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Kirche in WDR 5 | 22.04.2025 | 06:55 Uhr
Ordensmann und Papst
Papst Franziskus ist tot mit dem ich mich auf eine bestimmte Art verbunden gefühlt habe. Denn er war Ordensmann wie ich. Ich bin Prämonstratenser, er war Jesuit.
Und mit ihm wurde zum ersten Mal ein Mitglied desjenigen Ordens Papst, den der Heilige Ignatius von Loyola im 16. Jahrhundert gegründet hat. Das spirituelle Prinzip von Ignatius war es, Gott in allen Dingen zu suchen und zu finden. Und Papst Franziskus hat das schon ganz am Anfang seines Pontifikates in einem Interview so übersetzt:
„Gott begegnet man im Heute. … Wir müssen … Prozesse in Gang bringen. … Gott offenbart sich in der Zeit und ist gegenwärtig in den Prozessen der Geschichte. Das erlaubt, Handlungen zu priorisieren, die neue Dynamiken hervorrufen. Es verlangt auch Geduld und Warten.“[1]
An diesen Aufruf knüpften sich nicht nur hierzulande viele Erwartungen. Reformen sollten stattfinden in der katholischen Kirche, unter anderem im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Paaren oder was das Priestertum der Frau angeht. Und die Geduld vieler wurde und wird dabei auf die Probe gestellt. Dabei betonte Franziskus im selben Interview:
„Viele meinen zum Beispiel, dass Veränderung und Reformen kurzfristig erfolgen können. Ich glaube, dass man immer genügend Zeit braucht, um die Grundlagen für eine echte, wirksame Veränderung zu legen. Und das ist die Zeit der Unterscheidung.“[2]
Damit sprach Franziskus ein weiteres spirituelles Prinzip der Jesuiten an: die Unterscheidung der Geister. Denn es sind immer verschiedene Stimmen, die sich im Menschen zu Wort melden. Und es gilt dann herauszufinden, welche Stimme dem Menschen am Ende mehr Trost, mehr Hoffnung und mehr Gelassenheit gibt. Franziskus sagt dazu:
„Ich misstraue immer der ersten Entscheidung… . Die Weisheit der Unterscheidung gleicht die notwendige Zweideutigkeit des Lebens aus und lässt uns die geeignetsten Mittel finden, die nicht immer mit dem identisch sind, was als groß und stark erscheint.“[3]
Ich vermute, dass dies der tiefere Grund ist, warum Franziskus immer wieder aufrief, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, zu den schwachen, armen und ausgegrenzten Menschen.
Dazu passt auch eine weitere Neuheit. Jorge Mario Bergoglio nannte sich als erster Papst nach dem Heiligen Franziskus und nahm damit einen weiteren Ordensgründer in den Blick. Der Heilige Franziskus hatte sich nämlich ganz der Anspruchslosigkeit verschrieben und wurde selbst zum „poverello“, „zum kleinen Armen“ mit einer Liebe zur Natur. Sein Sonnengesang ist ein einzigartiges zärtliches Loblied auf die Natur und ihren Schöpfer mit dem Refrain: „Laudato si’, mi signore“, „gelobt seist du, mein Herr“. Und so verwundert es auch nicht, dass Papst Franziskus sein wegweisendes Rundschreiben über die Umwelt genauso nennt: „Laudato si‘“. Darin bezeichnet er den Heiligen Franziskus als
„das Beispiel schlechthin für die Achtsamkeit gegenüber dem Schwachen und für eine froh und authentisch gelebte ganzheitliche Ökologie“[4].
Und er fährt fort – und berührt damit wieder den ignatianischen Gedanken, Gott in allem zu finden:
„Wenn wir uns … allem, was existiert, innerlich verbunden fühlen, werden Genügsamkeit und Fürsorge von selbst aufkommen. Die Armut und die Einfachheit des heiligen Franziskus waren… ein Verzicht darauf, die Wirklichkeit in einen bloßen Gebrauchsgegenstand und ein Objekt der Herrschaft zu verwandeln.“[5]
Franziskus mahnt, weit über seinen Tod hinaus nicht nur die Katholiken, verantwortungsvoll mit der Schöpfung und jedem einzelnen Leben umzugehen.
Das Rundschreiben schließt mit einem Gebet. Da heißt es:
„Allmächtiger Gott, der du in der Weite des Alls gegenwärtig bist und im kleinsten deiner Geschöpfe, der du alles, was existiert, mit deiner Zärtlichkeit umschließt, gieße uns die Kraft deiner Liebe ein, damit wir das Leben und die Schönheit hüten. …
Lehre uns, den Wert von allen Dingen zu entdecken und voll Bewunderung zu betrachten; zu erkennen, dass wir zutiefst verbunden sind mit allen Geschöpfen auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.“[6]
Nun ist Papst Franziskus seinen irdischen Weg zu Ende gegangen. Möge er das Ziel erreicht haben, an das er geglaubt hat: Gott, das unendliche Licht.
[1] Zitiert nach: Antonio Spadaro SJ, Das Interview mit Papst Franziskus, Freiburg 2013, S. 59.
[2] Ebd. S. 33.
[3] Ebd. S. 34.
[4] Papst Franziskus, Laudato si‘. Über die Sorge für das gemeinsame Haus. Die Umwelt-Enzyklika mit Einführung und Themenschlüssel, Stuttgart 2015, S. 27.
[5] Ebd. S. 29.
[6] Ebd. S. 198f.