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Kirche in WDR 5 | 25.06.2021 | 06:55 Uhr
Entscheide Dich ...!
Ich bin noch immer am Überlegen, was
diese zu Ende gehende Pandemie mit uns gemacht hat. Und ein Wort fällt mir da
sofort ein: Zerrissenheit. Denn es galt:
Immer wieder neu entscheiden. Für oder gegen: Maske, Feier, Hochzeit, Fußballspiel,
Familientreffen, Kneipenbesuch, Sport, Gottesdienst, Kindergeburtstag, Besuch
im Altenheim, Krankenbesuch… Und eine Entscheidung gegen etwas, das einem
wichtig ist, fällt natürlich schwer.
Entscheidungen – das konnten wir in den letzten Monaten vielfach medial vermittelt feststellen, wurden immer schwieriger. Manchmal schien es EntscheiderInnen förmlich zu zerreißen – weil es eben nicht nur um „richtig“ oder „falsch“ ging.
Und vielleicht wird es Sie nicht
wundern: Als Kirchenmann denke ich dabei sofort eine Heilige; sie ist eine Art
Schutzheilige der Zerissenheiten: Stephania. Die lebte im 2. Jahrhundert in
Syrien und machte aus ihrer Überzeugung keinen Hehl: Sie war Christin. Das war
zu dieser Zeit lebensgefährlich – Christinnen und Christen wurden sogar von
Staats wegen verfolgt. Stephania stand aufgrund ihrer Überzeugung als Christin
einem Soldaten bei, der wegen seines Glaubens gefoltert und dann hingerichtet
wurde. Sie hatte sich für ihn entschieden – und so nahm das grausame Schicksal
seinen Lauf: Sie wurde ebenfalls zum Tode verurteilt und hingerichtet – auf
besonders grausame Weise: Ihre Peiniger banden sie zwischen zwei herabgebogenen
Palmen. Sie schnitten die Halteseile durch und die emporschnellenden Bäume
zerrissen die 16-jährige Stephania bei lebendigem Leibe. Die Syrerin starb für
ihren Glauben – sie errang, so heißt das bei uns Katholiken, die „Krone des
Martyriums“. Krone heißt auf lateinisch „Corona“… Dieser Beiname hat sie in unseren
Pandemie-Tagen bekannt gemacht – die „Heilige Corona“ war eine Zeitlang in
aller katholischen Munde – obwohl sie eigentlich überhaupt nichts mit Viren und
Krankheiten zu tun hat. Trotzdem: Die heilige Corona fasziniert mich immer
mehr, seitdem ich mich mit ihrer Geschichte beschäftigt habe. Und außerdem ist die
syrische Märtyrerin verbunden mit dem WDR-Sendegebiet:
Im Aachener Domschatz ruhen in einem
prächtigen Schrein ihre Gebeine. Wenn ich im Aachener Dom über ihre bis heute
sichtbare, kleine Grabplatte gehe, denke ich immer an all die Menschen, die
unter der Corona-Pandemie zu leiden haben. Die dortige Inschrift „Heilige
Corona – bitte für uns…“ richtet sich für mich derzeit an all‘ die Menschen, die in der aktuellen Krise
davor stehen, förmlich zerrissen zu werden?
Politiker, die weitreichende Entscheidungen zu treffen haben, Menschen, die zwischen
Leben und Tod hin- und hergerissen sind. Menschen, denen es angesichts der Zustände
vor ihren Augen das Herz zerreißt… Vor allem in Ländern, in denen das Virus
noch viel schlimmer gewütet hat und immer noch tut.
Die Heilige Corona – auf drastische Art ist sie eine Patronin der Zerissenheiten. Mir hilft diese frühchristliche Märtyrerin bei der Bewältigung der aktuellen Krisen-Situation – indem ich an all‘ die Zerrissenheiten bei den Menschen denke, die unter der Corona-Krise leiden und oft genug auch zugrunde zu gehen drohen. Und vielleicht hilft uns Corona auch, die Zerrissenheit in unserer eigenen, engsten Umgebung wie auch in unserem Land, zu überwinden.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in ein schönes, nicht zerrissenes Wochenende!
Ihr Ulrich Clancett aus Jüchen.