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Hässliche Schönheit
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Kirche in WDR 5 | 25.03.2025 | 06:55 Uhr

Hässliche Schönheit

Schon lange hat mich Kunst in einer Kirche nicht mehr so beeindruckt wie das Fastentuch, das noch bis Ostern in der Kölner Kirche St. Gereon hängt.

Früher waren Fastentücher in Kirchen Gang und gäbe. Hier und da finden sich noch heute welche. Das Fastentuch, das gerade in St. Gereon hängt, das hat der Künstler Jakob Kirchmayr aus Österreich geschaffen. In diesem wunderschönen, uralten, lichten Kirchraum hängt es – ich kann es nicht anders sagen – wie ein alter Lappen.

Hässlich. Monströs hängt es sich mir da von der Decke entgegen: die Stoffbahnen erdig, löchrig, zerschlissen und verbrannt.

Für sein Kunstwerk hat Jakob Kirchmayr 140 Quadratmeter Baumwollstoff zerteilt, mit Asche, Erde und Kohle bearbeitet, geräuchert, dem Feuer und Regen ausgesetzt. Die Stofffetzen hat er wieder und wieder zusammengenäht und geknittert. Ich sitze eine Weile in der Kirchenbank und kann nur starren, während in meinem Kopf die Gedanken rattern.

Dieses Zerschlissene, die Brandspuren, der Dreck dieses Fastentuchs: ich sehe darin die zerschlissenen Schlafsäcke und Decken, mit denen sich die Obdachlosen rund um den Kölner Hauptbahnhof zudecken, morgens auf meinem Weg zum WDR. Ich sehe darin die Leichensäcke in Gaza, die zerfetzen Uniformen in der Ukraine und sonst wo auf der Welt.

Ich sehe darin meine eigene Existenz, in der ich mich immer wieder mal fühle wie ein alter Lappen. An den Tagen, an denen ich nichts Schönes an mir entdecken kann – weder in meinem Spiegelbild, noch wenn ich in den Spiegel meiner Seele blicke.

Es gehört zur Fastenzeit, diesen Blick einmal zuzulassen. Es geht in der Fastenzeit nicht nur ums Abnehmen, ums Verzichten. Es geht darum, sich zu ertragen: schonungslos. Ausgeliefert. Zerschlissen. Das Fastentuch von St. Gereon zeigt mir dafür die Richtung.

Das Tuch verhüllt einerseits den Blick aufs Kreuz. Damit taten Fastentücher schon zu früheren Zeiten das, was der Aktionskünstler Christo dann noch mal im ganz großen Stil gemacht hatte: im Verhüllen das Verhüllte mehr und neu in den Blick zu nehmen. Im Sommer ist das 30 Jahre her, dass Christo den Reichstag verhüllte. Damit belebte er unser Parlamentsgebäude nach Krieg und Deutscher Teilung neu.

Andererseits verhüllt das Fastentuch aber nicht nur den Blick aufs Kreuz, es führt auch all das Zerschunden-Zerschlissene dem vor Augen, der am Kreuz hängt: Jesus selbst – und zwar ganz nah wie selten sonst. Das ist mir klar geworden, als ich mich nach einer Weile aus der Bank löste, um mir das Tuch genauer anzusehen. Denn da blinzelte mir der Kopf des Gekreuzigten durch eines der Löcher unmittelbar entgegen. Ich erspähte, wie diese Hässlichkeit sich nicht nur mir hingehalten hat, sondern auch ihm: Mir nur für den Moment meines Besuchs im Kirchenraum, dem Gekreuzigten für die ganze Fastenzeit. Und so habe ich fast körperlich noch mal neu gespürt, was es heißt, wenn ich als Christ daran glaube, dass mein Religionsstifter all das Hässliche, Geschundene, Zerfetzte ultimativ an sich herangelassen hat – spätestens, als er am Kreuz hing. Als er, ich kann es nicht anders sagen, als er selbst dort hing wie ein alter Lappen.

Und nachdem ich mich diesem Fastentuch eine Weile ausgesetzt hatte, fragte ich mich: Wie kann etwas derart Hässliches gleichzeitig nur so eine Schönheit besitzen?

Und damit bin ich vielleicht einmal mehr der Schönheit des Glaubens auf die Spur gekommen. Einer Schönheit, die mir hilft, das Leben zu verstehen. In Worten ist das oft schwer zu fassen. Daher will ich das hier erst gar nicht versuchen. Aber manchmal scheint es auf in etwas, wie dem Fastentuch in St. Gereon in Köln.

Von dort grüßt Sie Klaus Nelißen

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