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„Unendliche Weiten“

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Das Geistliche Wort | 21.07.2024 | 08:40 Uhr

„Unendliche Weiten“

„Der Weltraum. Unendliche Weiten.“ Ich brauche nur diese vier Worte zu hören und schon bin ich hin und weg. Damit wird nämlich die Kultserie Star Trek, alias Raumschiff Enterprise, eröffnet.

Und ich oute mich jetzt: Ich bin ein Trekkie, ein leidenschaftlicher Fan der Serien und Filme von Star Trek. Schon als Jugendlicher konnte ich es werktags im Gymnasium kaum noch abwarten bis die Schule am Nachmittag endete und ich daheim auf dem Sofa die nächsten Folgen von „Star Trek – Die nächste Generation“ gucken konnte. Und ich war so fixiert, dass meine Familie Freitagabends um viertel nach acht statt „Derrick“ oder“ „Der Alte“ mit mir die neueste Folge von „Star Trek Voyager“ schauen musste. Bis heute – ich bin inzwischen 40 Jahre alt und arbeite als Priester im Bistum Aachen – gönne ich mir freie Abende mit den neuesten Folgen aus der Star Trek-Reihe. Und ich stelle immer wieder fest, dass es bei aller spannenden Unterhaltung hier immer auch um religiöse Botschaften geht.


Musik 1: Jerry Goldsmith, Star Trek. First Contact, „Main theme“


Die Star Trek-Serien haben in mir eine Leidenschaft geweckt für den Weltraum, für unbekannte Weiten, eigentlich für alles Neue. Und mich fasziniert die Vorstellung von einer Menschheit, die den Frieden sucht, auch jenseits der eigenen Welt. Denn laut Star Trek lebt die Menschheit versöhnt und hat sich mit anderen außerirdischen Spezies zusammengetan, um das Weltall zu entdecken, entfernteste Sterne und neues Leben zu finden. Verbündete sind zum Beispiel die Vulkanier – sie wissen schon: das Volk mit den Spitzohren, vertreten durch Mr. Spock. Schon als Kind habe ich schnell den Gruß der Vulkanier gelernt. Bei dem Gruß werden die Finger zwischen Ring- und Mittelfinger zu einem V gespreizt. Und nicht selten sagen die Vulkanier dazu: „Lebe lang und in Frieden!“ – Was für ein Wunsch! Übrigens: An diesem Gruß waren und sind eingeschworene Fans zu erkennen.

Zwar wird bei Star Trek auch mal gekämpft. Aber der große Traum von Gene Roddenberry, dem Drehbuchautor von Star Trek war es: Die Menschheit ist im Grunde gut. Und so spricht er eine Sehnsucht aus:


Sprecher:„Star Trek war ein Versuch zu sagen, dass die Menschheit an dem Tag Reife und Weisheit erreichen wird, an dem sie anfängt, Unterschiede in den Ideen und Lebensformen nicht nur zu tolerieren, sondern sich besonders daran zu erfreuen.“[1]

Gene Roddenberry sagt das nicht irgendwann, sondern mitten in der Zeit des Kalten Krieges. Die Sehnsucht nach einem anderen, friedlichen Leben und nach den unendlichen Weiten schien damals bloß ein Traum. Denn der Wettlauf um die Vorherrschaft im All aus strategischen Gründen hatte begonnen. Der russische Kosmonaut Juri Gargarin war 1961 als erster Mensch in das Weltall gestartet und heute vor exakt 55 Jahren, am 21 Juli 1969, setzte Neil Armstrong als erster Mensch seinen Fuß auf den Mond. Tags zuvor waren die Amerikaner bereits auf dem Mond gelandet und kehrten bald schon wieder auf die Erde zurück. Die Menschheit hatte einen anderen Himmelskörper erobert als die Erde. „Unendliche Weiten“ schienen ein klein wenig überschaubarer zu werden. Erst sieben Wochen zuvor war die letzte Folge der ersten Star Trek-Serie „Raumschiff Enterprise“ über die US-amerikanischen Fernseher gerauscht und Captain Kirk, Mr. Spock und der Schiffsarzt Dr. McCoy, alias „Pille“, waren wieder auf der Erde gelandet. Was für ein Zusammenspiel von Science-Fiction und Wirklichkeit. So wie viele Menschen träume auch ich selber Jahrzehnte später noch davon, dass das Weltall auch eine Chance des friedlichen Miteinanders für die Menschheit eröffnet. Immerhin: Mit den Worten von Neil Armstrong wurde das Feuer von der Sehnsucht nach dem Weltall entfacht: „Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen. Doch ein großer Sprung für die Menschheit.“

Und neben der Angst vor dem Kalten Krieg herrschte auf der Erde auch wieder die Sehnsucht nach einer besseren Zukunft. Die Sehnsucht nach einer guten Menschheit. Die Sehnsucht danach, dass Friede vielleicht doch möglich ist.

Diese Sehnsucht sollte noch weitere 20 Jahre ein Traum bleiben bis zum Ende des Kalten Krieges. Und dann änderte sich wirklich etwas auf der Erde. Plötzlich ging es um Abrüstung, um Glasnost und Perestroika, also um Offenheit und Umgestaltung. Menschen verschiedener Länder und Kontinente bauten gemeinsam eine Raumstation, um die unendlichen Weiten des Weltalls zu erforschen. Aus verschiedenen Bereichen dieser Welt kamen Menschen zusammen, um den Schritt in eine gemeinsame Zukunft von Frieden und Technik, zum Wohle aller Menschen zu gehen.

Musik 2: Imagine Dragons, „Dream“

Aber dieser Traum ist schon länger wieder dabei zu verblassen. Und das Wettrüsten nimmt erneut seinen Lauf. Die Welt zerfällt wieder in gegnerische Parteien und Machtblöcke. Heutige Kriege haben die Qualität von Science-Fiction-Filmen längst eingeholt. Sie finden nämlich nicht mehr nur auf den Schlachtfeldern dieser Erde statt, sondern digital und computergesteuert. Diese Kriege könnten sich ins Weltall verlegen, wenn dort Atombomben stationiert werden. In den Jahren seit dem ersten Schritt eines Menschen auf dem Mond, haben Kriege eine neue Realität gewonnen. Was damals maximal in der Fantasie von Menschen wie Gene Roddenberry, dem Schöpfer von Star Trek, möglich schien, ist heute in Teilen machbar. Dabei wollte Gene Roddenberry genau das Gegenteil: Frieden statt Krieg und Verständigung statt Ignoranz.

Er glaubte zutiefst an das Gute im Menschen. Das machte er in seinen Serien und Filmen deutlich, indem die Charaktere immer wieder davon berichten, was sie woanders, also auf fernen Planeten erlebt und entdeckt, wen sie kennengelernt haben und was sie dort begeistert hat. Das Faszinierende des Fremden – so könnte man sagen – war Roddenberrys Leidenschaft, denn es ging ihm ja darum „unendliche Weiten“ kennenzulernen, „neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen …, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“.

Musik 3: Of Monsters and Men, „Little talks“

„Neue Welten kennenlernen“, das ist nicht nur ein Motto für Forscherinnen und Forscher oder Abenteurer in einem Science-Fiction-Film. Es ist eigentlich auch ein Motto, dass den Christen gut zu Gesicht steht. Immerhin: Jesus selbst hat seine Jünger ausgesandt zu den Menschen. Als nun die Jünger zu ihm zurückkommen nimmt er sich Zeit für sie, damit sie von ihren Erlebnissen erzählen können. Davon berichtet jedenfalls ein biblischer Text, der heute in den katholischen Gottesdiensten weltweit gelesen wird. Da heißt es (Mk 6,30):

Sprecher: In jener Zeit versammelten sich die Apostel, die Jesus ausgesandt hatte, wieder bei ihm und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.

Die Jünger waren vorher mit Jesus einige Zeit unterwegs gewesen und hatten von ihm Vieles gelernt. Vor allem hatte er ihnen aber von seinem großen Traum erzählt, dass die Menschen im Kern gut sind und gemeinsam auf der Welt Gutes tun können. Alles kann zum Guten geführt werden. Kein Mensch soll durch einen anderen Menschen Schlechtes erfahren und kein Mensch soll sich über den anderen erheben.

So wie Gene Roddenberry es sagte, dass die Menschheit die Reife erreichen kann, die Unterschiede zwischen den einzelnen Menschen als Reichtum zu erkennen und dadurch gemeinsam stärker wird.“

Etwas davon scheint ja bereits damals zurzeit Jesu gewirkt zu haben, zumindest, wenn man der weiteren biblischen Geschichte folgt. Denn als die Jünger zu Jesus zurückgekehrt waren, ereignet sich Folgendes (Mk 6,32f.):

Sprecher: Jesus und die Jünger fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein. Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.

Ich verstehe das so: Die Botschaft von Jesus und seinem Traum von einer guten Welt hat sich verbreitet und begeistert viele Menschen. Sie setzen sich in Bewegung. Sie scheuen keine Mühen. Sie verfolgen ihn regelrecht, um ihm und den Jüngern sozusagen an den Lippen zu hängen. Sie wollen noch mehr davon erfahren. Sie möchten mehr davon hören, dass im Grunde alles gut wird.

Musik 4: Hozier, „Movement“

Manchmal glaube ich, wir brauchen mehr von solchen Menschen, die von dem Traum einer guten Zukunft erzählen, ja mehr noch: die diesen Traum anfangen zu leben. Angesichts der aktuellen Kriege und Zerrissenheit der Gesellschaft, scheint der Glaube an die gute Menschheit gerade verloren zu gehen. Es braucht daher Menschen, die mit starken Worten den Glauben an die Zukunft wieder wecken – und keine Populisten.

Vor 55 Jahren war es eine große Sensation, als Neil Armstrong den ersten Schritt auf den Mond und damit in die Ferne des Weltalls gewagt hat. Es war ein Aufatmen was Gene Roddenberry mit seinen Geschichten von den unendlichen Weiten in Star Trek erzählte. Es schien so greifbar, dass wir Menschen einfach nur Anlauf nehmen müssten, damit der große Schritt zum Frieden gelingt

Wir können aber auch die Botschaft der kurzen biblischen Geschichte von Jesus nehmen. Hier scheint eine Botschaft zu zünden, die die Menschen bewegt.

Sie machen sich auf den Weg. Sie überwinden viele Kilometer und sind sogar Jesus und den Jüngern voraus, kommen sie doch vor ihnen am Ziel an – wie es hieß. Ich stelle mir das so vor: Die Menschen suchen die neuen Ufer, an denen Jesus und die Jünger anlegen werden. Sie bringen dafür also eine große Energie auf und wollen die Begegnung mit ihm und sicherlich auch neue Einsichten und Erkenntnisse. Sie gehen sogar voraus in einsame Gegenden, wo es vielleicht gefährlich, vielleicht aber unwegsam ist oder, um es mit den Worten von Gene Roddenberry zu sagen: Sie gehen an Orte, „die nie ein Mensch zuvor gesehen hat“. Die Menschen hatten bereits erfahren, dass es eine Hoffnung für das Leben gibt und dass es sich lohnt an das Gute zu glauben. Jetzt wollen sie anscheinend darin neu bestärkt werden oder bloß an diese Sehnsucht erinnert werden.

Jesus reaktiviert dann diese Sehnsucht in ihnen. Er weckt wieder auf, was sie schon längst in sich tragen und gehört haben. Er macht ihnen Mut, dass Leben zu wagen, Neues zu entdecken.

Und ich sage ganz unverhohlen: Er macht mir Mut, heute mein Leben zu wagen. Dafür muss ich nicht in den Weltraum reisen, aber ich kann die Welten der Menschen um mich herum erschließen. Was werde ich da wohl alles entdecken? Welche unendlichen Weiten werden sich da wohl öffnen? Ich muss dazu den ersten Schritt wagen, wie Neil Armstrong. Und ich bin mir sicher, dass jeder kleine Schritt in die neue Welt eines anderen Menschen ein großer Schritt für die Menschheit bedeutet.

Musik 5: Jerry Goldsmith, Star Trek. First Contact, „First contact“

Jeder kleine Schritt in die Welt eines anderen Menschen kann etwas bewirken. Wie das aussehen kann? Ein Beispiel finde ich in der biblischen Geschichte von Jesus, wie sie weiter beschrieben wird.

Jesus lädt die Menschen ein, an dem Ort zu bleiben, wo er und die Jünger hingefahren sind und er lehrt sie lange. Dann geht es darum, dass alle etwas zu essen bekommen sollen, denn sie waren ja schon lange unterwegs und hatten Hunger. Und so fragt Jesus seine Jünger (Mk 6,38-40.42-43):

Sprecher: Wie viele Brote habt ihr? Geht und seht nach! Sie sahen nach und berichteten: Fünf Brote und außerdem zwei Fische. Dann befahl er ihnen, sie sollten sich in Mahlgemeinschaften im grünen Gras lagern. Und sie ließen sich in Gruppen zu hundert und zu fünfzig nieder. Und alle aßen und wurden satt. Und sie hoben Brocken auf, zwölf Körbe voll, und Reste von den Fischen.


Ich weiß zwar nicht, wie Jesus das gemacht hat, aber ich stelle mir vor: Alle teilen dort miteinander Brot und Fisch, quasi alles das, was sie haben. Und es reicht für alle. Es bleibt sogar noch viel übrig. Die Menschen tragen schon die Kraft zu einer guten Zukunft in sich, für sich und für alle anderen auch.

Und so verstehe ich auch einen letzten Satz von Gene Roddenberry, der für mich als Christ wie ein Glaubenssatz für die Zukunft der Menschheit klingt:

Sprecher: „Ich glaube an die Menschheit. Wir sind eine unglaubliche Spezies. Wir sind immer noch nur wie Kinder, wir sind immer noch böse zueinander. Und alle Kinder durchlaufen diese Phasen. Wir werden erwachsen, wir gehen jetzt in die Pubertät über. Wenn wir groß sind – Mensch, dann werden wir etwas Großartiges werden!“[2]

Bleiben sie zuversichtlich! Live long and prosper, lebe lang und in Frieden!

Das wünscht Ihnen Matthias Fritz aus Aachen.

Musik 6: Jerry Goldsmith, Star Trek. First Contact, „End credits“

Star Trek Epic Symphony: Where no one has gone before


[1] https://freidenker.cc/star-trek-und-die-wissenschaften/29 (Stand vom 03. April 2024): „„Star Trek was an attempt to say that humanity will reach maturity and wisdom on the day that it begins not just to tolerate, but take a special delight in differences in ideas and differences in life forms.” [2] https://www.inc.com/kevin-daum/21-gene-roddenberry-quotes-that-inspire-a-great-future.html (Stand vom 03. April 2024): „I believe in humanity. We are an incredible species. We're still just a child creature, we're still being nasty to each other. And all children go through those phases. We're growing up, we're moving into adolescence now. When we grow up - man, we're going to be something!"
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