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Kirche in WDR 5 | 04.03.2021 | 06:55 Uhr

Bild und Abbild

Guten Morgen!

Fast 90 Jahre ist diese Fotografie alt – aber sie hat nichts an ihrer Wirkung verloren: Herbert Beyers Selbstporträt aus dem Jahre 1932[1]. Beyer ist dargestellt als junger Mann mit freiem Oberkörper vor einem Spiegel. Er schaut ziemlich entsetzt: Ihm fehlt nämlich ein Stück seines rechten Oberarms! Er kann das wohl gar nicht glauben. Er hat zwar den betreffenden Arm lässig über den Kopf gelegt, hält aber gleichzeitig mit der linken Hand das fehlende Armstück wie eine Scheibe vor seiner Brust.

Bis heute irritiert die Fotographie, auch wenn es inzwischen kinderleicht ist, durch eine Foto-App ein Bild so zu bearbeiten und etwas Surreales zu schaffen.

Für mich steht hinter diesem Bild die immer aktuelle Frage: Wer bin ich eigentlich? Der, den ich im Spiegel sehe? Oder sind es nicht immer Versatzstücke meiner selbst, die manchmal nicht zusammenzupassen scheinen, wo es Brechungen und Fehler gibt? Bin ich in Wirklichkeit nicht doch ganz anders?

Künstler und auch Philosophen haben sich schon vor Jahrhunderten diese Frage gestellt. Giovanni Pico della Mirandola zum Beispiel, ein Renaissancegelehrter des 15. Jahrhunderts. In seiner berühmt gewordenen Rede „Über die Würde des Menschen“ sagt er, der Mensch ist von Gott genau in die Mitte der Welt gestellt. Er meint damit zwischen die Tiere auf der Erde und die Engel im Himmel. Im Menschen gibt es also Irdisches und Himmlisches, und es ist seine eigene freie Wahl, zu welcher Seite er sich entwickeln will: Will er so sein wie die ‚niederen‘ Lebewesen oder kann er den göttlichen Funken in sich entdecken und die Fülle seines Menschseins entfalten? Pico della Mirandola ist davon überzeugt, dass der Mensch eigentlich alles kann, wenn er nur will. Dabei kann er tief fallen und seine menschliche Würde verlieren oder aber über sich selbst hinauswachsen und wie die Engel werden.

Das mit dem „tief fallen“ kann ich gut nachvollziehen. Ich denke an viele Beispiele aus der Geschichte, wo Menschen Grausames anrichteten oder Unmenschliches verantworteten, einander sogar „zur Hölle“ wurden. Aber können Menschen wirklich so werden wie die Engel? Beim Blick in den Spiegel erschrecke ich mich eher wie Herbert Bayer auf seinem Selbstporträt. Da fehlt es bei mir auch an entscheidenden Stücken. Ich meine jetzt nicht eine Armscheibe, sondern eher innere Elemente: mein Vertrauen in andere Menschen, meine Hilfsbereitschaft, meine Konsequenz. Ich habe natürlich auch viele positive Anlagen, mit denen ich viel Gutes tun kann. Zugleich bleibe ich aber immer weit hinter meinen Möglichkeiten zurück.

So gesehen bestehe ich aus Versatzstücken, die manchmal nicht zusammenzupassen scheinen. Wie mit dieser Selbsterkenntnis leben, dass ich eigentlich ganz anders bin oder auch nur sein will? Mir hilft die Vorstellung der jüdisch-christlichen Tradition: Der Mensch hat demnach eine von Gott verliehene Würde und wird von ihm bedingungslos geliebt. In ihm gibt es einen göttlichen Funken, der niemals ganz ausgelöscht werden kann. Und es gilt auch: Der Mensch kann sich aus eigener Kraft nicht retten. Er bedarf der göttlichen Hilfe, denn er selbst ist und bleibt ein unvollkommener, ein gebrochener Mensch, so unperfekt wie das Selbstporträt von Herbert Beyer. Aber der Mensch bleibt immer ein Geliebter Gottes! Und mit diesem Gedanken kann ich gut leben.

Mehr noch: Nach meiner christlichen Überzeugung kann Gott sogar aus den Bruchstücken meines Lebens wieder etwas Ganzes machen, kann mein Leben vollenden. Darauf vertraue ich – und nicht nur dann, wenn ich mich im Spiegel betrachte.

Ihnen allen einen schönen Tag! Ihr Pastor Achim Hoppe


*Molderings, Herbert: Herbert Bayer. In: Stephan, Peter (Hg): Fotografie! Das 20. Jahrhundert. München; London; New York 1999, S. 54.


[1] [https://www.bauhauskooperation.de/wissen/das-bauhaus/werke/fotografie/selbstportrait/]

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