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Kirche in WDR 5 | 11.10.2021 | 06:55 Uhr
Pferde und Esel
Guten Morgen! Ich verrate Ihnen heute Morgen einen meiner Lieblingssprüche. Er lautet: „Wo die Pferde versagen, schaffen es die Esel.“ Der Satz stammt von Papst Johannes XXIII. – jenem Papst, der überraschend das II. Vatikanische Konzil einberief und am 11. Oktober 1962, also genau heute vor 59 Jahren eröffnete. Angelo Giuseppe Roncalli, so der bürgerliche Name dieses Papstes, stammte aus einer ärmlichen Bauernfamilie in Norditalien. Bildungsfern, zwölf Geschwister, sein Vater – ein Pachtbauer, der die Hälfte seiner Erträge beim Gutsherrn abzuliefern hatte. Angelo Giuseppe Roncalli arbeitet schon früh auf dem Feld mit, Knochenarbeit. Aus diesem Umfeld dürfte wohl auch sein Spruch stammen „Wo die Pferde versagen, schaffen es die Esel.“ Für mich bedeutet das gerade am Beginn einer neuen Woche: „Geh die Herausforderungen, Aufgaben und Projekte, die auf dich warten, pragmatisch an!“ Bereits in der Corona-Pandemie ist mir das sehr deutlich geworden: Es gilt, das Beste rauszuholen – unter den Umständen, die gerade nicht zu ändern sind.
Ein Beispiel für mich als Priester: Wenn ich zum Beispiel Gottesdienste mit Maske oder ohne gemeinsamen Gesang feiere, ist das vielleicht nicht ideal, nicht das Pferd. Aber deswegen gleich ganz auf Gottesdienste verzichten? – Sicher nicht! Auch mit Eseln kommt man ans Ziel! So ähnlich war es auch bei der Firmvorbereitung in meiner Pfarrei. Die musste fast ganz ohne persönliche Begegnung stattfinden. Auch nicht ideal. Auch kein Pferd. Aber am Ende trotzdem geschafft, in dem Fall mit einem eigenen Podcast zur Firmvorbereitung. Oder denken Sie an die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, die in der Pandemiezeit auf ganz neue Geschäftsideen gekommen sind. Ich habe da zum Beispiel eine Gastronomin bei mir in Erkelenz vor Augen, die kurzerhand einen ausrangierten Anhänger fahrtüchtig gemacht hat und seitdem ihre Suppen, Eintöpfe und Kuchen auf verschiedenen Wochenmärkten anbietet. Ihr „Foodtruck“, so heißt das Gefährt, ist nun in der ganzen Region unterwegs. Für mich sind das gelungene Beispiele, dass es nicht immer die Pferde sein müssen. Denn wer immer nur auf die Pferde wartet, wartet mitunter lange. Auf die Esel zu setzen – das ist mehr als eine Lebensweisheit. Und, so glaube ich, es hat auch etwas zutiefst Christliches. Die ersten Menschen, die sich um Jesus scharrten, seine Jünger – das war kein Superheldenkollegium und auch keine Bildungselite. Einfache Menschen eben, Fischer. Und doch leisteten sie Unglaubliches: sie verbreiteten die frohe Botschaft von Jesus Christus im ganzen Mittelmeerraum. Sie gründeten kleine Hausgemeinden, kamen vor Synagogen mit Menschen ins Gespräch, besuchten heidnische Orte, ließen sich auch von Rückschlägen und Ablehnung nicht aus der Bahn werfen. So viel Pragmatismus hat für mich mit Vertrauen zu tun: Gott traut jedem etwas zu – auch den Einfachen und den Unscheinbaren – eben auch den Eseln. Und so wuchsen die Jünger mit ihren Aufgaben, wuchsen über sich selbst hinaus. Und das gilt doch auch noch heute, gilt für jeden Menschen: In den konkreten Begebenheiten, die gerade herrschen, und mit den konkreten Fähigkeiten, die ich habe oder eben auch nicht habe, kann ich immer noch etwas erreichen. Egal ob Esel, Rennpferd oder Maultier: Gott traut mir etwas zu. Und darum kommt man auch mit Eseln ganz schön weit!
Setzen Sie in dieser Woche doch ruhig auch mal auf die Esel, statt auf die Pferde zu warten.
Viel Mut dabei – wünscht
Kaplan Philipp Schmitz aus Erkelenz