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Kirche in WDR 5 | 01.10.2021 | 06:55 Uhr
Bei den Menschen sein
Guten Morgen!
An einem sonnigen Vormittag im November bin ich mit Uli unterwegs, einem Polizeibeamten, zu Fuß auf Streife, oder – wie es richtig heißt: im Bezirksdienst. Wir haben kaum die Wache verlassen, da fang ich mir schon eine Ermahnung ein: „Langsamer! Wenn wir in dem Tempo durch die Stadt laufen, spricht uns keiner an.“ Stimmt, denke ich. Leute, die wie ich zügig durch die Straßen laufen, machen einen beschäftigten Eindruck und möchten bestimmt nicht aufgehalten werden.
Ich hatte mich mit Uli verabredet, weil ich als Polizeiseelsorger diesen Dienst der Polizei kennenlernen wollte. Manche belächeln den Bezirksdienst, also den „Dorfsheriff“. Sie meinen, die Polizei wird dringender woanders gebraucht, z. B. bei der Kriminalitätsbekämpfung. Nachdem Uli mit mir ein paar Stunden durch sein Revier gegangen ist und viel erzählt hat, denke ich: Das ist genau richtig!. Gut, dass es diesen Dienst gibt. Uli kennt seine Pappenheimer und kann einem Obdachlosen mit einem flapsigen Spruch einen Platzverweis erteilen. Der wiederum kennt Uli und weiß, dass der ihm nichts Böses will: „Ja, is gut. Ich geh ja schon. Schönen Tach noch!“ Der Bezirksbeamte besucht die Schulen und nimmt den Kindern die Angst vor der Polizei. Ich kriege mit, er wird immer wieder angesprochen: „Ich hab meinen Ausweis verloren. Was muss ich tun?“, oder: „Da an der Haltestelle liegen Spritzen – wohl von Drogenabhängigen.“ Oder „In der letzten Zeit laufen hier abends komische Gestalten rum.“ Uli kümmert sich darum. Und hat für alle ein freundliches Wort, selbst für den Radfahrer, den er auf einem Gehweg anhält. Er kann aber auch klare Ansagen machen, zum Beispiel einem Fußgänger, der bei Rot über die Straße läuft. Da wird er sogar ein bisschen böse: „Das geht doch gar nicht. Der sieht uns hier stehen und geht trotzdem bei Rot!“ – Mein Résumé an diesem Vormittag: Durch Uli ist die Polizei ganz nah bei den Menschen. Die Leute merken: Die Polizei ist für uns da, auch bei ganz banalen Sachen. Und sie interessiert sich für uns. Das alte Sprichwort stimmt: Die Polizeit – dein Freund und Helfer.
Warum ich das erzähle? Als katholischer Seelsorger denke ich mir: Das müsste auch das Image der Kirche sein: „Dein Freund und Helfer.“ Nah bei den Menschen zu sein, das ist schließlich der Auftrag von Christinnen und Christen. Und so wie ich das aktuell in der Kirche wahrnehme, ist da noch „Luft nach oben“, wie man so sagt. So hat sich in der Zeit der Pandemie die Kirche an manchen Orten still zurückgezogen. An anderen Stellen wurde sie kreativ und hat neue Wege gefunden, um Menschen über Medien zu erreichen. Ich kann mir vorstellen, dass da noch mehr geht, dass Kirche noch mehr da sein könnte, wo Menschen unterwegs sind. Es tut den Menschen doch gut, wenn sie merken, dass sich jemand wirklich für sie interessiert. Und Freude und Leid mit ihnen teilt. Dieses Nah-bei-den-Menschen-sein hat sich die katholische Kirche schon vor 60 Jahren selbst ins Aufgabenheft geschrieben. Das war beim 2. Vatikanischen Konzil. In einem Dokument heißt es: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“[1] Die Jüngerinnen würde man heute natürlich dazu schreiben.
Nah bei den Menschen zu sein, ist aber nicht nur ein Auftrag für Christen und Christinnen, finde ich. Jeder Mensch hat die Möglichkeit, sich für andere zu interessieren, sicherlich in unterschiedlichem Maß.
Ich erlebe, dass da auch noch was für mich rausspringt, wenn ich Freude und Leid von Menschen teile. Wenn ich zuhöre, einfach da bin oder vielleicht auch praktisch helfen kann, dann tut das allen Beteiligten gut: dem Menschen, der sich bei mir gut aufgehoben fühlt, und mir selbst, weil ich ein gutes Gefühl dabei habe, hilfreich zu sein.
Mit meinem Da-sein bei anderen kann ich auch ein bisschen das weitergeben, was ich selbst hin und wieder spüre: dass Jesus Christus nah bei mir ist. Das hat er den Menschen jedenfalls einmal zugesagt. Er versprach seinen Freundinnen und Freunden: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20)
Seien Sie behütet! Das wünscht Ihnen Pastoralreferent Martin Dautzenberg aus Hattingen.
[1] Pastorale Konstitution GAUDIUM ET SPES über die Kirche in der Welt von heute. https://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651207_gaudium-et-spes_ge.html. Abgerufen am 20.08.2021, 13.00 Uhr