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Kirche in WDR 5 | 24.10.2024 | 06:55 Uhr
Einsamkeit
Nicht jeder der alleine ist, ist auch einsam! Also ich zum Beispiel, kann meine Zeit gut und gerne alleine gestalten, indem ich zum Beispiel einen spannenden historischen Krimi lese. Ich bin natürlich auch gerne mit Menschen zusammen, aber wenn ich alleine bin, dann fühle ich mich nicht einsam – Gott sei Dank. Zwischen allein sein und Einsamkeit besteht nämlich ein großer Unterschied. „Allein sein“ ist ein äußerer Zustand, etwas, das sogar positiv als „Me-Time“ besetzt werden kann. „Einsamkeit“ kennzeichnet dagegen einen inneren Mangelzustand, der mit sozialer Isolation einhergeht und weitere negative psychische Folgen mit sich bringen kann wie Depression, Unsicherheit und Angst.
Einsamkeit ist heute zu einem echten Problem geworden. Und das nicht nur bei älteren Menschen, wie man meinen könnte. Auch junge Menschen fühlen sich einsam. Das mag verwundern in einer Gesellschaft, in der durch Social Media doch scheinbar alle miteinander verbunden sein können. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass sich bis zu fünfzehn Prozent der Deutschen chronisch einsam fühlen. Das wären dann etwa jeder zwölfte Einwohner in unserem Land. Eine unglaublich hohe Zahl, wie ich finde. Was sagt das über unser gesellschaftliches Klima aus?
Besonders bitter wird Einsamkeit am Lebensende, sie setzt sich bisweilen sogar fort im Sterben und auch darüber hinaus.
In Berlin gibt es zum Beispiel jährlich über 2000 Beerdigungen, bei denen keine Angehörigen anwesend sind, wo die Toten also einsam bestattet werden. Das ist eine traurige gesellschaftliche Entwicklung, mit der ich mich nur schwer abfinden kann. Genauso wenig, wie das Georg Mesus und sein Sohn Johannes aus Berlin können. Die beiden, so las ich in einem Zeitungsartikel, begleiten ehrenamtlich einsame Beerdigungen. Natürlich kann man fragen: Warum haben sie denn die Menschen nicht besucht, als sie noch lebten? Zu oft weiß man nichts von den Schicksalen der Menschen. Aber auf solche „einsamen Beerdigungen“ weisen inzwischen ja hier und da kirchliche Gemeinden in den Zeitungen hin.
Gefragt, warum die beiden Berliner dann dabei mitgehen, sagt der Vater, sie machen das aus einem inneren Antrieb heraus: Denn jeder Mensch hat doch eine unverlierbare Würde – und das gilt auch über den Tod hinaus. Und daher sollen sie auch würdig bestattet werden. Und wie es so schön und richtig heißt: Es soll ihnen eine letzte Ehre erwiesen werden! Das kann ich gut verstehen: Denn für mich gehören zu einer würdigen Beerdigung einfach mehr dazu als nur ein Trauerredner oder ein kirchlicher Geistlicher bzw. eine Geistliche und vielleicht jemand vom Bestattungsunternehmen. Es gehören doch auch noch weitere Hinterbliebene dazu und sei es nur, dass sie mitgehen aus Respekt vor der Einmaligkeit des verstorbenen Menschen und seines Lebens.
Die Initiative der beiden Berliner ist doch großartig! Und wenn ich es aus christlicher Sicht bedenke, dann gehört das Bestatten der Toten sogar zu den sieben Werke der Barmherzigkeit. Jemandem das letzte Geleit erweisen, auch wenn man diese Person nicht gekannt hat, zeigt doch menschliche Größe. Noch bin ich berufstätig – aber ich überlege schon, ob ich nach meiner Pensionierung nicht auch bei den einsamen Beerdigungen mitgehen werde. Und es bleibt natürlich der Ansporn schon vor dem Tod nach den einsamen Menschen in meiner Umgebung zu sehen.
Aus Gladbeck grüßt Sie Meike Wagener