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Kirche in WDR 5 | 27.09.2021 | 06:55 Uhr

Vorurteile

Herzlich willkommen!

Ich war morgens zu Fuß auf dem Weg zur Arbeit. Da kam mir ein Mann entgegen, dem hätte ich im Dunkeln nicht begegnen wollen, ich hatte echt Angst vor dem: ca. 45 Jahre alt, Glatze, stark tätowiert. Etwas kleiner als ich, aber dicke Muskeln, breiter Oberkörper, ne richtige Kante, wie wir im Ruhrgebiet sagen. Cowboystiefel. Ich schloss vom Äußeren auf das Innere: Bestimmt ist der brutal und herzlos. Mit dem habe ich keine Gemeinsamkeiten. Da bleib ich mal auf höflicher Distanz.

Dann aber habe ich genau diesen Mann kennengelernt, und zwar in meiner Funktion als Polizeiseelsorger. Er ist nämlich nicht – wie ich anfangs dachte – vielleicht kriminell. Nein, er ist Kriminalkommissar und bearbeitet Tötungsdelikte. Da war ich ganz schön überrascht! Und in einem Gespräch erzählte er: „Manchmal müssen wir im Krankenhaus bei ungeklärten Todesfällen ermitteln. Und immer wenn wir dort einen Leichnam untersuchen, gehe ich anschließend mit dem Kollegen in die Kapelle und zünde eine Kerze für den Toten an.“

Ich war baff. Dieser Mensch, der mir Angst eingeflößt hatte, schien im Herzen doch sensibel zu sein, ja fast liebevoll. Jedenfalls passte er nicht zu dem Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte. Nur aufgrund seines Aussehens hatte ich so Fantasien wie „harter Typ, unbarmherzig“.

Wir sprachen noch ein bisschen miteinander, und heute schäme ich mich für meine Vorurteile. Und ich frage mich, wie viele Menschen ich tagtäglich in Schubladen packe, ohne sie zu kennen. Und welche Folgen hat das eigentlich?

Einerseits hilft mir ein gewisses Schubladendenken, um durch den Alltag zu kommen. Ich hab ja gar nicht die Möglichkeit, alle Menschen, die mir begegnen, näher kennenzulernen. Also sortiere ich die Menschen aufgrund meiner Lebenserfahrung – meistens unbewusst: in solche, mit denen sich ein Kontakt vielleicht lohnt, oder eben auch nicht. Und das geschieht über Klischees und eben über Vorurteile: Wie ist die Person gekleidet, welche Frisur hat sie, wie guckt sie, wie spricht sie?

Dahinter steckt wahrscheinlich die Scheu, mich mit denjenigen auseinanderzusetzen, die mir augenscheinlich nicht passen: Ich will mich da nicht in Frage stellen lassen.

Andererseits tue ich mit meinen Vorurteilen manchen Leuten Unrecht, wie diesem Polizeibeamten. Und ich nehme mir die Chance, jemanden kennenzulernen und dadurch meinen Horizont zu erweitern. Aber dafür müsste ich mir Zeit nehmen. Wahrscheinlich gibt es viele Menschen, die eine harte Schale zeigen und damit einen weichen Kern schützen. Und zu diesem Kern, zum Herzen eines Menschen gelange ich nur, wenn ich mich auf ihn einlasse – ohne Vorurteile. Wenn ich ihn so sein lassen kann, wie er ist, auch wenn seine Kleidung, seine Frisur, sein Geschmack anders ist als meiner.

Vorurteilsfrei Menschen zu begegnen ist so schwer. Als Christ und Seelsorger staune ich, wie Jesus das geschafft hat: Er hat die Menschen nicht nach ihrem Erscheinungsbild sortiert. Mit Bettlern hat er sich abgegeben, mit Verbrechern und Prostituierten. Mit Reichen und mit Armen. Jesus hat sich auf die Menschen eingelassen, so wie sie waren. Deshalb konnte er offenbar auch ihre Herzen berühren und sie heilen. Deshalb waren sie bereit, sich zu ändern. So vorurteilsfrei angenommen zu sein, machte sie glücklich.

Ich brauche mein Schubladendenken. Aber ich hoffe, die Schubladen immer noch offen zu halten, damit ich Begegnungen neu und anders zuordnen kann. Denn nur so kann ich mich auf Menschen einlassen, die mir anders oder komisch vorkommen. Ich will erfahren, was ihnen wichtig ist, worüber sie sich freuen, wovor sie Angst haben. Ich will hören, wofür sie leben und was sie hoffen. Ich möchte ihr Herz berühren. Denn das macht mich wiederum reicher. Und sie vielleicht auch.

Einen guten Tag wünscht Ihnen Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Hattingen.

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