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Kirche in WDR 5 | 01.08.2024 | 06:55 Uhr
Für wen sind wir bestellt?
Für wen sind wir bestellt? – Vielleicht eine komische Frage, für Menschen in der Seelsorge aber eine berechtigte Frage. In der katholischen Kirche ist die Frage fast genauso zu beantworten, wie beim Einwohnermeldeamt. Bei uns in der Kirche herrscht das sogenannte Territorialprinzip. Und damit gibt es klare räumliche Grenzen. Hier die eine Pfarrei, daneben die andere. Das Territorialprinzip lernt jemand schnell kennen, wer z.B. eine Hochzeitsfeier jenseits der Gemeinde plant, in der er oder sie gemeldet ist.
Nun gibt es aber schon seit geraumer Zeit einen Ort, den finden Sie nicht mit Google-Maps. Der passt in kein Einwohnermeldeamt und auch nicht in ein Kirchenregister. Ich meine das Internet.
Das Internet ist für manche in der
Kirche noch immer „Terra Incognita“. Seelsorgerisches Brachland. Dabei kann ich
nur sagen: Wenn ich auf meine Watch-Time auf den Sozialen Netzwerken schaue,
könnte ich fast einen Zweitwohnsitz fürs Internet anmelden. Zumindest für
Instagram. Und ich kann sagen: Auch Menschen bei Instagram wollen, dass die
Kirche sich für sie bestellt sieht. Seit einiger Zeit
betreibe ich den Kanal namens
„diokirche_krefeld“ auf Instagram, zusammen mit meinem Chef, Pfarrer David
Grüntjens.
Und wir erleben: Was wir da machen, ist Seelsorge wie im sogenannten „Real-Life“.
Instagram ist erst 14 Jahre alt. Auf der Social Media-Plattform tummeln sich mehr als eine Milliarde User jeglichen Alters. Insta-Accounts sind ohne viel Technik leicht zu betreiben. Eine Kirche in der heutigen Zeit muss auch eine digitale Kirche sein. Über unseren Kanal erreichen wir Zielgruppen, die sich sonst nie in einer Kirche verlaufen würden, auf Instagram sind sie aber schon.
Mein Chef und ich haben ganz schnell gemerkt, dass es für unseren Insta-Kanal kein großes Konzept braucht. Die Menschen wollen persönliches, wollen mitgenommen werden im Alltag, ein offenes Ohr, zum Lachen gebracht werden, aber genauso auch zum Nachdenken, wollen Menschlichkeit sehen.
Mir wurde mal der Satz „Frau Engel, jetzt weiß ich warum sie mir immer schon so sympathisch waren. Sie sind ja ganz normal:)“, entgegengebracht, nachdem man uns auf Instagram gefolgt ist. Ich hab dann geschmunzelt und war zugleich aber auch etwas traurig. Weil es ja zeigt, wie das Bild der Menschen ist von denen, die bei der katholischen Kirche arbeiten: verstaubt, distanziert, aus der Zeit gefallen. Dass aber auch „normale Menschen“ sich für einen kirchlichen Beruf entscheiden können, ist für viele oft schwer nachvollziehbar.
Kirche darf und sollte nicht auf der Stelle stehen. Traditionen und traditionelle Liturgie ist uns wichtig. Genau, das ist es, was die Menschen auf unserem Kanal auch sehen. Kirche kann modern, jung, lustig sein-aber eben auch seine „alten“ Traditionen und Festlichkeiten neu beleben und verlebendigen und festhalten.
In den letzten Monaten sind wir auf Instagram sehr stark gewachsen. Unser Kanal hat fast 45.000 Follower. Zum Vergleich: Das Bistum Görlitz, das Kleinste in Deutschland, zählt 29.000 KatholikInnen[1].
Die Zahlen sind das eine. Wichtiger aber ist mir, dass sich dahinter mitunter ganz konkrete Seelsorge-Kontakte verbergen. So bekomme ich Anfragen wie am besten mit dem 5 jährigen Kind den Tod der Großmutter bespricht oder aber auch von Menschen die gerade schwere Schicksalschläge bestreiten müssen, sei es Verluste, Krankheiten, Trennungen.. Das sind pro Tag schon mal bis zu 300 Anfragen, die ich beantworte. Und dann wird mir klar: Menschen brauchen Verkündigung, brauchen Ansprechpartner, brauchen Ohren, die ihnen zuhören.
Es ist wirklich toll, wie viel ein authentisches Wirken auf Instagram und natürlich auch im realen Leben bewirken kann. Menschen und ihre Herausforderungen sehen, da sein, ihnen Halt, Worte und Kraft schenken, Hilfe anbieten - das möchten wir weiterhin.
Der Ort dafür ist eigentlich egal: Ob analog oder digital. Es geht darum, mit den Menschen in Kontakt zu sein. Hauptsache, wir bleiben zugänglich, nahbar, authentisch, ansprechbar und normal:)
Aus Krefeld und vom Instagramkanal „diokirche_krefeld“ grüßt Sie Michelle Engel
[1] https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2023/DBK_FLY_Statistik_2022_Ansicht.pdf