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Begeisterung
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Das Geistliche Wort | 09.06.2025 | 08:40 Uhr

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Begeisterung

Autor: Weihnachten, Ostern, Pfingsten: große Feste haben bei uns einen zweiten Feiertag. Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche. Die Gruppe um Jesus von Nazareth hatte sich nach Ostern zurückgezogen, verängstigt und verunsichert, wie es nun weitergehen soll. Einmal, als sie alle zusammen sind, werden sie von Gottes Geist ergriffen. Von einem Wind und von Flammen ist die Rede. Plötzlich fassen sie Mut, trauen sich, rauszugehen, sprechen von ihrem Glauben, finden die richtigen Worte, werden sogar in verschiedenen Sprachen verstanden. Sie sind -- begeistert. Eine neue Gemeinschaft entsteht. Sie strahlt etwas aus und wirkt anziehend: Der Geburtstag der Kirche.

Pfingstmontag ist deshalb ein zweiter Feiertag für die Geistkraft Gottes. Mich beschäftigt das schon lange. Wirkt Gottes Geist in unserer Welt? Woher kommt die Begeisterung bei uns Menschen? Mich fasziniert diese Energie. Für mich ist Begeisterung eine Kraft, die alles möglich macht.


Der Benediktinerpater Anselm Grün ist überzeugt: „Wir können alles danach einteilen, ob wir es mit Energiespendern oder Energieräubern zu tun haben.“ (Seine Worte als Testimonial für mein Begeisterungsbuch, s. Rückseite, Eckert, Begeisterung, 2024 Recht hat er. Immer mehr Menschen sind ausgebrannt, erkrankt an Burn-Out, erschöpft angesichts der Weltlage oder persönlicher Lebenslagen. „Flasche leer“ hat der Fußballtrainer Giovanni Trappatoni einmal gesagt.


Und Hand aufs Herz, wie viel Energie verbrate ich sinnlos vor Computern, Smartphones, beim Streamen irgendwelcher Serien? Unsere rastlose Gesellschaft hat sich heiß- und leergelaufen. Wir sind übergewichtiger, asozialer, suchtkranker, erschöpfter und älter geworden. Kein Wunder, dass viele anfälliger geworden sind für falsche Versprechen, populistische Vereinfachungen, Verleugnung der Realitäten bei Migration oder Klimaschutz. Da wächst ein mächtiges Unbehagen in unserem Land heran mit Sprengstoff für unsere Zukunft.

Gott sei Dank gibt es andere Geister, die dem was entgegensetzen. Immer mehr machen sich auf den Weg, brechen auf, unterstützen notwendige Veränderungen, gehen pilgern, schließen sich zusammen, versuchen gesünder, klimagerechter, sozialer zu leben.


Leider ist vielen das Verständnis für Pfingsten verloren gegangen. Es ist kein Zufall, dass der Pfingstmontag angezählt ist auf der Suche nach einem Feiertag, der gestrichen werden kann, um 6 Milliarden im Jahr für die Wirtschaft einzuspielen.

Wir Protestanten kennen das schon vom Buß- und Bettag. Der wurde einst gestrichen, um der Pflegeversicherung auf die Beine zu helfen. Hat‘s wirklich geholfen?

Sicher hingegen ist, mit jedem gestrichenen, religiösen Feiertag geht etwas Wertvolles verloren. Denn der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Er nimmt Schaden an seiner Seele, wenn wir unser Seelenheil auf dem Altar der Wirtschaft opfern. Ich jedenfalls will dem Göttlichen Zeit einräumen, will herausfinden, wo Gottes Geist heute weht, will Kraft tanken, mich begeistern lassen.


Musik 1: Köln, January 24, 1975, Pt. I (Live)
Komposition/Interpret: Keith Jarrett; Album: The Köln Concert (Live); Label: ECM Records; LC: 82006


Autor: Glauben sie an Göttliche Momente? An dieses unbeschreibliche Gefühl von Harmonie, Klarheit, Schönheit, als ginge da der Himmel auf, um mich mitten ins Herz zu treffen?

Für mich ist das Köln Konzert von Keith Jarrett solch ein Moment. Es geschah am 24. Januar 1974 in der Kölner Oper. Und 1975, vor fünfzig Jahren, wurde dazu die Doppel-LP veröffentlicht, bis heute das erfolgreichste Jazz-Solo-Album aller Zeiten.

Mich begeistert Jazz seit Kindheitstagen! Mein Vater hat mir Appetit darauf gemacht. Der gute alte Jazz versprühte in unserer kleinen Wohnung den Geist der weiten Welt.

Eher zufällig bin ich auf den Kinofilm Köln75 gestoßen, der auf der diesjährigen Berlinale Premiere hatte. Er erzählt die Geschichte hinter dem Köln Konzert. Und das ist vor allem die Geschichte einer flippigen, mutigen, 18-jährigen.

Mit einer geballten Ladung Begeisterung, Risikobereitschaft und Frechheit hat Vera Brandes damals Unmögliches möglich gemacht. Ich war von dem Film und dieser charmant dargestellten Vera begeistert. Über sie wollte ich mehr in Erfahrung bringen zum Köln Konzert, zu ihrem Leben, zu meinem Leib- und Magenthema „Begeisterung“.

Also habe ich der echten Vera Brandes eine E-Mail geschrieben. Und keine zehn Minuten später hat sie geantwortet. Wir verabreden einen Termin per Videokonferenz. Wenige Tage später sehe ich eine immer noch hochaktive 68jährige Frau in Griechenland. Vera Brandes stellt von Anfang an klar:


O-Ton 1

… also ich bin ein gläubiger Mensch und habe selber in sehr vielen Podiumsdiskussionen oder auch Radiointerviews immer wieder gesagt, dass ich glaube, dass dieses Konzert wirklich ein hoch spirituelles Ereignis war, um nicht zu sagen, ein göttliches Geschenk also in manchen Podiumsdiskussionen habe ich gesagt, also dem Jarrett hat ein Engel auf der Schulter gesessen, als er das gespielt hat.


Autor: Ich weiß, dass Vera Brandes Keith Jarrett das erste Mal mit Miles Davis in Köln erlebt hat.


O-Ton 2

Alle waren fasziniert von dem, was da passierte. Ja und es gibt immer wieder Momente in Konzerten, in denen man das Gefühl hat, dass sich etwas Außergewöhnliches ereignet Musiker sprechen immer wieder davon. Dass es ein paar Konzerte in ihrer Karriere gegeben hat, wo sie und nicht nur sie, sondern alle anderen Musiker auf der Bühne auch auf einmal von etwas ergriffen werden, was sie nicht erklären können, wo auf einmal alle weit über ihrem eigentlichen technischen Niveau spielen, wo sich musikalisch auf einmal zwischen den beteiligten Musikern Dinge ereignen, die sich so vorher nie ereignet haben. Und wenn es zu solchen Momenten kommt, also müsste man ja Knöpfe auf den Ohren und den Augen haben, um das nicht mitzukriegen und das war einfach so ein komplett elektrisierender Moment, der einem dann auch nicht mehr aus dem Kopf geht.


Autor: Das kann ich sofort nachvollziehen. Solche Momente habe ich als Konzertbesucher auch schon erlebt. Abende, an denen ich beseelt nach Hause gegangen bin. Was ist wohl das Geheimnis des Köln Konzertes? Immerhin gab es ein paar Widrigkeiten auf dem Weg zum Konzert, auf der Bühne stand irrtümlicherweise der falsche Flügel, der nicht gerade in einem guten Zustand war. Warum berührt und begeistert dieses Konzert dennoch bis heute so viele Menschen?


O-Ton 3

Das ist eine fast zu intime Frage, aber ich versuche, mich ihr zu nähern, weil zum einen ist es so nach meinem Empfinden, erzählt uns da jemand eine Geschichte. Es wird ja viel darüber spekuliert, dass die Anfangsakkorde von Jarrett inspiriert gewesen sein sollen vom Gong, vom Pausengong der Kölner Oper. Diesen Pausengong, den hat es nie gegeben. Das ist ein kompletter Mythos.

Beim Bau der Kölner Oper wurde das völlig vergessen. Aber als wir vom Hotel in die Oper gegangen sind, sind wir am 4711 Haus vorbeigegangen und dort in der Vorkarnevalssession spielt um diese Uhrzeit am Nachmittag zur vollen Stunde das Glockenspiel den treuen Husar. Und mich erinnert diese Geschichte mehr an die Melodie vom treuen Husar und das ist ja die Geschichte von dem Konzert. Ja, also. Da kommt ja der Moment, in dem also nun ein Pianist, der eine wirklich vielversprechende, aufstrebende Karriere vor sich hat, in eine Situation, in der er sein gesamtes künstlerisches Ego in die Ecke stellen muss und vor einem Riesenpublikum, vermutlich dem bis dahin größten Publikum, vor dem er bis dahin aufgetreten war, in einem völlig unzureichenden Instrument sich entblößen muss ja, und diese Überwindung, die der Situation geschuldet war. Aber so wie er es mir gesagt hat, ein Akt der christlichen Nächstenliebe an mich war. Weil er mich als jungen Hüpfer nicht scheitern sehen wollte. Dafür hat sich der Himmel bei ihm bedankt.


Musik 2: Köln, January 24, 1975, Pt. IIa (Live)
Komposition/Interpret: Keith Jarrett; Album: The Köln Concert (Live); Label: ECM Records; LC: 82006


Autor: Ich bekomme Gänsehaut, als ich mit Vera Brandes spreche. Wie diese Frau von einem Engel spricht, der auf Jarretts Schulter gesessen haben soll. Dass es für sie ein Akt christlicher Nächstenliebe gewesen ist, sie als junge Konzert-Agentin nicht scheitern zu lassen. Und nach über fünfzig Jahren bewertet diese gestandene Frau dieses Konzert als etwas Religiöses, dass sich da der Himmel bei Jarrett bedankt hat.

Das sind für mich göttliche Momente. Diese kreative Wildgans Heiliger Geist, ist eine verdammt unkontrollierbare, unverfügbare, unberechenbare Kraft. Sie wirkt und weht, wie, wann und wo sie will.


Bei den Heilungsgeschichten Jesu, wenn vom Wirken des heilvollen Geistes erzählt wird, heißt es immer: „und es geschah“. Wo Gottes Geist wirkt, geschieht Außergewöhnliches, Wunderbares, etwas von dem wir ergriffen werden, was wir nicht so richtig erklären können. So muss es auch Pfingsten gewesen sein, als alles vorbei schien, als Jesus entschwunden war.


Sprecher: „Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel… und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer… und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in anderen Sprachen.“ (Apg 2,1-4)


Autor: An Pfingsten fand Völkerverständigung statt, alle verstanden, was diese begeisterte Truppe zu sagen hatte. Nur einige Lästermäuler meinten, die seien voll des Weines, die seien sturzbesoffen gewesen. Hate und Fake News gab es damals schon. Warum? Weil Gottes Geist nicht immer auf einhellige Zustimmung trifft. Wo er zum Zuge kommt, sind Geister zu prüfen, zu unterscheiden, und die falschen Geister auszutreiben, mit Mut zu bekämpfen.

Ich befürchte, wir leben in Zeiten, in denen Geister zu scheiden, Kulturkämpfe zu bestehen sind, Widerstand zu leisten ist an vielen Fronten. - Deshalb stellt sich dringlicher, denn je, die Frage, wessen Geistes Kinder wir sind. Welcher Gemeinschaft, welchen Werten, fühle ich mich verbunden? Woraus schöpfe ich meine Kraft? Was sind meine spirituellen Quellen, um nicht auszubrennen?

Von der ersten Pfingstgemeinde heißt es, sie blieb beständig in der Lehre der Apostel, der Gemeinschaft, dem Brechen des Brotes und im Gebet. Sie waren ein Herz und eine Seele, hatten alles gemeinsam, damit es für alle reichte. Und jeden Tag schlossen sich ihnen immer mehr an, weil ihre glaubwürdige Ausstrahlung anziehend wirkte.


Musik 2: Köln, January 24, 1975, Pt. IIc (Live)
Komposition/Interpret: Keith Jarrett; Album: The Köln Concert (Live); Label: ECM Records; LC: 82006


Autor: Zugegeben, so anziehend wie damals, sind wir heute als Kirche hierzulande nicht mehr, egal um welche Konfession es geht. Aber auch dieser Kampf will gekämpft sein. Es geht weiter darum, anziehende, glaubwürdige Kirche im Geiste Jesu zu sein, gerade wenn es um unsere Beliebtheitswerte nicht zum Besten steht.

Denn es braucht mehr denn je in dieser Welt verlässliche Orte der Gemeinschaft, der Orientierung, der Nächsten-, der Selbst-, der Gottes- und sogar der Feindesliebe. Denn es braucht mehr denn je offene Häuser, in denen sich wohnortnah, menschenfreundlich, niederschwellig, weltoffen und gastfreundlich Menschen versammeln können, um diese Welt nicht den unguten Geistern zu überlassen.


Musik 2: Köln, January 24, 1975, Pt. IIb (Live)
Komposition/Interpret: Keith Jarrett; Album: The Köln Concert (Live); Label: ECM Records; LC: 82006


Autor: Eckhart von Hirschhausen erzählt bis heute gerne seine Geschichte vom Pinguin mit der Pointe, wenn der Pinguin in seinem Element ist, im Wasser, kann er mit der Energie eines Liters Benzin 2500 km weit Schwimmen. Das ist mein Wunsch für uns an diesem Pfingstmontag. Mögen wir in unser Element gelangen, an dem Ort sein, an dem wir mit anderen guten Geistern die Energie voll zur Entfaltung bringen, die in uns wohnt.


Als Vera Brandes 1974 den Jazzpianisten Keith Jarrett in die Kölner Oper holt, ist sie voll in ihrem Element. Am Ende unseres Gespräches habe ich sie gefragt, wofür denn ihr Herz heute noch brennt. Nach einer Denkpause antwortet sie:


O-Ton 4

Für die Freiheit. Das war von Anfang an so. Ich meine, ohne dass wir das Wort bisher benutzt hätten, aber es geht ja auch um ein Phänomen, dass ich bezeichnen würde mit Entfesseln.

Und ich glaube. Das ist etwas, worüber wir zu wenig nachdenken. Wovon wir uns eigentlich fesseln lassen, individuell und kollektiv. Von welchem Irrglauben an Fortschritt, an Wachstum, an den Wahnsinn des Krieges oder sogar noch weitergehend, den Sinn vom Krieg, also so ein absoluter Irrsinn, der da irgendwie passiert, ich glaube wir, wir sind alle am Schlafen. Ich glaube, wir müssen wirklich aufwachen, wir müssen uns dessen bewusstwerden, was wir aus diesem unglaublichen Geschenk dieses wunderschönen Planeten und der kreativen Möglichkeit, mit der wir ausgerüstet sind und dem ich sag es jetzt, göttlichen Beistand, den wir haben, was wir daraus machen könnten, und wir lassen uns von einer Handvoll von Kräften diktieren, was niemand auf diesem Planeten will. Und ja, das erfordert ein Umdenken nach meinem Empfinden und dafür brenne ich.


Autor: Wir wollen uns demnächst in Leverkusen treffen. Ich habe sie eingeladen zu den 3. Spiritual Jazzdays in meiner Kirche. Da erzählt sie mir, dass sie die Leverkusener Jazztage einst mitbegründet hat. Was für ein Zufall?

In diesem Sinne wünsche ich uns einen geistreichen Pfingstmontag. Möge dieser Feiertag uns noch lange erhalten bleiben. Es grüßt sie ein vergnügter, erlöster und immer noch begeisterungsfähiger Siegfried Eckert, Jazzliebhaber und Gemeindepfarrer in Leverkusen.


Musik 2: Köln, January 24, 1975, Pt. IIc (Live)
Komposition/Interpret: Keith Jarrett; Album: The Köln Concert (Live); Label: ECM Records; LC: 82006



Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

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