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Kirche in WDR 5 | 03.02.2022 | 06:55 Uhr
Der Blasiussegen
Es gibt zwei Rituale in der katholischen Kirche, die bis vor Kurzem wichtiger als ein Papsthochamt in Rom waren, zumindest pflegten sie die rheinischen Katholiken mit Hingabe. Kein Katholik kam am Aschenkreuz und am Blasiussegen vorbei. Die Asche am Aschermittwoch verrät ein wenig von der Ernsthaftigkeit des Menschen. Dagegen wirkt der Blasiussegen wie ein Überbleibsel aus heidnischer Zeit. Der Segen mit den brennenden Kerzen soll angeblich vor tödlichen Gräten beschützen.
Jedes Jahr, am 3. Februar schleppte mich meine Oma in die Kirche, damit wir zusammen den Blasiussegen empfingen. Mich faszinierten die flackernden Kerzen, die der Pfarrer gekreuzt vor meinem Hals hielt. Dazu nuschelte er schnell eine Formel, bevor er ein Kreuzzeichen schlug. Vor jeder spitzen Gräte war ich jetzt geschützt.
Morgens
kämmte mir regelmäßig meine Mutter einen geraden Scheitel, der mit einer Haarspange
festgehalten wurde. Um sie meiner Mutter anzureichen, hatte ich sie mir zwischen
die Zähne gesteckt. Ich weiß nicht, wie es passierte. Wahrscheinlich habe ich
gehustet, und plötzlich war die Spange verschwunden. Ich hatte sie verschluckt.
Die Aufregung war groß, denn solche Haarklammern sind spitz und können innere
Organe verletzen. Meine Mutter lief sofort mit mir zum Kinderarzt, der sie beruhigte.
„Wir setzen alles daran, dass die Klammer auf natürliche Weise zurückkommt.
Operieren will ich nur im Notfall.“ Was natürliche Weise hieß, wusste ich
damals nicht so genau. Auf jeden Fall schlug der Arzt eine Sauerkrauttherapie
vor: morgens Sauerkraut, mittags Sauerkraut und abends Sauerkraut. Ich war
sauer auf das Sauerkraut. Meine Oma empfahl zusätzlich ein tägliches Gebet zum
hl. Blasius. Gräten und Klammern seien ähnlich gefährlich, und schließlich ging
es bei dem Heiligen um Schutz vor jedem spitzen Gegenstand. Also beteten wir
vor jeder Sauerkrautmahlzeit um die Hilfe von Blasius. „Er wird uns nicht im
Stich lassen“, überzeugte mich meine Oma, „schließlich waren wir auch in diesem
Jahr am Blasiustag in der Kirche.“ Regelmäßig beten, fiel mir auf jeden Fall
leichter, als andauernd Sauerkraut zu essen. Meine Mutter und meine Oma
kontrollierten, ob sich die Klammer einen natürlichen Weg gesucht hatte. Es
dauerte nur ein paar Tage, da rief meine Mutter erleichtert: „Das Sauerkraut
hat geholfen. Die Klammer ist wieder draußen.“ Meine Oma deutete den Erfolg
anders: „Der Hl. Blasius hat geholfen. Sein Segen schützt auch vor Haarspangen.
Jetzt ist ein Dankgebet fällig.“ Ich war gerne bereit zu danken. Denn ich war froh,
von der gefährlichen Klammer befreit zu sein, ohne dass ich ins Krankenhaus
musste.
Sauerkraut und Blasiussegen waren
also die richtige Therapie. Ich ließ beide Möglichkeiten gelten. Am nächsten
Tag zündeten wir in einer Kirche eine Kerze zu Ehren des hl. Blasius an.
In jenen Tagen habe ich gelernt, mich bei einer Krankheit streng an die Medizin des Arztes zu halten. Gleichzeitig vergesse ich nie, um den Segen Gottes zu bitten. Er allein verspricht uns das Heil, der heilige Blasius ist seine Sprechstundenhilfe.
Einen gesegneten Tag wünscht Albert Damblon aus Mönchengladbach.