureichen, einen Lebenslauf und eine Mindmap zum Charakter, sind die richtig miteinander ins Gespräch gekommen. Und die haben beide mir gesagt, dass sie das ohne diese Aufgabe wahrscheinlich nicht gemacht hätten, sondern nur Karten geschrieben hätten oder vielleicht sogar am Abend ein bisschen Fernsehen geguckt hätten. Und das war eine tolle Beerdigung. Ich wusste viel, wir haben toll geredet am Telefon, da kommt man schon zueinander. So entsteht dann Nähe.


Musik:
Golgota, Komponist: Bob Dylan, Interpretin: Kinga Glyk, CD: Rejestracja, Label: 580048 Records DK, LC: unbekannt


O-Ton (Robin Banerjee):

So eine Beerdigung ist total durchgestylt, was die Abläufe angeht. Und das macht alles Sinn! Vom ersten bis zum Schluss macht das alles Sinn.


O-Ton (Friederike Lambrich):

Ich überlege mir sehr genau, wo stehe ich da am Grab und wann drehe ich mich wohin und wie wirkt das, ich mache mir noch ein bisschen mehr Gedanken über alles. Über meine Körpersprache. Und ich glaube, das merken die Angehörigen. Das ist das Unbewusste: Mimik, Gestik, Körpersprache. Weil Worte können vieles, aber auch nicht alles.


O-Ton (Robin Banerjee):

Und ich glaube, dass da zwischen den Körpern viel mehr passiert als nur auf der verbalen Ebene. Gut, dass wir die auch noch haben. Klar. Aber ich glaube, passieren tut da mehr. Und da muss man sich nicht berühren. Das wäre schön. Klar. Auch so eine Umarmung. Das vermissen viele. Aber es funktioniert auch anders. Es geht gut ohne.


O-Ton (Friederike Lambrich):

Ja ich glaube, es ist wichtiger geworden, Sicherheit zu geben. Also zu sagen: Ich bring euch hier durch. Klar sind da Gesten wichtig. Ich kann natürlich auch durch Worte transportieren, dass jetzt etwas anders ist und auch Sicherheit geben mit meinen Worten und trösten und Mut machen. Das geht alles. Aber eine freundliche Begrüßung ohne Handschlag aber mit einem ehrlichen Lächeln. Also Mimik ist noch mal wichtiger geworden. Überhaupt ist Blickkontakt glaube ich noch wichtiger geworden als vorher. Weil das Sicherheit gibt. Ich bin hier, ihr seid jetzt hier nicht alleine. Auch wenn nicht alle da sein können, die hier sein möchten, aber ihr seid hier und ich bin hier und ich bring euch jetzt hier durch.


O-Ton (Robin Banerjee):

Ich gucke jeden an, begrüße, und zwar natürlich nicht mit Handschlag, sondern mit einem Blick und dabei ist schon eine leichte Verneigung. Ich kann jetzt nur von mir erzählen, ich mache überhaupt eine Beerdigung immer so, dass am Ende eine Kondolation steht bei den engsten Angehörigen, und ich verneige mich da immer. Das bedeutet für mich, das ist für mich ein Ausdruck an Respekt dem anderen gegenüber. Ich verneige mich auch vor der Lebensleistung des Verstorbenen. Das ist auch ein Respekt den Menschen gegenüber, die jetzt trauern müssen und mit der Situation klarkommen.

Ich habe das beim Tod meiner liebsten Oma erlebt, dass der alte Pfarrer in Rheydt auf dem Friedhof sich auch von mir, ich war acht, verneigt hat. Und das ist für mich ein ganz wichtiges Bild. Da habe ich ganz viel Kraft raus genommen. Und das möchte ich gerne den Menschen weitergeben. Und das geht jetzt auch noch!


Musik:
Winter came early, Interpret: Mo' Blow, Komponist: Tobias Fleischer, CD: Gimme the Boots, Track 10, Label: ACT Music + Vision GmbH & Co.
KG, LC: 85387


Autor:

Wie ging es wohl den Jüngern an Christi Himmelfahrt? Das war ja auch ein Abschied. Ein endgültiger Abschied, gut sechs Wochen nach Tod und Auferstehung. Aufgefahren in den Himmel: Mehr Abstand geht nicht. Vielleicht waren auch sie nur zehn oder zwölf, der engste Kreis. Die nächsten Freundinnen und Freunde. Was haben sie gefühlt in diesen Wochen?

Erst Trauer und Verzweiflung, dann Angst, Erschrecken, dann staunen und fragen, glauben und nicht-glauben-können. Gemeinschaft, Miteinander, reden, erzählen, sich erinnern. Fischen gehen und grillen am Strand. Sich berühren, begreifen, verstehen. Der Auferstandene mitten unter seinen engsten Freundinnen und Freunden. Und jetzt, gut sechs Wochen danach: Abschied. Noch einmal. Endgültig. Das Lukasevangelium erzählt davon ganz am Schluss.


Musik:
Golgota, Komponist: Bob Dylan, Interpretin: Kinga Glyk, CD: Rejestracja, Label: 580048 Records DK, LC: unbekannt


Sprecher (overvoice):
Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie.
Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel.
Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude
und waren allezeit im Tempel und priesen Gott.
(Lk 24,50-53)


O-Ton (Robin Banerjee):

Gerade am Schluss, wenn die Konzentration am stärksten ist, und auch die Aufmerksamkeit noch mal wächst, ist es so, dass ich mich zunächst zum Sarg oder zur Urne wende und bitte, dass Gott im Himmel diese Person bei sich aufnehme, und uns seinen Frieden schenkt. Und dann drehe ich mich mit diesen Worten zu den Angehörigen. Und hebe meine Hände zu einer Segensgeste, die sendet. Und sage dann: der Herr behüte dich und segne dich. Er lasse leuchten sein Angesicht über dir. Und das kann dann auch passieren! Weil ich ja dann die Menschen angucken kann und die Menschen mich angucken können. Und kein Blatt Papier mehr zwischen uns ist, sondern wir uns direkt alle angucken können. Und das ist Segen! Wenn das Angesicht leuchtet.


O-Ton (Friederike Lambrich):

Ich merke als Pfarrerin, dass mir der Segen, den ich am Ende jeder Trauerfeier und auch am Ende jedes online Gottesdienstes spreche, der ist mir ich glaube noch mal 100 oder 200 Prozent wichtiger geworden. Total. Ich glaube, weil ich merke, was für eine Kraft da drin steckt. Und dass es auch gar nicht so eine große Rolle spielt, dass ich niemandem die Hand auflegen kann. Also Kindern erzähle ich immer, also ich bereite die Arme aus, weil der Segen eine große Umarmung Gottes ist. So. Und ihr seid alle umarmt von Gott. Deshalb spreche ich jetzt diese Umarmung aus. Und vielleicht ist es das. Dass ich merke, dass es das wirklich ist. Also Segen wirkt!


Autor:

Wie geht das in Zeiten von Corona: jemanden verlieren, trauern, Abschied nehmen?

Friederike Lambrich und Robin Banerjee haben von ihren Erfahrungen berichtet. Was Menschen brauchen, welche Nähe möglich ist. Und was Segen bewirkt.

Seien Sie umarmt! Seien Sie gesegnet! Bleiben Sie gesund! Wenn’s geht, bleiben Sie beieinander! Auf jeden Fall bleiben Sie bei Gott!

Das wünscht Ihnen Titus Reinmuth, Rundfunkpfarrer aus Wassenberg.


Musik:
Count on me, Komponist/Interpret: Bruno Mars, CD: Doo-Wops & Hooligans, Track 9, Label: WEA International, LC: 04281


Redaktion: Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel

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