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Kirche in WDR 5 | 02.07.2024 | 06:55 Uhr
Völlig losgelöst
Es ist Anfang 2024: Gespräch mit der Personalabteilung.
Hinter mir liegen drei Jahre Ausbildungszeit. Erst in Duisburg und jetzt in Herten. Und es geht um Klärung. Es geht um meine berufliche Zukunft als Seelsorger. Wo geht’s hin? Was kann ich mir vorstellen? Was wünsche ich mir? Wo sehe ich mich in den nächsten Jahren? Und vor allem: Wo sieht mich das Bistum?
Gespräche habe ich schon ganz oft geführt. Mal als Politiker, mal als Seelsorger, mal als Freund oder einfach so. Ich habe auch schon sämtliche Arten durch: Streitgespräche, Versöhnungsgespräche, Verhandlungen.
Aber ich gebe zu: Obwohl ich weiß, wer da sitzt, obwohl ich weiß, worum es geht: Die Situation finde ich voll unangenehm.
Und es ist gar nicht das Gespräch selbst. Es ist die Bedeutung, die es mir so schwer macht. Ja, alle geben sich Mühe – aber da ist so ein Rest Unsicherheit. Bei so einem Personalgespräch da geht’s ja ums Eingemachte.
Das Ergebnis des Gesprächs erfahre ich nicht sofort. Wie es für mich weitergeht, weiß ich erst ein bis zwei Monate später. Und in diesem Zwischenraum heißt es: Aushalten.
Ich komm mir vor wie ein Astronaut, der den Funkkontakt zur Erde verliert. Ein bisschen wie bei Apollo 8. Da ist nämlich genau das passiert: Die Astronauten umkreisen den Mond. Und immer, wenn sie auf der dunklen Seite des Mondes waren, bricht der Funkkontakt ab. Dann kann man nichts tun. Nur warten und hoffen – es geht weiter. …
Und dieses unsichere Warten hat mich echt gefordert. Aber diesmal bin ich’s angegangen wie eine Art geistliche Übung. Das klingt frommer, als es ist. Was ich sagen will: Ich habe gemerkt, dass es mir hilft, aus der Spannung rauszugehen. Anzunehmen, dass ich in der Situation erst einmal nichts machen muss, nichts machen kann. Und dass ich mich innerlich frei mache von dieser auf mich zu rollende Entscheidung.
Je älter ich werde, desto mehr sehe ich: Manches habe ich in der Hand und manches nicht. Und selbst eine schlechte Entscheidung ist keine Sackgasse. Es geht weiter. Manchmal ganz anders und manchmal sogar besser. Und ich kann mir noch so viele Bilder ausmalen, ich weiß nicht, wie es kommt. Was ich also geübt habe, war: Vertrauen.
Und dann war da noch was: Völlig losgelöst von der Erde – wie ein Astronaut. Das war ich diesmal nicht, nach dem Personalgespräch. Ich habe in dieser Zeit sogar ganz schön viel Erdung bekommen. Vor allem von Leuten aus meiner Gemeinde: Von Jugendlichen, von ganz tollen Kolleginnen und Kollegen. In meiner Zeit des Wartens haben mir andere Menschen Hoffnung gegeben, wo ich mir das nicht selber geben konnte. Nur, weil sie da waren.
Und das ist eine tolle Erfahrung. Zu wissen: Ich bin aufgehoben. Seit dieser Erfahrung bin ich gelassener, wenn es heißt auszuhalten. Und ich weiß umso mehr, was heißt einfach nur da zu sein. Für Menschen in Zeiten der Unsicherheit.
Wie gehen Sie mit Unsicherheiten um?
Ich grüße Sie aus Herten. Ihr Stephan Orth.