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Kirche in WDR 5 | 26.09.2022 | 06:55 Uhr

Wahrheit durch drei Siebe

„Du Sokrates, also was ich da gerade auf dem Marktplatz gehört

habe, das muss ich dir unbedingt erzählen!“ ganz aufgeregt und

atemlos kam ein Mann zu dem Athener Philosophen gelaufen.

Doch der unterbrach seinen Redefluss. „Halt ein, mein Freund“

sprach er. „Lass uns das, was du mir so unbedingt erzählen willst,

vorher durch drei Siebe schütten!“ „Drei Siebe?“ fragte der andere.

„Ja, drei Siebe und das erste Sieb heißt: Ist es auch wahr,

was du mir erzählen willst?“ - „Na ja ob es wahr ist, weiß ich nicht,

es wurde halt auf dem Markt erzählt!“ meinte der Besucher.

„Dann lautet meine zweite Frage“ sagte der Weise:

„Ist es denn gut, was du zu berichten hast?“

„Nein, gut ist es bestimmt nicht!“ erwiderte der Gefragte.

„Eher im Gegenteil: wenn das stimmt – das wäre ein Skandal!“

„Nun“ fuhr der Philosoph fort, „dann nehmen wir noch das

dritte Sieb: Ist es notwendig und wichtig zu wissen?“

„Direkt wichtig ist es nicht“ meinte der Besucher wieder:


„Aber sehr interessant zu hören und unterhaltsam!“

„Also“ sprach da der Weise '“wenn das, was du mir erzählen willst,

weder als wahr erwiesen, noch gut, noch wichtig ist, dann schweige

darüber und belaste weder dich noch mich weiter damit!“

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Wahrheit hat immer ein Recht,

erzählt zu werden, vor allem, wenn sie mit dem Guten verbunden ist;

denn das Wahre und Gute ist immer wichtig zu wissen.

Gutes, das zwar nicht als wahr erwiesen ist, hat auch seinen Platz

im Erzählen und ist wichtig, weil es vor der Verbitterung und

der Resignation bewahrt, die Welt sei nur ganz und gar schlecht.

Mitunter muss man sich sogar dem nicht erwiesenen Schlechten

stellen, weil es wichtig sein könnte, um sich davor zu schützen.

Was aber weder als wahr erwiesen, noch gut, noch wichtig ist,

darüber sollte man Schweigen – meint zumindest der alte Philosoph.

Ob das wohl auch ein Stück Lebensweisheit für unsere

aufgeregte und sensationsbegierige Zeit sein könnte?

Mich erinnern die Worte des Sokrates

an einen Satz aus dem 1. Petrusbrief der Bibel:

„Wer das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht,


der bewahre seine Zunge vor Bösem und seine Lippen


vor falscher Rede. Er meide das Böse und tue das Gute;


er suche Frieden und jage ihm nach.“ (3,10b-11).

Denn nicht das Erzählte reicht,

sondern nur das Erreichte zählt!

In diesem Sinne eine gute Woche - wünscht Ihnen aus Köln

Pfr. Jürgen Martin

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