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Kirche in WDR 5 | 25.02.2025 | 06:55 Uhr
dominikanisch-demokratisch
Natürlich beschäftigt auch
heute das Wahlergebnis von Sonntag. Klar ist, wer in den Bundestag einzieht und
wer nicht. Klären muss sich jetzt, wer mit wem regiert. Die letzte Koalition
ist bekanntlich daran zerbrochen, dass die Parteien irgendwann nicht mehr
miteinander konnten. Stehen wir jetzt wieder vor einer unmöglichen Koalition?
Ich bin Dominikanerin. Und das Zusammenleben in einem Orden ist im Grunde auch
so etwas wie eine lebenslange Koalition. Mehr noch:
als Dominikanerin möchte ich etwas Hoffnung
machen, dass es möglich ist, miteinander Koalitionen zu bilden, die gemeinsam handlungsfähig
sind.
In der dominikanischen
Spiritualität wurde nämlich schon im 13. Jahrhundert so etwas wie Demokratie
vorgelebt. Es gab einen von allen gewählten Prior, der für eine bestimmte
Amtszeit die Leitung einer Gemeinschaft übernahm. Ihm zur Seite jedoch standen
Brüder, die ihn berieten und verschiedene Bereiche des alltäglichen Lebens
regelten. Der Verantwortliche für die Ordensausbildung, den für die Finanzen
und den für die Kirchlichen Angelegenheiten. Und nach der Amtszeit durfte der
Chef nur einmal wiedergewählt werden. In Ausnahmefällen gab es auch eine dritte
Amtsperiode. Allein schon, weil sich ein Prior nie „festsetzen“ konnte, war
der Prior bei uns Dominikanern immer „Gleicher
unter Gleichen“. Sehr wichtig. Im Gegensatz zu den benediktinischen Klöstern,
in denen die Obersten auf Lebenszeit regieren durften und sich mitunter
geschmückt haben mit dicken goldenen Kreuzen, Mitras und Hirtenstäben. Wir
DominikanerInnen wollten nie einen Herrscher oder Herrscherin, unser
Ordensleben ist
von Anfang anders
aufgestellt. Einfach soll es bleiben – ein Bettelorden, der durch seine Predigt
und sein Gebet Gott in die Welt bringen will. Neu im dominikanischen war auch
die Art der Entscheidungsfindung und die Auffassung des Gehorsams. Bei den
Dominikanern und Dominikanerinnen geht es um einen Konsens und um den
dialogischen Gehorsam. Niemand muss blind gehorchen, alle werden bei
Entscheidungen gefragt. Das bedeutet, dass so lange diskutiert wird, bis ALLE
die Entscheidung mittragen können bzw. eine deutliche Mehrheit gefunden wird.
Und wenn es schon in früheren Zeiten um Angelegenheiten ging, die den ganzen
Orden betreffen, dann kamen bei den großen Ordenskapiteln oft hunderte von
Mitbrüdern zusammen. Da hat es oft gedauert bis man einen Beschluss fassen
konnte. Kein einfacher Weg, aber einer, der unglaublich Kraft entwickeln kann,
wenn er begangen wird.
In der Politik ist das nicht
anders. Und auch da ist es möglich, eine Kraft zu entwickeln.
Man kann gut miteinander regieren, wenn alle
ein gemeinsames Ziel vor Augen haben. In unserem Orden ist es klar: die
Nachfolge Jesu und die Frage: was braucht Gott von uns in dieser Welt?
Was aber ist das gemeinsame
Ziel in der Politik? Eigentlich auch
klar: Das Wohl des Volkes, so wie es in den
Amtseiden der Regierenden hierzulande geschworen wird. Und dass man sowohl über
das Eine – also den Willen Gottes, als auch über das Wohl des Volkes
diskutieren kann und unterschiedlicher Meinung sein kann, ist ja klar. Aber was
für ein Reichtum, wenn dieses eben unterschiedlich beleuchtet und von allen
Seiten diskutiert wird. Demokratie und Koalition ist ein echtes Geschenk.
Im Orden leben wir nicht miteinander, weil wir uns so toll finden oder weil wir in irgendeiner Weise eine Liebesbeziehung leben. Wir leben zusammen, weil wir eine gemeinsame Berufung haben. Und das möchte ich auch mal jedem politisch motivierten Menschen zusprechen.
Sich auf die gemeinsame Berufung zu konzentrieren, das wünsche ich den neu gewählten Abgeordneten. Sich auf die Gemeinsamkeit berufen, dieses Land vor Schaden zu bewahren und den Wert eines jedes Menschen zu schätzen. Die Würde des Menschen ist unantastbar! Darin sind sich hoffentlich alle einig. Das gilt es zu schützen.
Koalition als Chance und Segen – dass hat sich in unserem Orden schon seit über 800 Jahren bewährt.
Hoffnungsfrohes Wünsche an uns alle, Sr. Jordana – Dominikanerin in Krefeld.