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Kirche in WDR 5 | 06.09.2022 | 06:55 Uhr
Gerechter Glaube (Matthias Waibel)
Guten Morgen!
Matthias Waibel gehört zu den Menschen, die schon sehr früh wissen, dass sie nur eine kurze Zeit leben werden - und die dann in diesen wenigen Jahren Dinge zu Wege bringen, die weit über ihren frühen Tod hinausreichen. Matthias Waibel - ein Priester aus Kempten im Allgäu - sagt seiner Gemeinde immer wieder: Lasst Euch nicht in eurem Glauben verwirren. Mir wird es gehen wie den Aposteln und Propheten, die verfolgt worden sind, weil sie ihren Glauben gelebt haben. Denn die Gemeinde muss mit ansehen, wie Matthias Waibel wegen seiner Verkündigung verleugnet, gefangengenommen oder am Ende sogar hingerichtet wird. Mit nicht einmal 30 Jahren wird er gehenkt. Weil er den Bauern nahesteht, die für ihre Rechte kämpfen. Matthias Waibel selbst lehnt Gewalt ab. Aber er weiß, wie der Hunger schmeckt; er stammt aus einer armen Bauernfamilie in Martinszell im Allgäu. Er weiß: Es ist berechtigt und notwendig, die Leibeigenschaft abzuschaffen; er weiß, dass die Mächtigen sich auf scheinbar legalem Weg Grundstücke und Felder angeeignet haben, die vorzeiten noch allen zur Verfügung gestanden haben: das sogenannte Gemeindeland. Und ist es nicht nur zu berechtigt, diesen Zustand wieder herzustellen? Dieses Gemeindeland ist für die Versorgung der Bevölkerung so wichtig. (1)
Früh wird ein Lehrer auf den begabten Jungen aufmerksam, und er bekommt von einem Bürger aus Kempten ein Stipendium für die Lateinschule der Stadt. Auch dort zeigt sich Matthias Waibel als ein junger Mensch, der gut und gerne lernt. Er wird an die Universität nach Wien geschickt, wo er Theologie studieren und die große weite Welt kennen lernen kann. Es zieht ihn aber nach dem Studium in seine Heimat zurück und er wird nun katholischer Priester in Kempten. Und er lernt dort mit einigen anderen Priestern die Schriften Martin Luthers kennen. Es kommt zum ersten Konflikt mit der geistlichen Führung von Kempten. Einmal im Jahr werden hier die heiligen Gebeine aus der Stadtkirche in einer Prozession draußen vor der Kirche gezeigt. Dazu wird verkündigt: Alle, die an dieser Prozession teilnehmen und einen Ablassbrief erwerben, werden von ihren Sündenstrafen befreit. Gegen diese Praxis bezieht Matthias Waibel öffentlich Stellung. Für ihn und seine reformatorisch gesinnten Freunde ist klar: Sündenerlass kann ich mir nicht erkaufen. Als kurze Zeit darauf der neue Abt des Kemptener Stiftes mit großen Festlichkeiten in sein Amt eingeführt wird fällt der Priester Matthias Waibel wieder auf: Er wehrt sich gegen diese überdimensionierte Feierlichkeit. Da reicht´s der Amtskirche, es zieht sich die Schlinge um den Hals vom Matthias Waibel immer enger.
Zum Schein wird er zu einer Taufe außerhalb der Stadt gerufen. Dort stehen Söldner bereit, um ihn gefangen zu nehmen. Einsprüche der Kemptener Bürger gegen die Gefangennahme ihres Priesters finden kein Gehör. Am 6. September 1525, vor fast 500 Jahren also, wird Matthias Waibel ohne Prozess gehenkt.
Dass wir heute in diesem Land unsere Meinung frei und öffentlich sagen können, ohne um unser Leben zu fürchten, verdanken wir auch Matthias Waibel, der vor 500 Jahren so mutig vorangegangen ist. Im Evangelischen Namenskalender wird heute an ihn gedacht.
Einen erfüllten Tag wünscht Ihnen Ihr Eberhard Helling, Pfarrer aus Lübbecke.
Quellen:
(1) s. https://de.wikipedia.org/wiki/Zwölf_Artikel, zuletzt abgerufen am 31.08.22
Jörg Erb, Wolke der Zeugen, J.-Stauda-Verlag, Kassel, 1962, Bd. 3, S. 164- 167.
https://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Waibel, zuletzt abgerufen am 26.08.22
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze