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Kirche in WDR 5 | 19.04.2025 | 07:55 Uhr
Karsamstagsmenschen
Guten Morgen!
Der heutige Samstag ist für Christinnen und Christen ein Tag „dazwischen“: zwischen Karfreitag und Ostern, zwischen Kreuzigung und Auferstehung, zwischen Trauer und Freude. Ein Tag scheinbar ohne eigene Bedeutung. Genau richtig also, um diese Zwischenzeit praktisch zu nutzen und allerlei zu erledigen: einkaufen, Eier färben, Osterbrot backen, Blumenschmuck besorgen, Holz für das Osterfeuer zusammenlegen, Ostergottesdienste vorbereiten – und was sonst noch alles getan werden muss, damit Ostern werden kann. Heute, am Karsamstag, ist aber noch nicht Ostern.
Der katholische Theologe Johann Baptist Metz, der vor knapp fünf Jahren in Münster gestorben ist, hat einmal gesagt: „Wir sind Karsamstagsmenschen. Menschen, die in einem ganz zeitlichen Sinn noch etwas zu erwarten haben, nicht nur für uns selbst, sondern auch für die Anderen, für die Menschheit.“ (1) Mit anderen Worten: Der heutige Tag „dazwischen“ ist nicht einfach ein Übergang. Der heutige Tag hat es in sich. Er beschreibt das Leben von Christen. Das Leben von Menschen, die noch etwas zu erwarten haben – auch für die Anderen, für die Menschheit. Täglich erfahren wir die Macht des Todes und der Vergänglichkeit, mit all ihren grausamen Spielarten. Der Karfreitag - der Tod Jesu am Kreuz - sitzt uns buchstäblich im Nacken. Zugleich strecken wir uns aus nach der tiefen Gewissheit, die seit der Auferstehung Jesu Christi in der Welt ist: Das Leben hat gesiegt, es wird stärker sein als jeder Tod. Ostern ist aber erst morgen. Der ungetrübte Osterjubel erfüllt unser Leben heute noch nicht. Das christliche Leben spielt sich ab zwischen Todesschrecken und Lebensfreude. Nicht nur heute, sondern Tag für Tag. Ja, wir sind „Karsamstagsmenschen“.
Der Apostel Paulus sagt das so: „Wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr. Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht? Wir aber hoffen auf das, was wir noch nicht sehen. Darum müssen wir geduldig warten.“ (2)
„Geduldig warten“: Das kann nach ergebenem Aussitzen klingen, mit gefalteten Händen im Schoß und einem sehnsüchtigen Blick gen Himmel.
Ich höre es anders. Den Tod im Nacken haben und den Sieg des Lebens im Herzen tragen - also ein Karsamstagsmensch sein -, das macht mich rebellisch. Ich nehme ernst, wie sehr ich Gott vermisse. Ja, ich vermisse Gott. Ich vermisse, dass Gott eingreift; ich vermisse, dass Gott den Kriegstreibern in den Arm fällt und den Hasspredigern die Sprache verschlägt. Ich vermisse, dass Gott sich durchsetzt gegen alles Boshafte und Schädliche. Der heutige Karsamstag gibt solchem Vermissen Raum und Zeit. Ich glaube fest: Gott hat Gutes vor mit seiner Erde und seinen Menschen. Weil ich das glaube, vermisse ich Gott gegenwärtig umso mehr. Ich will mich nicht abfinden mit dem, was ist. Ich werde widerständig bleiben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und mir ein starkes Vermissen – auf ein gesegnetes Osterfest hin.
Ihre Annette Kurschus, Pfarrerin in Bielefeld.
Quellen:
(1) Johann Baptist Metz, Karsamstagschristologie. In: Mystik der offenen Augen. Hrsg. Von Johann Reikerstorfer, Herderverlag, 2. Auflage, Freiburg 2011, 158.
(2) Römer 8, 24f. BasisBibel.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze