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Kirche in WDR 5 | 05.12.2020 | 06:55 Uhr
Der Bienenschwarm
Guten Morgen.
Bis diesen Sommer wohnten wir noch mitten in der Stadt, in Bottrop. Direkt neben dem Gemeindehaus. Auf dem schmalen Grünstreifen davor haben wir vor ein paar Jahren zwei kleine Olivenbäumchen gepflanzt.
Kurz vor unserem Umzug suchte ein riesengroßer Bienenschwarm ausgerechnet dort eine neue Heimat. Tausende Bienen setzten sich an einem Olivenbaum fest. Das Summen und Brummen war unüberhörbar. Ein Schauspiel, das Nachbarn und Passanten anlockte, die zunächst alle in gebührendem Abstand blieben.
Doch die Bienen waren absolut friedlich und vollends mit sich selbst beschäftigt, so dass man sie aus nächster Nähe beobachten konnte. Ein herbeigerufener Imker schaute sich das Ganze an und versuchte den Schwarm einzufangen.
Vorsichtig schnitt er einen Ast mit einer dicken Bienen-Traube ab, um sie in einen großen 20 Liter Eimer zu legen. Mit einem Handfeger streifte er behutsam weitere Bienen in den Eimer, bis der nur so brummte.
Obendrauf legte er keinen Deckel, sondern nur ein Gitter, durch das die Bienen problemlos wieder entweichen konnten.
Auf unsere erstaunten Blicke erwiderte der Imker nur: „Die Bienen passen hindurch, aber nicht die Königin. Und die Bienen kommen immer dorthin, wo ihre Königin ist.“
Inzwischen hatte er den Eimer durch einen richtigen Bienenstock ersetzt, den er über Nacht in den Gemeindegarten stellte.
Doch die Enttäuschung am nächsten Morgen war groß. Nur ein paar wenige Bienen waren noch im Bienenstock.
So viel Arbeit, des Imkers und der Bienen natürlich, die sich gleich daran gemacht hatten, Waben zu bauen. Das Bienenvolk aber blieb nicht im Bienenstock sondern suchte weiter, denn die Königin war nicht dabei.
Und ohne Königin kein Nachwuchs, ohne Nachwuchs keine Zukunft. Die Bienen brauchen die Königin. Ohne sie ist alles Tun umsonst. So schön und groß das Bienenhaus auch sein mag.
Mein Blick fiel auf das Gemeindehaus und die bunten Glasbausteine im Gemeindesaal. Und ich dachte an das bunte Gemeindeleben und viele engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das alles macht Gemeinde aus, dass Leben in der Bude ist. Ich mag das sehr. Aber das ist nicht alles.
Die Bienen waren den ganzen Tag noch unterwegs, ich sah den großen Schwarm aufgescheuchter Bienen noch zweimal.
Und ein Satz von Dietrich Bonhoeffer kam mir in den Sinn: „Ach Herr, gib unsern aufgescheuchten Seelen, das Heil für das du uns bereitet hast.“ (1) Manchmal kann auch eine Gemeinde wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm sein, ein Bienenschwarm ohne Königin.
In neueren Anbetungsliedern der Kirchen wird oft von Jesus als König gesungen. Mir ist dieses Bild oft fremd geblieben. Aber an diesem Tag wurde es für mich sehr lebendig.
Wie das Bienenvolk seine Königin braucht, so braucht die Gemeinde Jesus Christus, den König, in ihrer Mitte. Bei allen Aktivitäten und bei allem, was im Leben einer Gemeinde sonst wichtig ist, das Wichtigste ist Jesus Christus selbst. Er hält die Gemeinde auf Kurs, damit sie nicht nur um sich selbst kreist. Jesus Christus, der König, der Christen auf der ganzen Welt zusammenführt und zusammenhält. Und der unseren aufgescheuchten Seelen seinen Frieden schenkt. Gerade jetzt, wo uns vielleicht auch viele Nachrichten aufscheuchen, ist das sein wunderbares Geschenk an uns.
Ihr Heinz-Bernd Meurer aus Velbert.
(1) Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, hrsg. von Eberhard Bethge, GTB Siebenstern, München 1951, 11. Auflage, S. 204.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze