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Kirche in WDR 5 | 12.04.2025 | 07:55 Uhr
Gagarins Traum
108 Minuten haben Juri Gagarin
zur Legende gemacht. Heute vor genau 64 Jahren war das. Ihm ist unglaubliches
gelungen: Er war als erster Mensch im All und hat die Erde umrundet. Am
interessantesten finde ich: sein Lebenslauf deutet absolut nicht darauf hin,
dass ihm das einmal gelingen sollte. Juri Gagarin ist in einfachen
Verhältnissen aufgewachsen. Geboren wird er 1934 in einem kleinen Bauerndorf in
der Nähe von Moskau. Sein Vater ist Tischler, seine Mutter Melkerin. Die Schule
muss er – wie viele seiner Freunde – im Zweiten Weltkrieg durch die Besetzung
der Deutschen unterbrechen. Also macht er eine Ausbildung zum Gießer. Seine
Kollegen denken natürlich nicht im Traum daran,
dass sie mit dem Mann zusammen arbeiten, der mal als erster Mensch ins All
fliegt. Erst seine Ausbildung zum Kampfpiloten bringt ihn in die engere Auswahl
und später tatsächlich ins Weltall. Gagarin trainiert ein Jahr lang hart für
das geheime Projekt des ersten menschlichen Flugs ins Weltall. Schließlich beginnt
die Reise, von der Generationen vor ihm geträumt hatten. Der Traum wird wahr.
Gagarin durchbricht die Grenzen der Erdatmosphäre und sieht heute vor 64 Jahren
unseren blauen Planeten aus einer Perspektive, die vor ihm noch kein Mensch
einnehmen konnte.
In der DDR wurde oft in
Schulen gesagt: „Juri Gagarin war im All und er hat keinen Gott gesehen.“ Ob
Gagarin wirklich als Kronzeuge für den Atheismus gilt? Jedenfalls erinnert mich
tatsächlich der Traum von Gagarin an die Schülerinnen und Schüler, die jedes
Jahr bei uns an der Schule ihr Abitur feiern. Wir sind ein katholisches
Gymnasium im Münsterland und daher beginnt die Abiturfeier, hier auf der
Loburg, mit einem Gottesdienst. Die Abiturientinnen und Abiturienten haben oft
einen ganz speziellen Wunsch an Gott: Hilf uns, unsere Träume zu verwirklichen.
Wie selbstverständlich traut man dieses Gebet der Abi-Generation
zu. Aber im Gottesdienst sitzen auch Eltern,
die ihre Kinder aus dem Haus gehen sehen und Großeltern, die sich vielleicht
fragen, wie lange sie ihre Enkelkinder noch begleiten können. Haben sie noch
Träume? Ich habe mich das an diesem Tag in der Kirche gefragt. Ich glaube auch
die Älteren dürfen noch Träume haben. Vielleicht gerade in diesem Moment, wo
die Kinder und Jugendlichen einen nicht mehr so stark brauchen wie noch in der
Vergangenheit. Vielleicht erinnert sich auch der ein oder andere an seine
eigenen Träume, als er die Schule verlassen hat und die Zukunft noch so ganz
offen vor einem lag.
Klar je älter ich werde, desto mehr Entscheidungen habe ich schon getroffen. Manches ist vielleicht in höherem Alter körperlich nicht mehr möglich, aber ich bin überzeugt, dass mancher Traum auch daran zerplatzt, dass wir uns selbst zu stark begrenzen. Jedes Jahr ist dabei der Abigottesdienst wie eine Erinnerung an mich selbst: Gott hilf mir meine Träume zu verwirklichen. Nicht zu klein zu denken von mir und vom Leben.
Was ist ihr Traum? Ich wünsche Ihnen von Herzen heute Mut – ihn anzupacken. Es grüßt von der Loburg in Ostbevern ihre Franzis Niehoff.