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Das Geistliche Wort | 04.09.2022 | 08:40 Uhr

"Mit Gott rechnen?"

Guten Morgen!

Kann man mit Gott „rechnen“? Halten Sie es für möglich, dass es Gott gibt? Macht es überhaupt Sinn, mit Gott zu rechnen und ihn in die eigene Lebensplanung mit einzubeziehen? Das sind Fragen, die ich mir stelle – zumal ich Professorin für Religionspädagogik bin. Aber eigentlich bin ich seit meiner Kinderzeit jemand der immer wieder neugierig nach Gott fragt. Ich selbst verstehe mich bis heute als jemand, der fragt und über Gottesbeweise und Gottesprobleme grübelt. Darüber möchte ich heute mit Ihnen nachdenken.

Musik I: Eric Bazilian, Joan Osborn “ One of us”

Beim Grübeln, ob es Gott gibt, bin ich natürlich auf das spannende Gedankenexperiment des französischen Philosophen und Mathematikers Blaise Pascal gestoßen. Er berechnet quasi den möglichen größeren Nutzen, wenn man an Gott glaubt – ohne ihn damit zu beweisen. Das Experiment geht so und man braucht dazu auch kein Mathegenie zu sein:

·







Angenommen, man entscheidet sich dafür, an Gott zu glauben und Gott existiert, dann gewinnt man; man wird belohnt und gewinnt die mit dem Glauben an Gott verbundene ewige Seligkeit. Man kommt in den Himmel.

·







Entscheidet man sich dafür an Gott zu glauben und Gott existiert nicht, dann gewinnt man nichts, man verliert aber auch nichts.

·







Und entscheidet man sich dafür nicht an Gott zu glauben und Gott existiert nicht, dann gewinnt man ebenfalls nichts und verliert auch nichts.

·







Entscheidet man sich jedoch dafür, nicht an Gott zu glauben und Gott existiert, dann verliert man und landet im Elend.

Das Ergebnis ist klar und daher wirbt Pascal für den Glauben an Gott, weil der Erwartungswert im Fall zu glauben immer höher ist als der Erwartungswert im Fall nicht zu glauben. Es ist also nach Pascal besser, mit Gott zu rechnen als nicht mit ihm zu rechnen. Und daher möchte er auch die Menschen, die aus seiner Sicht auf ewig verloren zu gehen drohen, eben weil sie nicht glauben, herüberziehen in das Lager der Menschen, die die Hoffnung haben dürfen, gerettet zu werden. Pascal geht in seinem Bemühen sogar soweit, zu sagen: Wenn Sie glauben, dass Sie nicht glauben können, dann geben Sie sich einen Ruck und tun Sie es einfach. Tun Sie das, was gläubige Menschen auch tun und man wird sehen, was geschieht. Der Einsatz lohnt sich!

Wichtig bei dieser mathematischen Rechnung ist aber: Blaise Pascal argumentiert nicht für die Existenz Gottes, sondern nur für den Glauben an die Existenz Gottes. Er wirbt dafür, mit Gott zu rechnen; ihn einzuplanen im Leben.

Musik II: Eric Bazilian, Joan Osborn “ One of us”

Mit Gott rechnen? Wo ihm begegnen?

Für mich ist dies an einem Ort der Kunst und Kultur möglich. Ich lebe seit einigen Jahren in Paderborn und schätze hier wie sehr sich Kirche und Kultur miteinander verbinden und das seit Jahrhunderten. Das zeigt sich zum Beispiel im Wahrzeichen der Stadt: im so genannten Drei-Hasen-Fenster. Das Fenster ist im spätgotischen Kreuzgang des Paderborner Doms zu finden. Und mit diesem Fenster verbindet sich ein Rätsel: Man sieht drei Hasen und insgesamt nur drei Löffel, also Hasenohren. Und das Rätsel lautet dann: „Der Hasen und der Löffel drei und doch hat jeder Hase zwei.“ Wie ist das vorstellbar? Die Lösung des Rätsels ist beim Anblick des Fensters sofort klar: Zu sehen sind die drei Hasen, die im Kreis laufen. Von jedem Hasenkopf gehen zwei Löffel aus, nur, dass der der eine Löffel nach vorne ausgerichtet ist und der andere nach hinten. Und genau damit berührt die Spitze jedes Löffels den Kopf eines weiteren Hasen. Eigentlich gehört damit ein Löffel zu zwei Hasen: „Der Hasen und der Löffel drei und doch hat jeder Hase zwei.“ Klingt paradox, erschließt sich allerdings nur durch einen Perspektivwechsel: Sehe ich alles auf einmal, dann sind da nur drei Hasen und drei Löffel. Schaue ich jeden Hasen einzeln an, dann hat er zwei Löffel. Und bei drei einzelnen Hasen mit je zwei Löffeln müssten es nacheinander betrachtet also sechs sein.

Eine Paderborner Künstlerin hat sich von diesem Drei-Hasen-Fenster im Dom und dem Rätsel um die drei Hasen mit den drei bzw. zwei Ohren anregen lassen und eine eigene humorvolle Darstellung geschaffen. Sie hat das „Paderborner Hasen-Einmaleins“ erfunden und hierzu ein Bild gemalt. Zu sehen sind auf diesem Bild drei Hasen nachdenklich sitzend vor einer Schultafel, auf der mit weißer Kreide die Rechenaufgabe geschrieben steht: 1+1+1=6. Die Künstlerin spielt auch mit der vordergründigen Wahrnehmung des Bildes – ein Hase und ein Hase und ein Hase haben in der Summe sechs Ohren – und verknüpft diese Wahrnehmung mit der Erinnerung an das Drei-Hasen-Fenster und dem damit verbundenen Rätsel – drei Hasen – drei Ohren und doch hat jeder Hase zwei Ohren. Ein Hase mit zwei Ohren und ein Hase mit zwei Ohren und ein Hase mit zwei Ohren: das macht 6 Ohren. Was dabei herauskommt ist die „neue“, paradoxe Rechnung von 1+1+1=6.

Auch hier kommt es wieder auf die Perspektive an, mit der ich die Dinge betrachte. Was vordergründig paradox erscheint, erschließt sich auf einer anderen Ebene. Sollte das nicht auch für Gott gelten. Vordergründig scheint er nicht da zu sein, aber vielleicht ist er es ja doch auf einer anderen Ebene? Erscheint mir etwas auf den ersten Blick rätselhaft und scheinbar unlösbar, wie eben in der Kunst mit dem Rätsel um die drei Hasen und den drei Ohren, dann kann sich ein genaueres Hinschauen lohnen. Und vielleicht entdecke ich dann hinter rätselhaften Dingen ganz eigene Lösungen für mich?

Musik III: John Lees, Barclay James Harvest “ Hymn”

Mit Gott rechnen? Wo und wie kann ich ihn im eigenen Leben erfahren?

Für mich persönlich entscheidet sich die Antwort hierauf – ganz im Sinne der pascalschen Wette –, wie ich auf die Welt und das Leben schaue. Betrachte ich die Ereignisse in meinem Leben als gläubiger Mensch, dann habe ich letztlich den Eindruck, dass ich immer mit Gott rechnen kann. Dass er der tragende Grund in meinem Leben ist, selbst dann, wenn ich objektiv Erfahrungen des Scheiterns mache, wenn berufliche und private Träume sich nicht realisieren, wenn Hoffnungen zerbrechen und Beziehungen keine Zukunft mehr haben. Natürlich verbindet sich mit diesem Scheitern ein Schmerz, eine Enttäuschung und Traurigkeit. Doch in all dem scheinbaren Misslingen, rechne ich immer noch mit Gott.

So habe ich mich beispielsweise mehr als zwei Jahre lang intensiv in einem gemeinschaftlichen Bauprojekt engagiert. Ich wollte mit anderen zusammen eine neue Form des miteinander Wohnens und Lebens entwickeln und auch selbst praktizieren. Unser Motto lautete: Teilen ist das neue Haben. Doch verschiedene Gründe haben dazu geführt, dass wir alle uns nicht auf einen gemeinsamen Weg einigen konnten, um das Projekt tatsächlich zu realisieren. Im Detail gingen die Vorstellungen zu sehr auseinander. Wir alle waren am Ende enttäuscht und hatten sogar einiges an Geld verloren, ganz zu schweigen von meinem Gedanken, auch hier noch mit Gott zu rechnen: Ich habe dennoch bereichernde Erfahrungen in diesem Projekt gemacht. Ich habe interessante neue Menschen kennen- und schätzen gelernt, habe neues Sachwissen erworben und sogar zu einigen der ehemaligen Mitglieder der Baugemeinschaft auch jetzt noch Kontakt. Und ich würde heute sagen: Ich kann mit Gott rechnen – sogar im Scheitern.

Musik IV: John Lees, Barclay James Harvest “ Hymn”

Mit Gott „rechnen“? Für mich dies auch eine Frage nach der eigenen Gottesvorstellung. Mit welchem Gott „rechne“ ich eigentlich?

Meine persönliche Vorstellung von Gott ist wesentlich geprägt vom Gott der Bibel. In der Bibel lese ich von vielfältigen Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben und dass sie ihn auf ganz unterschiedliche Weise in ihrem Leben erfahren haben. Ein Aspekt wie Gott erfahren wird, spricht mich hierbei besonders an: Die Weisheit. Ihr ist in der Bibel sogar ein ganzes Buch gewidmet, dass dem weisen König Salomo zugeschrieben wird. Der bittet nämlich um diese Weisheit und lobt sie im Rückblick auf sein Leben. Salomo ist bewusst, dass er die Weisheit nur von Gott als Geschenk erhalten kann; niemals aufgrund seines eigenen Bemühens.

Ich frage mich: Wer oder was ist denn die Weisheit, um die König Salomo Gott bittet? Ist die Weisheit nur ein abstraktes Prinzip, ein andere Name für Gott, eine Idee? Um diese Frage haben schonviele Menschen gerungen und auch hier ist es eher die Kunst und Poesie, die mir einen Zugang erschlossen haben. Die biblische Weisheitstheologie, ist eine eigenständige Person: Frau Weisheit, oder wie sie im Griechischen genannt wird: Frau Sophia. In der Kunst wird sie dargestellt mit ihren drei Töchtern: Glaube, Hoffnung Liebe, also den göttlichen Tugenden. Sie Frau Sophia ist die erfahrbare Seite Gottes und die weibliche Seite Gottes. Sie tritt dem Menschen aktiv und lebendig entgegen. Für mich heißt dass, überall dort, wo ein Mensch glaubt, hofft oder liebt, da ist schon etwas von Gott zu erfahren, und genau da rechne ich mit Gott.

Und ich würde noch weiter gehen: Überall dort, wo Sophia mit ihren Töchtern erfahrbar wird, kann Leben gelingen. Und deshalb sehe ich auch die Chance, dass Sie und ich, dass jeder Mensch die Weisheit Gottes erfahrbar machen kann, nämlich dort, wo wir einem anderen Menschen glauben, auf ihn hoffen und ihn lieben. Sophia kennt das Ziel, für das die Menschen geschaffen sind. Sie steht im Dienst eines menschenwürdigen Lebens für alle. Weise Menschen und insbesondere weise Führungspersönlichkeiten sind daher ein Segen für ihr Volk und letztlich auch für alle Menschen, für die gesamte Menschheit.

Musik V: Matt Crocker, Joel Houston, Salomon Lightelm, Oceans; Hillsong United “Where feet may fail”

Sophia, die Weisheit ist Gottes Gefährtin. Sie ist beteiligt an der Erschaffung der Welt, an der guten Schöpfung Gottes und – so der Rückblick des Volkes Israel auf die Geschichte – sie ist immer da, wo Leben gelingt; etwa bei der Befreiung aus der Unterdrückung in Ägypten. Zur Geschichte gehört allerdings auch: Die Weisheit kann sich nicht immer durchsetzen. Sie ist scheu und verhalten. Sie drängt sich nicht auf. Auch diese menschliche Erfahrung kennt König Salomo, wenn er über die Weisheit schreibt. Sie spiegelt sich in dem skeptischen Grundton eines abschließenden Gebetsteils wider. Da heißt es (Weish 9,13-19):

Sprecher:

Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen, oder wer begreift, was der Herr will?

Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen und einfältig unsere Gedanken; denn ein vergänglicher Leib beschwert die Seele und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Verstand.

Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt; wer ergründet, was im Himmel ist?

Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?

So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht und die Menschen lernten, was dir gefällt; durch die Weisheit wurden sie gerettet.

Auch wenn alles Wissen begrenzt ist, wie Salomo sagt, letztlich betont er noch einmal mehr, die Bedeutung der Weisheit: Ohne den Beistand der Weisheit, ohne Sophia ist eine echte Gotteserkenntnis nicht möglich.

Doch wie den „vergänglichen Leib“ erleichtern, der die „Seele beschwert“? Wie den um vieles „besorgten Verstand“ beruhigen? Um es mit Salomo zu sagen.

Eine Antwort für mich hierauf habe ich durch ein Urlaubserlebnis gefunden: Ich war in einem Yogahotel und mitten in einer für mich ziemlich anstrengenden Yogastunde mit etwa zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern gesellten sich zu meinem körperlichen Schmerz auch noch die quälenden Gedanken: „Du musst das hier schaffen. Du darfst dich nicht blamieren. Auf keinen Fall darfst du die erste sein, die die Haltung verliert.“ Und genau in diesem Moment sagte die Yogalehrerin: „Lasst eure Gedanken zu. Bejaht sie innerlich. Denn die Weisheit ist in dir. Du hast sie in deinem Körper.“ Und als ich diese Gedanken zulassen konnte, da habe ich gespürt, dass sich ein innerer Kampf gelöst hat. Der Kampf, perfekt sein zu müssen, hatte sich aufgelöst. An seine Stelle ist Ruhe eingetreten in den „besorgten Verstand“ und auch der körperliche Schmerz, ausgelöst durch Verspannungen und Blokaden, hatte sich gelöst. Die Weisheit ist in dir. Sie weiß, wer du wirklich bist. Die Weisheit gibt innere Kraft und Halt. Die Weisheit ist die erfahrbare Seite Gottes –dies habe ich in dieser Yogapraxis erlebt. Vertraue dich ihr an und vertraue ihr in dir!

Auch wenn diese Erfahrung natürlich kein Dauerzustand ist, so kann sie doch zu einer Lebenshaltung ermutigen, der inneren Weisheit frisch und neugierig zu begegnen – so wie kleine Kinder dies noch können. Kinder können noch vertrauen, weil sie noch nicht durch den „Scheuersack“ schlechter Erfahrungen gegangen sind. Sie haben ein Grundvertrauen in die Weisheit und ihnen fällt es leicht, mit Gott zu „rechnen“. So erzählte mir meine Kollegin an der Hochschule von folgender Begebenheit mit ihrer sechsjährigen Tochter: „Am Abend, kurz vor dem Schlafengehen sei ihr eingefallen, dass sie die Tomatenpflanzen noch nicht gegossen habe. Und sie sagt zu ihrer Tochter ‚Ich habe die Tomaten nicht gegossen, die hatten heute bestimmt Durst. Es war so warm. Und jetzt kann ich nicht mehr gehen, sonst bist du mit deinem kleinen Bruder (2 Jahre) allein hier.‘ Darauf ihre Tochter: ‚Moment, das erledige ich!‘ Sie faltet ihre Hände: ‚Lieber Gott, bitte mach, dass es heute Nacht regnet! – So, fertig.“ Hört sich naiv an. Aber – und darum geht es mir – das Kind hatte noch einen echtes Vertrauen.

Mit Gott rechnen?

Ich wünsche Ihnen Zugänge zu Ihrer inneren Weisheit, wie auch immer diese sein mögen, durch intellektuelle Gedankenspiele, durch überraschende Begegnungen mit der Kunst, durch eine neue Sicht auf vermeintliches Scheitern, durch inspirierende Bibellektüre, durch körperliche Herausforderungen oder durch ein Lernen von den Kindern; denn letztlich, so formuliert es auch Blaise Pascal, ist es die Weisheit, die mit Gott rechnet.

Ihre Bergit Peters aus Paderborn.

Musik VI: Matt Crocker, Joel Houston, Salomon Lightelm, Oceans; Hillsong United “Where feet may fail”

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