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Kirche in WDR 5 | 03.03.2025 | 06:55 Uhr
Freude
Alaaf und Helau!
Heute ist Rosenmontag – ein Tag, der für mich als Mitglied der Roten Funken in Köln immer ein besonderer Tag ist. Der Rosenmontagszug ist ein Erlebnis, das mich jedes Jahr aufs Neue begeistert. Gleich ziehen wir in unseren traditionellen Uniformen durch die Straßen, die Musik, die jubelnden Menschen, die bunten Farben – es ist ein Tag voller Leben, voller Freude.
Vom letzten Jahr ist mir ein Moment besonders im Gedächtnis geblieben: Während des Zuges werfe ich Kamelle zu einer kleinen Gruppe Kinder, die ausgelassen feiern. Mitten im Trubel ruft mir einer der Jungs zu: „Danke, Du bist der Beste!“ Sein Lächeln ist so ansteckend, dass ich kurz stehenbleibe. Ich schaue ihm in die Augen und sage: „Nein, ihr seid die Besten!“ In diesem Moment ist alles andere vergessen: die Kälte des Tages, die Müdigkeit vom frühen Aufstehen – alles wird überstrahlt von der Freude dieses Kindes.
Doch ich weiß, dass nicht jeder diese Freude teilt. Für viele ist der Karneval eine schöne Tradition, für andere ist er nur eine Fußnote im Kalender. Vielleicht gehören Sie zu denen, die vor dem Karneval fliehen, die die Tage lieber ruhig angehen lassen. Und das ist völlig in Ordnung. Freude hat viele Gesichter.
In der Bibel heißt es im Buch der Sprichwörter: „Ein fröhliches Herz ist die beste Medizin.“ (Die Bibel, Sprüche 17,22) Freude sieht manchmal aus wie Konfettiregen und Kamelle mitten im bunten Karnevalstrubel. Oder sie liegt in den kleinen, stillen Momenten: dem ersten Vogelgesang am Morgen, dem warmen Kakao nach einer Schneewanderung oder dem ehrlichen Lächeln eines geliebten Menschen. Freude ist universell, und sie erreicht uns auf ganz unterschiedliche Weise.
Karneval zeigt mir jedes Jahr, wie viel Kraft in der Gemeinschaft liegt. Auf den Straßen Kölns spielt es keine Rolle, woher man kommt, wie alt man ist oder was einen sonst voneinander trennt. Für diesen einen Moment feiern wir alle zusammen. Aber die Gemeinschaft, die Freude und das Miteinander hören nicht mit dem Ende des Karnevals auf. Sie sind auch in meinem Alltag wichtig – vielleicht sogar noch mehr.
Gott lädt mich ein, diese Freude zu entdecken und zu teilen. Sie ist ein Geschenk, das uns allen zusteht, unabhängig davon, ob wir Karneval feiern oder nicht. Und sie braucht keine Bühne, keine Kamelle, keine Musik. Ein kleines Lächeln, ein „Danke, Du bist der Beste“, ein Zeichen der Wertschätzung – all das sind Momente, in denen ich mich freuen kann.
Vielleicht ist das die Einladung dieses Rosenmontages, ob Sie nun Karneval feiern oder nicht: Halten Sie Ausschau nach den Momenten der Freude, die Sie berühren. Sie können leise sein oder laut, in Pastell oder grellbunt, kurz oder bleibend – aber sie haben eines gemeinsam: Sie verbinden mich. Mit dem, was die Freude auslöst und mit denen, die sich mit mir freuen. Mit dem Kind zum Beispiel, das sich wie verrückt über die Kamelle freut und mir ein Lächeln zurückschenkt. Ein Kreislauf der Freude. Ich begegne anderen mit offenem Herzen und teile die Funken der Hoffnung – und die springen auf andere über. So breitet sich die Freude aus.
Und noch eins: In der Bibel steht außerdem: Wo Freude ist, da ist auch Gott. Alles in allem die beste Medizin.
Alaaf und Helau!
Ihr Pfarrer Oliver Kießig aus Köln.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze