Aktuelles
Vom Vierten der Heiligen Drei Könige

Beiträge auf: wdr5 

katholisch

Das Geistliche Wort | 05.01.2025 | 08:40 Uhr

Vom Vierten der Heiligen Drei Könige

Heute gibt es mancherorts abends Kuchen, einen besonderen Kuchen, den Dreikönigskuchen. Dreikönigskuchen? Heute Abend und nicht morgen? Das Dreikönigsfest, das die Kirche am 6. Januar feiert, beginnt genau genommen schon heute, mit dem Sonnenuntergang. Alle Hochfeste der Kirche fangen übrigens schon mit dem Sonnenuntergang am Vorabend an – eine alte orientalische Tradition. Und so eine Tradition ist auch der Königskuchen, ein Kuchen, in dem eine Bohne eingebacken wird. Wenn Sie einen solchen Kuchen einmal probieren wollen, finden Sie Rezepte dazu im Internet. Dazu gehört immer eine eingebackene Bohne, denn wer die in seinem Kuchenstück findet, der ist König, Freuden- oder Bohnenkönig. Er darf an einem der folgenden Tage ein Maskenfest ausrichten. Der Dreikönigsabend eröffnet darum die Fastnachts- oder Karnevalszeit. Auch wenn die Kölner schon seit dem 11. im 11. jeck sind. Aber zu Köln später mehr, natürlich. Der Dreikönigsabend jedenfalls wurde bis in das vergangene Jahrhundert auch im Rheinland und in Westfalen gefeiert, heute ist er aber noch in Teilen Europas in Gebrauch. Besonders in Frankreich ist die „Galette du Roi“[1] beliebt, der Königskuchen, aber auch in Spanien, dort heißt er Roscón de Reyes. Mein Name ist Manfred Becker-Huberti und ich habe in meinem Leben zum katholischen Brauchtum geforscht. Der Dreikönigstag liegt mir dabei besonders am Herzen.

Musik 1: Loreena McKennit, „All Souls Night” (The Visit)

Volksreligiosität und Liturgie kennen traditionell Drei Heilige Könige und wissen deren Reliquien in einem kostbaren Schrein im Kölner Dom geborgen. Von kaum jemandem bemerkt, taucht zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine angeblich „uralte russische Legende“ auf und berichtet von einem Vierten König, der mit zur Krippe ziehen wollte. Ich mag diese Geschichte, die voller Anspielungen ist. Daher nehmen wir uns doch mal die Zeit und hören hinein. Etwas gekürzt erzählt diese Legende:


Vier Könige waren aus dem Morgenland aufgebrochen, um den neugeborenen König der Menschen anzubeten. Während drei Könige Gold, Weihrauch und Myrrhe als Geschenke mitführten, hatte der vierte und jüngste drei Edelsteine von unschätzbarem Wert mitgenommen. Unbeeindruckt von Hitze und Kälte, Hunger oder Durst folgten sie einem geheimnisvollen Stern.

In keinem der Könige brannte der Wunsch, Gott zu schauen, so wie in dem jüngsten König. Er ritt als letzter, versunken in seine Sehnsucht, bis er durch ein bitteres Schluchzen aus seinen Träumen gerissen wurde. Im Dreck des Weges lag ein nacktes Kind, aus fünf Wunden blutend. Seltsam fremd war das hilflose und einsame Kind. Er hob es behutsam auf sein Pferd und brachte es vorsichtig ins nächste Dorf. Die anderen Könige hatten nichts bemerkt und folgten weiter dem Stern. Im Dorf kannte niemand das Kind, das der König schnell liebgewonnen hatte. Er gab es einer guten Frau in Pflege, der er einen seiner Edelsteine gab, damit das Leben des Kindes gesichert werde. Dann aber jagte er davon, die verlorenen Gefährten und den Stern zu suchen.

All seine Mühe war vergebens. Er fand die Drei Könige nicht, aber nach ein paar Tagen erblickte er wieder den Stern und folgte ihm. Aber seltsam, so sehr es ihn auch drängte, das königliche Kind anzubeten – die hilflose Not des Kindes hatte ihn sensibel für die menschliche Not gemacht und ließ ihn nicht mehr los.

Auf dem Weg durch eine Stadt traf er auf einen Leichenzug. Die Frau, die mit ihren Kindern dem Sarg folgte, strahlte völlige Trostlosigkeit aus und die Kinder klammerten sich verzwei-felt an ihre Mutter. Der kleine König erkannte, der Tod allein konnte solchen Schmerz nicht hervorrufen. Er erfuhr, dass die Frau und ihre Kinder vom Grab weg in die Sklaverei verkauft werden sollten, weil niemand für die Schulden der Familie aufkommen wollte. Mitleid übermannte den König. Er zog den zweiten Edelstein hervor und legte ihn in die Hand der Witwe und sagte ihr: „Bezahlt, was ihr schuldig seid. Kauft euch Haus, Hof und Land, damit ihr und eure Kinder eine Heimat haben.“ Schnell schwang er sich auf sein Pferd, um dem Stern weiter zu folgen. Aber der Stern war fort. Wochenlang forschte er vergebens. Traurigkeit befiel ihn. Zweifel quälten ihn. War er seiner Berufung untreu geworden? Angst, Gott nie mehr zu finden, zehrte an ihm. Doch eines Tages leuchtete ihm der Stern wieder und frohen Mutes zog der König weiter.

Er kam durch ein fremdes Land, in dem ein Krieg wütete. In einem Dorf hatten die Soldaten die Bauern zusammengetrieben. Sie sollten eines grausamen Todes sterben. In ihren Hütten schrien die Frauen und die Kinder wimmerten angesichts des entsetzlichen Wahnsinns. Den König packte das Grauen. Was sollte er tun? Er nahm den letzten Edelstein mit zitternden Händen, kaufte die Männer vom Tode los und die Frauen vor der Schändung. Aber mit welchem Geschenk sollte er nun dem neugeborenen König gegenübertreten?

Müde und traurig ritt er weiter. Sein Stern leuchtet ihm nicht mehr. Seine Seele war im Leid untergegangen. Wo war sein Weg? Die Not der Menschen, der er begegnete riss ihn immer wieder von seinem Ziel zurück. Er wanderte zu Fuß weiter, weil er auch Pferd verschenkt hatte. Selbst bettelnd zog er weiter. Er besaß nichts mehr.

Musik 2: Loreena McKennit, „Between the Shadows” (The Visit)

Die Geschichte vom vierten König geht weiter. Und es geht noch weiter bergab. Schließlich findet er sich wieder als Sklave auf einer Galeere. Aber seine Sehnsucht, das Kind zu sehen, strahlt immer wieder auf wie der Stern. Hören wir, wie es weiter geht.

Was er nicht zu hoffen gewagt hatte, geschah nach ungezählten Jahren eines Tages ganz plötzlich: Man schenkte ihm die Freiheit. An einer unbekannten Küste wurde er ausgesetzt. Eine innere Stimme riet ihm: „Eile dich, eile!“ Er brach noch in der Nacht auf und, oh Wunder, der Stern leuchtete wieder vor ihm auf und er glänzte rot wie die Sonne am Abend.

Er kam in eine fremde Stadt, die vor aufgeregten Menschen pulsierte. Die Menge riss ihn mit aus der Stadt hinaus. Angst schnürte ihm die Brust zu. Auf einem Hügel ragten drei Pfähle empor. Der Stern blieb über dem mittleren Pfahl stehen, leuchtete noch einmal auf – es war, als schrie der Stern – und war erloschen.

Da traf ihn der Blick des Menschen, der da an den Pfahl genagelt war. Alles Leid, alle Qual der Erde lagen in diesem Blick. Aber auch alle Güte und grenzenlose Liebe. Trotz aller Entstellungen durch Schmerz war seiner Erscheinung voller Würde.


Wie ein Blitz erschütterte den König die plötzliche Erkenntnis: Das ist der König der Menschen, der Gott, der Heiland der Welt, nach dem ich gesucht habe, nach ihm habe ich mich in Sehnsucht verzehrt. Und der kleine König erkannte: Er war es, dem ich in allen Hilflosen in ihrer Not begegnet bin. Ihm habe ich gedient, indem ich den Gequälten und Überforderten geholfen habe.


Er sank unter dem Kreuz auf die Knie. Was hatte er dem Herrn der Welt zu bringen? Nichts! Er streckte ihm seine leeren Hände entgegen. Da fielen ihm drei dunkelrote Tropfen des Blutes vom Gekreuzigten auf die Hände. Sie leuchteten mehr als jeder Edelstein.


Ein Schrei durchschnitt die Luft. Der Gekreuzigte neigte seinen Kopf und starb. Zeitgleich brach unter dem Kreuz der König tot zusammen. Seine Hände umschlossen die aufgefangenen Bluttropfen. Noch im Tod schaute er auf den Heiland am Kreuz.


Musik 3: Loreena McKennit, „The Lady of Shalott” (The Visit)

Nanu, wird sicher die eine oder der andere Zuhörer staunen. Vier Könige? Will uns der Mann da im Radio verulken? Wir wissen doch genau: Vor 860 Jahren, am 23. Juli 1164, hat der Kölner Erzbischof Rainald von Dassel die Gebeine der Heiligen Drei Könige von Mailand nach Köln gebracht. Nun ja, genauer hat er die Skelette von drei Männern mit sich geführt, die als Heilige Drei Könige galten. Seit einer Schrein-Öffnung im Jahr 1864 wissen wir: Es sind das Skelett eines zirka 12-jährigen Jungen und die Skelette eines etwa 30-jährigen und eines etwa 50-jährigen Mannes, alle eingeschlagen in kostbarsten syrischen Blöckchendamast aus dem 1. bis 4. Jahrhundert. Dennoch: Beweise für die Echtheit der Gebeine gibt es ebenso wenig wie Beweise für das Gegenteil. Es gilt aber: Mit diesen Reliquien ist die jahrhundertelange Verehrung der Drei Weisen verknüpft.

Im Lauf der Jahrhunderte haben die Menschen sich die Geschichte der Drei Weisen ausgemalt: Sie machten sie zu Königen, weil im Alten Testament die Rede davon war, dass Könige Geschenke bringen, sie erfanden die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar. Und sie wurden den drei Altersstufen des Menschen und die damals bekannten Erdteile Europa, Afrika und Asien zugeordnet.

Und natürlich haben Menschen immer wieder einmal gezweifelt, ob es wirklich drei Personen waren. So gibt es auch Darstellungen mit vier und bis zu zwölf Heiligen Königen. Die kostbarste Darstellung von vier Königen gibt es übrigens auf dem Kölner Dreikönigsschrein selbst. Der damalige Gegenkönig, der Welfe Philipp IV., hat sich hinter den Heiligen Drei Königen bei der Verehrung des neugeborenen Königs darstellen lassen, weil er für diesen Teil des Schreins das Gold gestiftet hatte. Und in Italien ist der vierte König eine Königin, nämlich die Dreikönigshexe Befana, die am Dreikönigsabend die Kinder beschenkt.

Wir wissen über die Weisen aus dem Osten nur wenig mehr als das Mittelalter, aber doch so viel mehr, dass wir sagen können: Es waren keine Magier im heutigen Wortsinn, sondern eher gebildete, astronomisch versierte Priester aus der alten Mederstadt Ekbatana, die dem Priesterstamm der Magi angehörten und wahrscheinlich Zoroaster verehrten. Sie haben die etwa 1.000 km lange Reise vom damaligen Persien nach Bethlehem unternommen.

Musik 4: Loreena McKennit, „Tango to Evora” (The Visit)

Doch zurück zum „Vierten König“. Inzwischen wurde geklärt: Die vermeintlich uralte russische Legende wurde 1895 in Amerika verfasst. Ihr genialer Autor war ein presbyterianischer Pfarrer, zugleich Literaturprofessor, Autor und Diplomat, Henry van Dyke. „The other wise man“ nannte er seinen Vierten König. Die Idee dazu sei wie ein Traum über ihn gekommen, hat er einmal gesagt. Verfasst hat er eine literarische Fiktion, ein Modell für das Christsein heute und morgen, ein highway to heaven. Und weil die Idee van Dykes so überzeugend ist, hat sie Nachahmer gefunden, die sie als Roman, Legende, Musical oder Kinderbuch neugestaltet haben.

Der Vierte König ist von einem ganz anderen Schlag als die Heiligen Drei Könige, die sich vor ihm zur Krippe aufgemacht haben. Ihn hat pausenlos und ein Leben lang die Nächstenliebe aufgehalten. Ihn hat das Schicksal seiner Mitmenschen so berührt, dass er immer wieder helfen musste. Die Geschenke für das Christkind hat er dabei ausgegeben, schließlich sich selbst geopfert, um einer Familie den Vater zu erhalten. Am Kreuz in Jerusalem erkennt er den, nach dem er gesucht hatte und die drei Blutstropfen Jesu, die in seine Hand fallen und wie die vom kleinen König verschenkten drei Rubine aussahen, lassen ihn erfahren: es war richtig, Nächstenliebe zu praktizieren. Denn die Nächstenliebe geht der Gottesliebe vor. Im hilfsbedürftigen Nächsten begegne ich Gott.

Musik 5: Loreena McKennit, „Cymbeline” (The Visit)

Die Nächstenliebe geht der Gottesliebe vor: Diese Haltung deckt sich ziemlich gut mit dem Maßstab, den Jesus anlegt, um das Himmelreich zu erlangen. Die im Matthäusevangelium genannten Werke der leiblichen Barmherzigkeit (Mt 25, 34-46) und die später dazugekommen Werke der geistigen Barmherzigkeit, sind der Königsweg in den Himmel. Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte kleiden, Kranke pflegen, Gefangene besuchen und Tote bestatten sind aber nicht abzuarbeitende Pflichten, sondern Liebestaten an Geschwistern. So auch die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit: Irrende zurechtweisen, Unwissende lehren, Zweifelnde recht raten, Trauernde trösten, Lästige geduldig ertragen, denen, die uns beleidigen, gern verzeihen und für Lebende und Tote zu beten. Der legendäre Vierte König der Heiligen Drei Könige, ist Vorbild für die Nachfolge Christi. Er lädt ein, nicht einfach nach hinten zu schauen, sondern nach vorn, unserem Stern zu folgen, zu leben, wie Christus uns gemeint hat: liebevoll, geschwisterlich, hilfsbereit, uneigennützig. Wenn das keinen Versuch wert ist!


Musik 6: Loreena McKennit, „The old ways” (The Visit)



Mein Name ist Manfred Becker-Huberti und ich wünsche Ihnen für Ihren Highway to heaven Gottes Segen – und das nicht nur für diese Woche.


[1] https://www.france.fr/de/artikel/heilige-drei-koenige/#epiphania-und-die-heiligen-drei-konige-1

katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
evangelisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen
katholisch
Abspielen