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Kirche in WDR 5 | 25.02.2022 | 06:55 Uhr

Menschlichkeit anziehen

Guten Morgen.

Es ist ein grausiger Umzug. Ein grüner Gnom reitet auf einer Hexe. Die geht am Stock und stützt sich auf einen Stapel Geldscheine. Schräg dahinter ein haariges Monster mit Hörnern, Zähnen und gezücktem Messer und eine grell überschminkte Frau, halbnackt, in orangeroter Seide. Ein Suppentopf-Kopf kommt zum Schluss rundum mit Würsten behängt, zusammen mit einem – nunja – einem Arschgesicht, das die schwarzgrüne Nase hochmütig in den Himmel reckt. Und mittendrin schwingt der Tod grinsend die Sense in schwarzer, zerfetzter Uniform; statt dem Herzen sitzt ihm eine Kröte in der Brust.

Der Künstler Otto Dix hat diesen Alptraum 1933 gemalt. Kurz nach Hitlers Machtergreifung hatte er als Jude und so genannter entarteter Künstler seine Professur an der Kunstakademie verloren. Das Bild heißt „Die sieben Todsünden“. Da ist der Neid, grün und kleinlich; der verhexte Geiz, mit dem Geldbündel als Krücke; rasender Zorn, der sofort das Messer zückt; die Wollust und der Hochmut, der die Nase hochträgt und auf alle andern pfeift; die Völlerei und in der Mitte die tödliche Trägheit. Hier in Uniform, schwarz mit weißen Streifen wie bei der SS.

Der grüne Neidzwerg hat ein Hitlerbärtchen, Zorn, Trägheit und Völlerei heben die Pranke zum Hitlergruß und die Arme- und Beine des Todes formen ein Hakenkreuz. Beeindruckend wie früh und klar Otto Dix hier erkennt, was da auf die Welt zukommt! Kaum zufällig steht in der Mitte die tödliche Trägheit - das herzlose Funktionieren, das nicht so genau wissen wollen, das ja eh nix tun können, das so schlimm wird’s schon nicht werden: Spätestens dabei erwisch´ ich mich selbst immer wieder.

Auch wenn ich nichts zu tun haben will mit Umzügen und Spaziergängen, die heute teils in offener Anknüpfung an braune Zeiten wieder um die Häuser ziehen. Und schon gar nichts mit martialischen Aufmärschen und zynischen Drohungen mit Waffen und Krieg.

An Otto Dix Gruselkabinett fällt noch etwas auf. Da sind die traurigen Augen im grellen Gesicht der Wollust, kleine Kinderhändchen, die krampfhaft die Fratzen von Neid und Hochmut hochhalten. Und schaut aus dem Suppentopf nicht ein Kindergesicht heraus? Aus der Uniformhose ragt ein nackter, verletzlicher Fuß.

Hinter den den Monstermasken von Gier, Zorn und Tod stecken Menschen.
Sie sind nicht nur mächtig und brutal mit ihrem Wüten in der Welt. Sondern diese Menschen hinter den Masken sind zugleich schwach, verletzlich und - wer weiß? - womöglich gar traurig. Das macht nicht besser was sie androhen und anrichten. Und doch: Die Fratzen der Unmenschlichkeit sind nicht die ganze Wahrheit. Der Blick hinter die Monstermasken ist ein Blick gegen die Vermonsterung der Welt.

Otto Dix nimmt die Menschen hinter den monströsen Masken, Uniformen und Kostümen wahr. Ihre Würde. Und zu dieser Würde gehört: Jede und jeder kann sich ändern, neu anfangen und umkehren. In der Bibel lese ich:

„Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist, in wahrer Gerechtigkeit.“ (Die Bibel, Brief an die Gemeinde in Ephesus 4,24).

Ach Gott, hilf doch den Kriegstreibern dieser Welt in einen neuen Mantel. Den Mantel der Gerechtigkeit und des Friedens. Ich will mir auch selbst aus meinen miefigen Klamotten raushelfen lassen. Mach der Vermonsterung der Welt ein Ende. Gib Frieden, Gott, gib Frieden!


Jan-Dirk Döhling aus Bielefeld.




Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze

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