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Kirche in WDR 5 | 15.02.2025 | 07:55 Uhr
Stille-Zeit
Die Welt dröhnt gerade so laut. Heute ist Samstag und im Judentum ist der Shabbat ein Tag der Stille. Im letzten Herbst habe ich die Stille noch mal ganz neu für mich entdeckt. Da war ich eine Woche lang in einem Exerzitienhaus am Niederrhein, in einem kleinen Ort direkt vor der holländischen Grenze. ‚Exerzitien‘ – so heißen in der christlichen Tradition die spirituellen Übungen, bei denen wir uns einüben in einer neuen Kontaktaufnahme mit Gott und mit uns selbst. Oft dauern diese Exerzitien mehrere Tage.
Eine Woche also hatte ich Zeit für mich, aber auch für die Gemeinschaft mit anderen Christen und für Gott. Jeder Tag war klar strukturiert: ein gemeinsamer Morgengottesdienst, regelmäßige Essenszeiten und viel Raum für persönliches Gebet und Meditation, aber auch für ausgedehnte Spaziergänge durch den herbstlichen Wald mit seinen bunten Blättern. Und wir haben auch praktisch mitgeholfen beim Laubharken im großen Garten.
In dieser Woche hatte die Stille das Sagen. Gleich nach meiner Ankunft wurde ich freundlich darauf hingewiesen, dass im Haus nicht gesprochen werden solle. Eine Woche zu schweigen war erst mal herausfordernd, gerade für mich als Lehrer. Und doch kam ich ganz gut in den Rhythmus. Es war aber nicht nur die äußere Stille – in der Natur, im Meditationsraum oder auch in der Gemeinschaft, in der wir die Mahlzeiten im Schweigen einnahmen. Es war vor allem die innere Stille, die mir in diesen Tagen so wichtig wurde.
In der Stille, in der ich nicht von äußeren Reizen überflutet wurde, hatte ich plötzlich Raum, um auch innerlich still zu werden und auf mich selbst zu hören. Die Stille führte mich zu größerer Achtsamkeit. Ich konnte die einfachen Dinge wieder bewusst genießen: die frische und klare Luft, das schmackhafte Essen, die Bäume mit ihren bunten Blättern, und an einem Abend sah ich einen funkelnden Sternenhimmel, unter dem ich mich klein und gleichzeitig groß fühlte.
Ich wurde in diesen Tagen sehr dankbar für die intensive Wahrnehmung von Dingen, die mir sonst selbstverständlich erscheinen, und die doch nicht selbstverständlich sind. In der Hektik des Alltags übersehe ich vieles. Hier nahm ich mich selbst viel bewusster wahr, meine inneren Gedanken, meine Sehnsüchte und Träume.
Ich wurde während meiner Exerzitien von einem Jesuitenpater begleitet. Und Pater Köst gab mir folgenden Impuls: „Die Stille ist der Raum, in dem wir zu uns selbst kommen, und der Ort, an dem Gott uns begegnen kann.“
Tief in mir durfte ich Gottes Stimme wahrnehmen. Sie zeigt sich nicht immer in lauten Worten, sondern oft in einem leisen Flüstern, in einem Moment der Besinnung, in einer stillen Eingebung. Stille bedeutet nicht nur Abwesenheit von Lärm. Sie ist eine Einladung, die Welt und mich selbst und in mir auch Gott tiefer zu erkennen. Ich durfte erfahren, was Psalm 62 so formuliert: „Bei Gott wird ruhig meine Seele, von ihm kommt mir Rettung.“ (Ps 62,2)
In einer Welt, die immer lauter und hektischer wird, sind Zeiten der Stille ein wertvolles Geschenk. Auch heute werde ich wieder nach dem Moment Ausschau halten, an dem ich innerlich zur Ruhe kommen kann. Ein Moment, um eine Pause einzulegen, die Gedanken zu ordnen und einfach dankbar im Augenblick zu leben.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten und ruhigen Tag! Ihr Pastor Achim Hoppe aus Paderborn