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Kirche in WDR 5 | 21.12.2024 | 06:55 Uhr
Wunsch frei
„Was wünschst Du Dir denn zu Weihnachten?“ fragt mich meine Frau. Ich weiß, dass sie immer schon selbst Ideen hat, aber für alle Fälle werde ich auch gefragt. Dabei fällt mir das Wünschen mittlerweile wirklich schwer. Es gibt da schon das ein oder andere Buch oder Musikalien. Und viele kleinere Wünsche erfülle ich mir selbst schon mal zwischendurch. Früher war das nicht so. Als Kind hatte ich haufenweise Wünsche. Die meisten waren im dicken Quelle-Katalog dokumentiert. Und meinen Töchtern heute fällt das mit dem Wünschen auch leicht. Ständig neue Links in der Familiengruppe, die zu ersehnten Produkten führen. Während ich also über einen richtig guten Wunsch für mich nachdenke, muss ich gleichzeitig auswählen, welcher Wunsch für meine Töchter gerade der wichtigste sein könnte. Äußerst knifflig – das mit dem Wünschen.
„Geh’ mir nur ein wenig aus der Sonne!“ Diogenes tut sich da wesentlich leichter. Denn dies ist der einzige Wunsch, den er hat, als er so ziemlich alles haben kann. Diogenes lebt vor ca. 2400 Jahren als Philosoph in Sinope, an der türkischen Schwarzmeerküste. Schon zu Lebzeiten ist er überall bekannt, vor allem deswegen, weil er auf so ziemlich alles verzichtet. Die Leute hält er mit provokanten Aktionen in Atem. Ein Performance-Künstler der Antike, ein Asket, der es ablehnt, sich mit unnützen Dingen zu beschäftigen. Diogenes braucht eigentlich nur etwas zu essen und trinken. Als er einmal ein Kind sieht, das mit hohlen Händen Wasser zum Trinken schöpft, wirft er seinen Becher weg und ruft: „Ich habe meinen Meister gefunden!“ Auf Kleidung legt er schon gar keinen Wert. Und sein Haus ist der Legende nach eine leere Tonne.
Und dann kommt der Tag, an dem er so ziemlich alles haben kann. Der mächtigste Mann seiner Zeit, Alexander der Große, kommt zu ihm, weil er unbedingt den berühmten Philosophen treffen will. Diogenes aber ist das egal. Alexander, Herrscher über ein riesiges Weltreich, fragt ihn, ob er irgendeinen Wunsch hat, den er ihm erfüllen kann. Mir persönlich fielen da direkt ein paar Dinge ein, aber Diogenes sagt schlicht: „Geh’ mir nur ein wenig aus der Sonne!“
Das gefällt mir. Nur dieser eine Wunsch. Und er passt in den Advent, wo ich so viele Wünsche erfüllen möchte. Dabei wäre den meisten Menschen um mich herum vermutlich schon geholfen, wenn ich ihnen nicht in der Sonne stehe, ihnen also nicht auf die Nerven gehe, sondern freundlich und wohlwollend mit ihren Bedürfnissen umgehe.
Diogenes hat auch viele äußerst merkwürdige Dinge getan, aber eine zweite berühmte Geschichte von Diogenes gehört für mich auch noch in den Advent. Ab und an ging er wohl am helllichten Tag mit einer Laterne durch die Stadt, als ob er etwas suchen würde. Die meisten Leute schüttelten den Kopf und gingen weiter. Aber wenn ihn jemand fragte, was er denn suche, sagte er: „Ich suche einen Menschen, einen wahrhaft guten und weisen Menschen.“
Für mich auch eine Adventsgeschichte. Im Advent suche ich auch einen solchen Menschen. Und ich werde ihn in einer Krippe finden.
Darauf freut sich Ihr Christoph Buysch aus Krefeld.