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Kirche in WDR 5 | 18.02.2022 | 06:55 Uhr

Hammat Tiberias

Guten Morgen!

Seit gut einem Jahr lebe ich am See Gennesaret im Norden Israels. Und es gibt immer wieder Überraschendes zu entdecken. So zum Beispiel zwei Synagogen aus dem 19. Jahrhundert oberhalb von Hamat Tiberias. Viele Touristen besuchen weiter unten die Ruinen einer alten Synagoge mit sehr bedeutenden Mosaiken, aber die spielen für meine Neuentdeckung keine Rolle.

Die zwei neueren Synagogen sind durch ihre blauen Kuppeln weithin sichtbar. Sie gehören zum Grab des Rabbi Meir, der den Beinamen ‚Baal HaNes‘, ‚Herr des Wunders‘ oder einfach: ‚der Wundertäter‘ hat. Gelebt hat er im 2. Jahrhundert nach Christus; er soll in Tiberias unterrichtet haben, wo nach der Zerstörung Jerusalems ein neues Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit entstanden war.

Diese Gelehrsamkeit hat sich niedergeschlagen im Talmud, quasi dem jüdischen Lehrbuch. Darin wird übrigens nicht nur Rabbi Meir 335 mal erwähnt. Nein, auch seine Frau Berurja spielt eine wichtige Rolle – und zwar anders als alle anderen Ehefrauen von Gelehrten nicht nur als deren Anhängsel! Sie war selbst eine geachtete, ja wegen ihrer spitzen Zunge gefürchtete Lehrerin. Mehrfach heißt es im Talmud ausdrücklich: „Berurja hat gut gesprochen“ oder „das Gesetz wendet sich Berurjas Seite zu“.

Ein Zitat und eine Geschichte, die von Rabbi Meir und seiner Frau erzählt werden, haben mich nicht mehr losgelassen, seit ich sein Grab und seine Biographie entdeckt habe.

Rabbi Meir sagt:

Sprecher: „Der Mensch wird mit geschlossenen Fäusten geboren und stirbt mit geöffneten Händen. Wenn er kommt, will er alles besitzen, wenn er geht, hat er nichts.“[1]

Was für eine Weisheit!

Dazu passt auch die folgende Geschichte, die aus seinem und dem Leben seiner Frau erzählt:

Sprecherin: "Eines Tages starben zur Stunde des Nachmittagsgebetes am Shabbat plötzlich und gleichzeitig die beiden Söhne Meirs. Als er von der Synagoge nach Hause kam, fragte er seine Frau Berurja: „Wo sind meine Söhne?“ Sie antwortete: „Ich möchte dir eine Frage stellen. Vor einiger Zeit kam jemand und vertraute mir einen kostbaren Schatz an, und jetzt fordert er ihn von mir zurück; muss ich ihn zurückgeben?“ „Welche Frage!“, rief Rabbi Meir. „Dachtest du im Ernst daran, etwas für dich zu behalten, was dir nicht gehört?“ Da nahm sie ihn bei der Hand, führte ihn in die Kammer mit dem Totenbett und hob wortlos das Laken hoch. Von Entsetzen gepackt, schluchzte ihr Mann laut auf: „Meine Söhne, meine Meister!“ „Du darfst nicht weinen“, sagte Berurja leise, „hast du mir nicht gerade gesagt, dass wir zurückgeben müssen, was uns nicht gehört? Gott hat gegeben, Gott hat genommen, sein Name sei gepriesen.“[2]

Voll Staunen und Bewunderung stehe ich vor solch einer Haltung, von der ich bezweifle, dass ich dazu fähig wäre. Aber nicht wenige Juden und andere, die Grausames erlebt haben, die alles verloren haben, haben auch heute noch diese Kraft – woher auch immer. Und deshalb verstehe ich, warum gläubige Juden lieber das Grab des Meir aufsuchen als die alten Ruinen von Hamat Tiberias mit dem schönen Mosaik. Denn solch ein Vertrauen in den Gott Meirs ist es, das wir manchmal wirklich brauchen.

Vom See Gennesaret grüßt Sie Georg Röwekamp.


[1] Nach: Elie Wiesel, Die Weisheit des Talmud, Freiburg 3. Aufl. 1982, 210f.

[2] Nach: Elie Wiesel, Die Weisheit des Talmud, Freiburg 3. Aufl. 1982, 210f.

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