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Kirche in WDR 5 | 11.09.2024 | 06:55 Uhr
Im Schlaf
Haben Sie gut geschlafen? - - - Eine wichtige Frage am
Morgen. Eine Frage mit Konsequenzen für den Tag. Und: Für viele eine quälende
Frage. Denn viele schlafen schlecht.
Mir ist in den letzten Wochen eine Geschichte nachgegangen,
in der Jesus schläft, in der er gut schläft, richtig gut. Wollen Sie sie hören?
Die Jünger Jesu sind mit vielen anderen unterwegs auf dem See. Eine kleine
Flotte. Dann zieht Sturm auf. Die Boote schaukeln hin und her. Sie beginnen
gar, sich mit Wasser zu füllen. Selbst diese erfahrenen Fischer bekommen Angst.
Und Jesus? Der schläft. Nein, nicht eingenickt, im Sitzen, so mal eben. Liegt der doch tatsächlich auf einem Kissen hinten im Boot und schläft seelenruhig, während die Menschen glauben, dass sie untergehen. Beneidenswert, dieser Jesus. Wie macht der das?
Hat er innerlich einen sicheren Ort, so dass er schlafen kann, obwohl alles schaukelt und wankt, obwohl er langsam nass wird und die Schreie der Jünger und das Heulen des Windes eigentlich nicht zu überhören sind?
Ja, ich beneide diesen Jesus um seine Gelassenheit. Aber ich bin auch sauer. Stört es den denn nicht, dass wir zugrunde gehen? Für mich ist es dabei tröstlich, dass ich die Jünger auf meiner Seite sehe. Die sind auch wütend, die machen Jesus Vorwürfe, sagen genau das, was ich heute oft denke: Pennt der denn da in seinem Himmel?
Bei all dem, was passiert? Im Leben so vieler, die ich kenne? Verschläft Jesus die Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft, in der Kirche, und in der weiten Welt, oft in ganz extremen Formen: Hunger, Missbrauch, Kriege, Terrorismus, Flucht, ach, endloses Leid.
Warum hilft er nicht denen, die sich einsetzen? Für Gerechtigkeit, für Menschenrechte, für … Da werden mir die Jünger zum Vorbild.
Denn sie denken das nicht nur, sie flüstern es sich nicht hinter vorgehaltener Hand zu. Sie gehen zu Jesus, wecken ihn, und sagen es ihm ins Gesicht. Liebe Zuhörende: So möchte ich beten können. Es steckt so viel Vertrauen darin. Vertrauen, dass die Beziehung zwischen Jesus und mir das aushält. Vertrauen, dass ich ihn wecken darf. Vertrauen, dass er wirklich helfen kann.
Und immer wieder erfahre ich: Es hilft, offen mit Jesus zu reden. Ich bin eine große Freundin klarer Worte im Gebet. Jesus hilft tatsächlich, wenn auch nicht immer – zumindest nicht immer so, wie ich es erwarte.
Und manchmal ist da einfach mitten im Sturm die Erfahrung: Er ist da. Ich bin nicht allein. Diese Erfahrung können wir als ausgeschlafene Menschen auch einander schenken: Du bist nicht allein, ich bin bei dir, selbst, wenn ich gerade nicht viel tun kann. Und mit wem auch immer Sie sich in dieser Geschichte identifizieren mögen: Ich wünsche Ihnen einen guten Tag – und am Abend dann einen guten Schlaf.
Ihre Schwester Katharina Kluitmann aus Münster