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Kirche in WDR 5 | 19.07.2024 | 06:55 Uhr
Madonna del Ghisallo
Mein Urlaub führt mich in diesem Jahr an den Comer See. Und da gibt es eine kleine, aber bedeutsame Kapelle. Hoch gelegen am Berg ist sie der Madonna del Ghisallo geweiht, der Schutzpatronin der Radfahrer. Woher ich das weiß? Ich fahre leidenschaftlich Rennrad und vor Jahren hatte mir meine Schwester vom Katholikentag einen Aufkleber dieser Madonna mitgebracht, sozusagen ein Christophorus für das Rennrad. Dieser Aufkleber weckte meine Neugier und im Internet fand ich mehr heraus, was es mit dieser Madonna auf sich hat. Ihre Geschichte beginnt nach dem zweiten Weltkrieg. Don Vigano hieß der örtliche Pfarrer. Und dem fiel eines Tages auf, dass immer mehr Radfahrer seine Kapelle besuchten, eine Pause einlegten und beteten. Das brachte ihn auf die Idee, Papst Pius XII. darum zu bitten, die Madonna del Ghisallo zur Schutzpatronin der Radfahrer zu ernennen. Dieser Wunsch wurde ihm nur kurze Zeit später erfüllt. Seit 1949 gilt die Madonna nun offiziell als Schutzpatronin der Radfahrer und es führen immer wieder Etappen der großen italienischen Radrundfahrten an der Kapelle vorbei. Schon auf dem Vorplatz begrüßen Bronzebüsten italienischer Radsportlegenden die Besucher. Ein Denkmal zeigt einen Sieger, der die Faust zum Himmel streckt, neben einem Verlierer, der enttäuscht am Boden hockt. Das eigentlich Interessante offenbart sich den Besuchern aber erst im Inneren der Kapelle. Die Seitenwände sind voll von Trikots, Wimpeln, Bildern und Trophäen großer Radrennfahrer. Und darüber thronen die Räder einiger Radsportlegenden. Am beeindruckendsten ist sicherlich das Rad von Eddie Merks, dem fünfmaligen Gewinner der Tour de France und des Giro d’Italia. Daneben das Rad von Fabio Casartelli, mit dem er 1995 bei der Tour de France tödlich verunglückte.
Doch die Radsportgrößen haben sich nicht nur durch Andenken in der Kirche verewigt. Regelmäßig kamen und kommen Sie auch in die Kapelle, um zu beten.
Viele der Profiradsportler sind gläubige Menschen und sie haben ihre Trikots und Räder der Kirche aus einer großen Dankbarkeit heraus gespendet. Sie vertrauen darauf, dass Gott sie in ihrem Leben, ganz besonders aber bei ihren Touren begleitet.
Für mich teilen Radfahren und
Glauben viele Gemeinsamkeiten. Bei einer Radtour durchs Sauerland zum Beispiel
werde ich häufig belohnt mit einem wunderbaren Ausblick auf die Schönheit der
Schöpfung Gottes. Diese Momente erfüllen mich mit einem großen Glücksgefühl und
einer tiefen Dankbarkeit. Bergerlebnisse gibt es ebenso im Leben jedes Menschen
- die Erfahrung von Glück, Liebe und Geborgenheit. Die Höhepunkte unseres
Lebens. Manchmal ist das Leben aber auch wie eine nicht enden wollende
Bergetappe. Es scheint immer nur bergauf zu gehen und je länger es dauert, umso
ermüdender wird es und die Kräfte schwinden merklich. Dann gibt es noch die
Stürze. Augenblicke, in denen wir buchstäblich am Boden liegen, die weh tun und
bei denen es scheinbar nicht weitergeht. Was hilft Ihnen in diesen Momenten
wieder aufzustehen und weiterzumachen? Für mich ist es der Glaube und das
Vertrauen, dass Gott mich begleitet.
Erinnern Sie sich daran, wie Sie das Radfahren erlernt haben? Es gab einen Moment, in dem Sie darauf vertraut haben, dass Sie ohne Stützräder und helfende Hand das Gleichgewicht halten und sich fortbewegen können. So empfinde ich es auch mit dem Glauben.
Gott ist eben nicht das Stützrad in meinem Leben, sondern dank ihm fahre ich frei – ich gebe mich vertrauensvoll in Gottes Hände.
Und wenn ich bald am Berghang
über dem Comer See bei der Madonna del Ghisallo bin, dann werde ich da sicher
ein kleines Dankgebet sprechen, für die Zeiten in seinem Windschatten und auch
für Bergetappen.
Diese bewegte Erfahrung des Glaubens wünscht Ihnen aus Fröndenberg,
Heiner Redeker