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Kirche in WDR 5 | 30.11.2024 | 06:55 Uhr
Zwei Kränze
Guten Morgen!
Die Kirchen in der Welt feiern heute den Silvestertag. Zumindest, wenn es um das Kirchenjahr geht: Mit dem 1. Advent beginnt morgen ein neues, also ist heute der letzte Tag des alten Kirchenjahres.
Ich komme aus einer Familie von Gärtnern und Floristen und bin in einem Blumengeschäft aufgewachsen. Diese Zeit zwischen Totensonntag und dem 1. Advent hat mich schon immer fasziniert.
Am Totensonntag gibt es Kränze und Trauergestecke, und damit hatten die Floristinnen auch alle Hände voll zu tun. Blumengeschäfte dürfen sonntags für ein paar Stunden aufmachen, und in der evangelischen Gegend war das ein wichtiger Tag. Im Gottesdienst werden die Namen der Menschen genannt, die im vergangenen Jahr gestorben sind. Und viele gehen auf den Friedhof und besuchen die Gräber ihrer Lieben.
Und wenn der Laden dann am frühen Nachmittag geschlossen wurde, ging der Umbau los: Trauerflorisitik raus – Adventskränze, Nussknacker, Kerzen, Lichterketten und Engel rein. Bis tief in die Nacht arbeiten die Floristinnen, damit es dann Advent werden kann. Für mich als kleiner Junge ist das ein wunderbarer Moment, wenn die erste Weihnachtsmusik aufgelegt wird und die großen Behälter mit Zimtstangen, Nelken und Orangenscheiben geöffnet werden, und es dann im ganzen Haus anfängt, nach Weihnachten zu riechen.
Mittlerweile beginnt auch im Blumenladen meiner Familie die Adventszeit früher. Heute stehen die Adventskränze neben der Trauerfloristik im Regal. Und das gefällt mir auch.
Ich glaube nämlich, dass die Zwischenzeiten im Leben wichtig sind. Trauer raus, Freude rein, so einfach ist es meistens nicht. Wer eben noch todtraurig war, wird nicht morgen voller adventlicher Vorfreude auf Weihnachten sein. Deshalb mag ich das so, wenn sich der Advent in der Woche nach dem Totensonntag heranschleichen darf.
In der Kirche sagen wir übrigens lieber Ewigkeitssonntag. Jesus sagt in der Bibel: „Wer an meinem Wort festhält, wird in Ewigkeit nicht von Gott getrennt.“ Nicht der Tod ist das Ziel, sondern die Ewigkeit, der ewige Advent. Dafür braucht die Seele Zeit, und deshalb mag ich diese Zeit „zwischen den Jahren“ so gerne. Vielleicht ist das ganz gut, wenn der Adventskranz neben dem Trauerkranz stehen darf. Beides hat seine Zeit und seinen Platz bei Gott.
Einen guten Rutsch ins neue Kirchenjahr wünscht Ihnen Steffen Riesenberg, Pfarrer in Bottrop.
Quellen:
Bibeltext: Johannes 8,51, zitiert aus der Basisbibel
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze