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Kirche in WDR 5 | 08.04.2025 | 06:55 Uhr
Unperfekt
Und wenn ich an meinen
Perfektionismus denke, erinnere ich mich noch allzu gut an einen Frühlingstag
vor einem Jahr. Da war Ostern schon vorbei. Das war der Abend vor der
Erstkommunion unserer Tochter. Ich saß völlig gestresst im Auto vor der
Volksbank in Ostbevern. Mein Mann und ich hatten einen Dauerlauf hingelegt für
ein perfektes Fest. Sogar meine Eltern und Schwiegereltern hatten mit
angepackt.
Wir wohnen auf einem alten
Hof mit unseren drei Kindern – da ist vor dem Fest jede Hilfe willkommen. Und
so kam es dann auch. Meine Mutter kümmerte sich am Nachmittag um die Blumen und
Dekoration, meine Schwiegermutter putzte noch schnell die 12 Scheunenfenster,
die man sieht, wenn man auf den Hof fährt. Unsere Väter machten sich im Garten
nützlich und wienerten den Grill. Eigentlich ein schöner Moment, um auch mal
zusammen zu sitzen. Aber: Immer kam was dazwischen. Unser Jüngster hatte seine
Schuhe im Kindergarten vergessen. Unsere Älteste hüpfte vor Aufregung den
ganzen Nachmittag wie ein Flummi und unser Mittlerer war von dieser Art
Aufregung erwartbar genervt. Der ganz normale Wahnsinn. Und immer ist uns noch
was aufgefallen, um es noch perfekter zu machen: Warum ist die Scheune
eigentlich so rummelig. Welche Spange soll bei der Großen eigentlich morgen ins
Haar? Wo war die noch gleich?
Wenn ich nur darüber rede, steigt heute noch mein Puls. Ist das nicht wirklich verrückt? Also in diesem Zustand saß ich an jenem Frühlingsabend vor der Volksbank und legte meinen Kopf für einen ganz kurzen Moment aufs Lenkrad. Ich war fertig.
Und dann sah ich
eine fröhliche Gesellschaft gegenüber der Bankfiliale
. Eine Familie saß auf dem Bürgersteig mit einfachen weißen Plastikstühlen und
Tee. Die Kinder flitzten glücklich hin und her und die Eltern und Großeltern
saßen in der Abendsonne und unterhielten sich. Kein Garten, keine Blumen, kein
Essen – nicht mal einen Stuhl hatte jeder und sie wirkten wirklich glücklich. Und
da hatte es bei mir „klick“ gemacht. Ich bin sofort nach Hause gefahren und
habe alles gestoppt. All den Stress für die perfekte Feier. Denn flöten
gegangen war uns das Gemeinsame. Und ich bin so dankbar für meine Eingebung.
Denn: So hatten wir ihn auch – einen gemeinsamen Moment mit leckeren Getränken
in der Abendsonne. Und die Pause war sogar richtig effektiv:
Im Anschluss wurde nur noch das Wichtigste
gemacht. Der Jüngste hat am nächsten Morgen einfach Sandalen angezogen, die
Spange für die Große blieb verschwunden und die obersten Scheunenfenster wurden
nicht mehr geputzt – in 5 Metern Höhe fällt das auch wirklich keinem auf.
Später am Abend musste ich an den Bibeltext denken, den mein Mann und ich uns bewusst für unsere Hochzeit damals ausgesucht hatten. Darin erzählt Jesus darüber, dass wir uns um Äußeres nicht so viele Sorgen machen sollen.
„Seht euch die Vögel des
Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in
Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als
sie? Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine
Spanne verlängern?“ (Mt 6,26 f)
Ich mag diesen Text nach wie vor, „unseren“ Text, mit dem wir den Bund fürs Leben geschlossen hatten. Er hilft mir, das richtige Maß zu finden. Darüber nachzudenken, was mir im Leben wirklich wesentlich wichtig ist.
Dienstag ist doch der perfekte Tag, um sich über das Unperfekte Gedanken zu machen: Was macht das Leben perfekt? Ist es nicht manchmal das Unperfekte?
Ich wünsche ihnen und mir heute einen Tag, an dem wir viele Momente genießen können, die uns wesentlich wichtig sind. Es grüßt von der Loburg in Ostbevern, Franzis Niehoff