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Franziskus: ein Papst der Seelsorge
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Das Geistliche Wort | 27.04.2025 | 08:40 Uhr

Franziskus: ein Papst der Seelsorge

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!

Gestern bereits wurde Papst Franziskus in Rom beigesetzt, nachdem er am vergangenen Ostermontag verstorben war. Als ich von seinem Tod erfuhr, gingen mir spontan Bilder durch den Kopf, die mich an ihn und sein Wirken erinnern: Sein Besuch auf der italienischen Insel Lampedusa am 8. Juli 2013, wenige Monate nach seiner Wahl zum Papst. Er macht auf die vielen Migranten, die bei der Überquerung des Mittelmeeres sterben, aufmerksam und betet für sie und das große Elend der Migration und Flucht.

Dann ein zweites Bild: Ganz zu Beginn der Corona-Pandemie am 27. März 2020, lädt Papst Franziskus am Abend digital zum Beten auf den menschenleeren Petersplatz ein und segnet am Ende mit der Monstranz von dort aus die ganze Kirche, alle Menschen und die weite Welt.

Beide Ereignisse – dasjenige auf der Insel Lampedusa und dasjenige auf dem Petersplatz in Rom – zeigen wie in einem Brennglas, wer Papst Franziskus ist, welche Botschaft er gesendet hat und damit nicht nur bei mir, der ich ihn als Bischof von Essen viele, viele Male in Rom habe treffen können, sondern sicherlich bei vielen Menschen im Gedächtnis und im Herzen bleiben wird: Papst Franziskus, ein Papst der Seelsorge im Auftrag des Evangeliums – für die Kirche und alle Menschen auf der Welt!

Musik I: Anton Bruckner, Requiem d- moll

Die Wahl von Jorge Mario Bergoglio als Nachfolger von Papst Benedikt XVI. am 13. März 2013 war eine Riesenüberraschung – nicht nur für mich. Bald verband sich mit seiner Person und seinem Namen ein großes Reformprogramm der Kirche, für das der heilige Franziskus von Assisi steht, dessen Namen sich der Papst für sein Amt und seinen Dienst wählte. Er selbst berichtete, dass unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst Kardinal Hummes aus Sao Paulo in Brasilien, der neben ihm saß, zu ihm sagte: „Vergiss die Armen nicht!“ Unermüdlich ist Papst Franziskus diesem Wort nachgekommen. Immer wieder ging es ihm dabei um Jesus Christus selbst, der die Armen selig gepriesen hat. Von ihm her wollte Papst Franziskus die Kirche, ihre Botschaft und die weltweiten Verbindungen mit allen Christinnen und Christen und allen Menschen, die an Gott glauben und guten Willens sind, fördern, stärken und pflegen.

Bereits der heilige Franziskus von Assisi hat zu Beginn des 13. Jahrhunderts mit seiner Bekehrung die Armen für die Kirche neu entdeckt und seine Berufung mit einer ganz einfachen Lebensform von Armut und Demut, wie er es nannte, zusammengebracht. So zogen er und seine Brüder in die sich damals neu formierende Welt und brachten Umstürzendes und Revolutionäres auf den Weg. In dieser Spur sah sich Papst Franziskus in seiner ganzen Amtszeit.

Daher kommt auch seine große Aufmerksamkeit auf die Menschen, ihr Wohl und Wehe, ihr Gelingen und Misslingen, ihr Tun und Lassen, ihr Geborenwerden und Sterben, ihre Freude und ihr Leid. Papst Franziskus wurde so zu einem unermüdlichen Mahner für den Frieden, für die Würde des Menschen als Person und für das Evangelium. Es ging ihm um den lebendigen Jesus Christus in den Herzen der Menschen. Dazu passt ein wichtiges Wort des heiligen Johannes Chrysostomos, das Papst Franziskus öfter zitiert hat: „Nichts auf der Welt ist mächtiger als ein Gerechter, der betet. Der betende Mensch hält das Steuer der Weltgeschichte in seinen Händen.“ Aus diesem Grund versammelte Papst Franziskus im Laufe seines Pontifikats immer wieder junge und alte, gesunde und kranke, suchende und fragende Menschen aller Herkünfte zum Gebet, um in den oft so geheimnisvollen Wegen des Lebens ihren verborgenen Sinn, also Gott, zu finden.

Er knüpfte damit an seine Herkunft aus dem Jesuitenorden an, dessen Gründer, der heilige Ignatius von Loyola, darauf Wert legte, dass die Nachfolge Jesu immer wieder eine große Übung ist, an deren Ende der Mensch seinen eigenen Kern findet und so auch seine Bestimmung, nämlich Gott zu loben und zu preisen. Darum ging es auch Papst Franziskus. Für ihn stand fest: Gott sucht den Menschen und fragt nach ihm, dem Menschen ohne Orientierung, der seinen Platz in der Schöpfung verloren hat und einen neuen sucht. Alle Menschen in ihren Nöten brauchen Orientierung. Darum war für Papst Franziskus sein Dienst ein Dienst der Nähe zu den Menschen, seinen Sorgen und Nöten in Zeiten der „Globalisierung der Gleichgültigkeit“, wie er es nannte.

Musik II: Luigi Cherubini, Requiem, c moll

Papst Franziskus hat unter anderem einen wunderbaren Text geschrieben: „Evangelii Gaudium – über die Verkündigung des Evangeliums der Freude in der Welt von heute“. Franziskus beschreibt darin eine Perspektive, die viele fasziniert und auch von dauerhafter Bedeutung bleibt über seinen Tod hinaus: die Freude am Evangelium zu leben und zu verkünden. Dabei geht es um eine missionarische Umgestaltung der Kirche, die sich immer wieder zuerst fragen muss, für wen sie da sein muss, wenn sie nicht um sich selbst kreisen will. Dazu braucht es offene Herzen, einen weiten Verstand und einen tiefen Glauben, so Papst Franziskus. Es geht um das konkrete Tun, weil die Kirche „wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht [ist]. Man muss einen Schwerverwundeten nicht nach Cholesterin oder hohem Zucker fragen. Man muss seine Wunden heilen. Man muss ganz unten anfangen.“[1] Darum soll auch die Kirche „den Geruch der Schafe“ annehmen[2], wie Papst Franziskus es nannte. Es ging Franziskus um eine „verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist“. Eine solche Kirche war ihm lieber als eine Kirche, die aufgrund der Bequemlichkeit krank ist, weil sie sich an die eigenen Sicherheiten klammert. Noch einmal ein Zitat des verstorbenen Papstes: „Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist. Wenn uns etwas in heilige Sorge versetzen und unser Gewissen beunruhigen soll, dann ist es die Tatsache, dass so viele unserer Brüder und Schwestern ohne die Kraft, das Licht und den Trost der Freundschaft mit Jesus Christus leben, ohne eine Glaubensgemeinschaft, die sie aufnimmt, ohne ein Horizont von Sinn und Leben.“[3]

Musik III: Luigi Cherubini, Requiem, c moll

Ein weiteres großes Lehrschreiben von Papst Franziskus trägt einen Titel, der wiederum mit dem heiligen Franziskus von Assisi zusammenhängt, der alle seine Brüder „Fratelli tutti“ nannte. In dem Lehrschreiben betont der Papst: Es muss immer um alle Menschen gehen. Die Kirche hat dabei einen sie prägenden und bestimmenden Auftrag: Sie muss für das Heil und die Heilung der Wunden der Menschen eintreten. Darum ist sie „das Sakrament, (…) Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“, wie es das Zweite Vatikanische Konzil betont hat, dem Papst Franziskus sehr verbunden war.[4] Dort heißt es zudem an anderer Stelle: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Wiederhall fände“.[5] Genau in dieser Solidarität mit allen Menschen verstand Papst Franziskus die Sendung der Kirche. Mit Fug und Recht ging es ihm um eine Utopie der Geschwisterlichkeit, die Wirklichkeit werden sollte, weil dort, unabhängig von Kultur, Religion, ethnischer Zugehörigkeit oder Nationalität, mehr Geschwisterlichkeit aller Menschen untereinander gelebt werden kann. Diese Spiritualität der Geschwisterlichkeit führt zu nichts anderem als zur Einsicht, dass jeder Mensch ein unbedingt von Gott gewolltes Kind ist. Dieser Konzilsgedanke war für Papst Franziskus die Wahrheit, die nur in einem offenen, von Liebe und Achtung bestimmten Gespräch zu entdecken ist. Sie darf eben nicht „dem anderen um die Ohren gehauen werden“, wie es der Papst einmal in seiner unnachahmlichen Sprache formuliert hat.[6] Es braucht Liebe und Gerechtigkeit, die wiederum auf die franziskanischen Wurzeln der Verkündigung des Papstes hinweisen.

Das biblische Bild, das diese Botschaft zusammenfasst, fand sich für Papst Franziskus im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter.[7] Der Papst deutete es so, eindringlich dafür zu werben, dass sich die Kirche und alle Menschen den Ärmsten, den Verletzten, den an den Rand Gedrängten zuwenden. Gerade darum war der Raum des Dialoges für den Papst so bedeutsam mit allen, die zu helfen imstande sind. Es geht mit seinen Worten um die „tiefe Achtung vor der Wahrheit der Menschenwürde“.[8] Genau diese Achtung zeigt sich im Dialog, weil niemand die ganze Wahrheit besitzt, sondern immer wieder darum ringen muss.[9] Der interreligiöse Dialog war aus diesem Grund für den Papst so wichtig. Es ging ihm um eine „notwendige Rückkehr zu einer Kultur der Begegnung“ hin zu einer Kommunikation, die die Wirklichkeit erfassen soll und im Wesentlichen im Zuhören besteht.[10]

Musik IV: Luigi Cherubini, Requiem, c moll

Bereits in einem früheren Schreiben hatte Papst Franziskus die Bedeutung der Menschenwürde und Menschenverantwortung angemahnt. Unter dem Titel „Laudato si“ knüpfte Papst Franziskus wiederum an den heiligen Franziskus von Assisi an und zwar an dessen Sonnengesang. Zu den großen prophetischen Zeichen des Pontifikats von Papst Franziskus gehörte seine nimmermüde Warnung vor dem exzessiven Klimawandel mit allen Folgen. Das gläubige Herz und der offene Geist des Papstes gingen in diesem Text weit über die oft engen Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Welt. Es ging ihm um „die Sorge für das gemeinsame Haus“, und er schaute mit prophetischem Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre: auf Klimawandel, Naturschutz und Bewahrung der Schöpfung. Eine ökologische Umkehr war für ihn unabdingbar.[11]

Selten hat ein Text und haben Äußerungen eines Papstes so eine Wirkung entfaltet! Papst Franziskus wurde nicht müde, die Politik und die Wirtschaft an ihre Verpflichtung zu erinnern, im Dialog mit allen Menschen zu stehen. Es ging ihm um die Grundhaltung des Sich-Selbst-Überschreitens, indem das abgeschottete Bewusstsein und die Selbstbezogenheit durchbrochen werden. Das ist die Wurzel aller Achtsamkeit gegenüber den anderen und der Umwelt. Nur so kann dem entgegengewirkt werden, was die Umwelt immer mehr zerstört. Es geht darum, „eine gesunde Beziehung zur Schöpfung als eine Dimension der vollständigen Umkehr des Menschen“[12] zu ermöglichen, so Franziskus. Denn wenn „die äußeren Wüsten […] in der Welt [wachsen], weil die inneren Wüsten so groß geworden sind“[13], dann braucht es eine ökologische Umkehr, die „alles, was [den Menschen] aus ihrer Begegnung mit Jesus Christus erwachsen ist, in ihren Beziehungen zu der Welt, die sie umgibt, zur Blüte“ bringt.[14]

Einige Jahre später, am 4. Oktober 2023, wiederum am Gedenktag des heiligen Franziskus von Assisi, wollte der Papst in seinem Schreiben „Laudate Deum“ (Lobt Gott!) mit aller Radikalität die gesamte Menschheit aufrütteln, um die globale Klimakrise zum Ausgangspunkt deutlicher Mahnungen in ungewöhnlicher Schärfe zu machen. Der Papst mahnte: „Hoffen wir, dass diejenigen, die sich einbringen, strategisch fähig sind, an das Gemeinwohl und an die Zukunft ihrer Kinder zu denken, statt an umstandsbedingte Interessen einiger Länder oder Unternehmen“.[15] Streng fügte er hinzu: „Echter Glaube stärkt nicht nur das menschliche Herz, sondern verwandelt das ganze Leben, verändert die eigenen Ziele und die Beziehung zu den anderen, wie auch die Verbindung mit der ganzen Schöpfung in ein neues Licht getaucht wird“.[16]

Musik V: Luigi Cherubini, Requiem, c moll

Papst Franziskus hat mit seinem Besuch auf der italienischen Insel Lampedusa große Nähe zu den Migranten und Flüchtlingen gezeigt. Es war und ist bis heute ein Zeichen der Solidarität angesichts der Bedrohung der Welt. Und auch das stille flehentliche Gebet des Papstes und sein Segen auf dem Petersplatz angesichts der Corona-Pandemie war und bleibt ein lebendiges Zeichen gegen die wahnwitzigen Träume so mancher, die ganze Welt beherrschen zu wollen und zu können. Wie ein Vermächtnis ist für mich der Auftrag, den Papst Franziskus gegeben hat: Alle Menschen in dieser so friedlosen Welt sollen wirkliche Geschwister, also „Fratelli tutti“, werden, um die Schöpfung achtsam zu gestalten und um dabei nie zu vergessen, Gott zu loben und die Freude am Evangelium zum Mittelpunkt des Lebens zu machen.

Nun ist Papst Franziskus zu Gott heimgegangen und kann Jesus Christus, den Grund seiner Freude am Evangelium, schauen, wovon ich im Glauben überzeugt bin. Er wird uns bleibend daran erinnern, dass wir, die ganze Menschheit, eine Familie sind, eben „Fratelli tutti“!

Papst Franziskus möge nun in Gottes Frieden leben und ihn loben und preisen. Das erbittet ihm Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen.

Musik VI: Luigi Cherubini, Requiem, c moll

[1] So Papst Franziskus in einem Interview am 19. September 2013. [2] Vgl: EG, Nr. 24. [3] EG, Nr. 49. [4] Vat. II, Lumen Gentium 1. [5] Vat. II, Gaudium et spes, Nr. 1. [6] Vgl. Fratelli tutti, Nr. 4. [7] Vgl. Lk 10,25-37. [8] Vgl. Fratelli tutti, Nr. 206-207. [9] Vgl. Fratelli tutti, Nr. 221. [10] Vgl. Fratelli tutti, Nr. 30, 200, 211ff. [11] Vgl. Laudato si, Nr. 216-121. [12] Laudato si, Nr. 218. [13] Laudato si, Nr. 217. [14] Vgl. Laudato si, Nr. 217. [15] Laudate Deum, Nr. 60. [16] Vgl. Laudate Deum, Nr. 61.– 370).

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