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Der Himmel steht offen
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katholisch

Das Geistliche Wort | 29.05.2025 | 08:40 Uhr

Der Himmel steht offen

Guten Morgen liebe Hörerinnen und Hörer!

Als Weihbischof im Erzbistum Köln besuche ich viele Gemeinden. Einmal – und das hat mich sehr berührt – fragte mich bei so einem Besuch ein 16jähriger Junge: „Herr Weihbischof, glauben Sie eigentlich an ein Weiterleben nach dem Tod?“ Meine Antwort: „Ja, in der Tat, daran glaube ich.“ Er hakte nach: „Wie soll das denn aussehen?“ Meine spontane Antwort: „Stell dir einen glücklichen Augenblick in deinem Leben vor. Hast du ihn?“ – „Ja, den habe ich.“ – „Ein solcher Augenblick tausendmal intensiver und ohne Ende – das ist der Himmel!“ Wie aus der Pistole geschossen antwortete er: „Das ist ja voll krass!“

Musik I: Johann Sebastian Bach, Lobet Gott in seinen Reichen (BWV 11) (Barockorchester Stuttgart, Frieder Bernius)

Für den 16jährigen Jungen war diese Vorstellung vom Leben nach dem Tod als glücklicher Augenblick ohne Ende „voll krass“. Es geht um den Himmel, auf den ich auch gespannt bin – nach diesem Leben hier auf Erden. Und der erste, der nach christlicher Überzeugung dorthin vorangegangen ist, das ist Jesus Christus, der menschgewordene Gottessohn, der am Kreuz gelitten hat, qualvoll gestorben und von den Toten auferstanden ist. Und damit hat er eine Perspektive für alle Menschen eröffnet. Davon berichtet das Neue Testament. Am Abend vor seinem Leiden und Tod am Kreuz sagte Jesus nämlich zu seinen Jüngern: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten?“ (Joh14,2) Nach seiner Auferstehung von den Toten hat er sich 40 Tage lang seinen Jüngern immer wieder gezeigt. Viele sind ihm begegnet, haben mit ihm gegessen und getrunken. Es war kein Phantasiegebilde, sondern Realität. Und dann ist er heimgekehrt zu seinem Vater in den Himmel. Und nicht nur das, er hat dort für uns einen Platz vorbereitet, eine eigene Wohnung, ein „voll krasses“ Zuhause – um es mit den Worten des 16jährigen zu sagen. Und heute – vierzig Tage nach Ostern, dem Fest von Jesu Auferstehung von den Toten – feiern wir Christen diese Heimkehr Jesu und den offenen Himmel, in dem Christus uns mit offenen Armen erwartet. Hört sich gut an – aber stimmt das auch?

Also Stopp! Faktencheck! Ist das, was wir Christen feiern wirklich Realität oder doch nur Projektion innerster Wünsche und Sehnsüchte? Haben die Religionskritiker vielleicht nicht doch recht, wenn sie sagen: die Christen machen sich was vor, dass der Tod nicht das dunkle Loch, sondern das lichtvolle Ziel ist? Die Frage, gar der Vorwurf wiegt schwer! Aber ich will etwas dazu sagen, was mein Denken und Glauben geprägt hat: Der Apostel Paulus hat seinen ersten Brief an die Korinther um das Jahr 50 geschrieben, ca. 17 Jahre nach den Ereignissen von Tod und Auferstehung und damit zu Lebzeiten der Zeitgenossen und Zeitzeugen Jesu. Und in diesem Brief schreibt er: „… vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift und ist begraben worden. Er ist am dritten Tage auferweckt worden gemäß der Schrift und erschien dem Kephas und dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als 500 Brüdern zugleich. Die meisten von ihnen sind noch am Leben, einige sind entschlafen.“ (1Kor 15,3-6) Gut – das ist auch kein Beweis. Aber was Paulus den Korinthern schreibt, ist ein Bekenntnis, das auch er von Zeitzeugen empfangen hat. Es ist das Urbekenntnis der Christen. Und von damals bis heute haben unzählige Gläubige für dieses Bekenntnis gelebt wurden dafür verfolgt und benachteiligt, belächelt, verachtet und sogar ermordet. Dieses Bekenntnis war und ist ihnen wichtiger als ihr eigenes Leben gewesen. Und diese lange Kette der Glaubenszeugen, die beeindruckt mich sehr. Mehr noch: Auch die Archäologie belegt dieses Bekenntnis. Als nämlich im Jahre 70 nach Christus die Römer einen Aufstand der Juden blutig niederschlugen und den Tempel zerstörten, wollten sie die jüdische Religion ein für alle Mal vernichten. Und so bauten sie auf allen jüdischen Kultstätten heidnische Tempel. Interessanterweise taten sie dies auch auf dem Felsen, auf dem Jesus hingerichtet und sein Kreuz aufgestellt wurde. Das war vor den Stadtmauern von Jerusalem an dem Ort, der Golgotha genannt wird. Nie war dieser Ort eine jüdische Gebetsstätte. Doch die Römer konnten Juden und Christen noch nicht auseinanderhalten. Und so markierten sie ungewollt den Ort, den die Christen schon sehr früh verehrt haben, eben den Ort der Kreuzigung und das nahe dabei liegende leere Grab.

Musik II: Unbekannter Komponist, Viri Galilaei. Diminution für Violoncello und Basso continuo (Matteo Malagoli, Irene de Ruvo)

Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich könnte noch viele Argumente dafür bringen, warum Christen das heutige Fest der Himmelfahrt Christi nach seinem Tod und seiner Auferstehung feiern. Und doch ist mir klar: Beweisen, kann ich es Ihnen nicht. Es geht um einen anderen Schritt, der über das Beweisbare hinausgeht. Es geht um den Schritt des Glaubens! Es geht um den Sprung ins Gottvertrauen. Aber dieser Sprung ist nicht unvernünftig. Wenn unsere Vernunft es zulässt, dass Gott in dieser Welt handelt – erfahrbar und erlebbar –, dann öffnet sich unser begrenzter Verstand für das, was er aus sich heraus nicht begreifen kann, und lässt Gottes Wirklichkeit zu.

Der Glaube an die Realität von Tod, Auferstehung und Himmelfahrt des Gottessohnes gibt meinem Leben Perspektive. Der Schweizer Theologe und Kurienkardinal Kurt Koch sagte einmal: „Wir leben in einer Zeit einer dramatischen Lebensverkürzung.“ Als ich das hörte, stutzte ich und meinte mich verhört zu haben. Er fuhr fort: „Denn früher wurden die Leute 60 oder 70 und dazu eine ganze Ewigkeit. Heute werden die Leute vielleicht 80 oder 90, aber dann ist Schluss.“ Was Kurt Kardinal Koch damit sagen wollte, war: Für all diejenigen, die nicht an ein Leben nach dem Tod glauben, ist die Lebenszeit mit dem Tod beendet. Für all diejenigen aber, die an ein Leben nach dem Tod glauben, eröffnet sich unendlich viel mehr. Der Tod ist dann nämlich nicht mehr das dunkle Loch, in das der einzelne Mensch verschwindet, und deshalb besser verdrängt werden sollte, sondern der Tod wird zum Tor zur Ewigkeit. Und doch kommt niemand darum herum: Der Tod ist eine Realität und kommt in unserem Leben vor. Eines ist sicher: Auch ich persönlich werde einmal sterben. Doch wie anders ist meine Lebensperspektive, wenn dieser Tod eine Art Schleuse ist zu neuem, erfülltem, unendlichem Leben.

In dieser Überzeugung hat mich mein Vater geprägt: Am Beerdigungstag seiner Frau, meiner Mutter, mit der er fast 60 Jahre verheiratet war, stand er vor ihrem Foto und sagte: „Ich werde sie wiedersehen! Und darauf freue ich mich schon jetzt!“ Das war kein Spruch, sondern mein Vater lebte diese Vorfreude bis zu seinem Tod. Solche Vorfreude auf ein Wiedersehen ist für mich diese Perspektive des offenen Himmels. Und sie verändert mein Leben jetzt schon, in dieser Gegenwart. Diese Perspektive schenkt mir Gelassenheit. Denn ich muss ja auf Erden nicht alles zwanghaft erreichen, was ich mir erträume oder zum Ziel setze, gar ersehne. Ich lebe im Bewusstsein, dass die Erfüllung aller Träume erst später im Himmel kommt. Das lässt mich umgekehrt nicht untätig sein – aber es nimmt mir so manchen Druck und Stress im Alltag. Für mich wird das erfahrbar an einem ganz einfachen Beispiel.

Wenn ich in Urlaub fahre, dann erwarte ich nicht schon von der Anreise alle Erholung, die ich mir von meinem Urlaubsort erhoffe. Wenn ich zum Beispiel zu einem wunderschönen Ort in Italien am Mittelmeer unterwegs bin und vor dem Gotthard-Tunnel im Stau stehe, nehme ich das doch schon jetzt viel gelassener, denn ich weiß: Irgendwann ist der Stau vorbei und am Ende wartet das wunderbare Mittelmeer auf mich. Ich weiß, das Beispiel kann nicht allen Kummer und alle Sorgen wegnehmen, die meinen Alltag auch bestimmen. Aber diese einfache Erfahrung hilft mir zu verstehen, welche Perspektive der Himmel mir schon heute gibt. Es gibt immer noch mehr und Größeres und Schöneres über alles Hier und Jetzt hinaus. Und das Fest Christi Himmelfahrt hält mir diese Perspektive offen.

Musik III: Giovanni Pierluigi da Palestrina, Viri Galilaei für 6 stimmigen Chor (La Chapelle Royale, Philippe Herreweghe)

Der Glaube an Jesus Christus, dem Sieger über den Tod, der am Ende mit neuem, erfülltem, unendlichem Leben auf mich wartet, verändert aber noch mehr. Vor seiner Heimkehr zu seinem Vater, hat Jesus versprochen: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Mt 28,20) Das heißt, Christus wartet nicht nur am Ende meines Lebens auf mich. Sondern er ist heute bereits mit mir unterwegs, er ist bei mir. Wenn ich meine Augen und mein Herz für ihn öffne, so kann ich das in vielen kleinen Dingen immer wieder erleben.

Erlauben Sie mir dazu ein weiteres Beispiel: Ich lebte für einige Monate in Kenia, in Afrika in einer Pfarrei, wo man Englisch und Kiswahili spricht. Am Anfang war mein Englisch mehr als dürftig. Kiswahili konnte ich gar nicht. Nun kam jemand zu mir, um zu beichten. Das heißt eine Person fragte nach dem Sakrament der Wiederversöhnung mit Gott, weil in ihrem Leben so einiges schiefgelaufen war. Nach katholischem Glauben zeigt sich in diesem Sakrament die Güte und Barmherzigkeit Gottes, der den Menschen aufrichten will und ihm seine Sünden vergibt. Die Person schilderte eine Problematik, die etwas verzwickt war. Ich hatte Mühe, es zu verstehen. Gerne hätte ich ein ermutigendes Wort oder einen Tipp gegeben. Aber mir fehlte einfach das sprachliche Werkzeug. Die Beichte endete mit der Lossprechung, aber ich war total unglücklich. Ich hatte den Eindruck, dieser Person nicht geholfen zu haben. Das ging mir lange Zeit nach.

Im letzten Sommer habe ich meinen Urlaub dort wieder in Kenia verbracht, die Person kam auf mich zu und fragte mich: „Erkennen sie mich? Ich war bei ihnen beichten, als sie ganz neu hier waren.“ Ich antwortete: „In der Tat, erinnere ich mich. Und es tut mir so leid, dass ich ihnen damals nicht helfen konnte.“ Sie antwortete sofort: „Nein, nein, nein, sie haben mir geholfen. Mein Leben hat sich seit dieser Zeit so zum Positiven verändert. Ich wollte ihnen immer schon Danke sagen!“ Diese Begegnung hat mich glücklich gemacht und mir gezeigt: Ich bin nicht allein unterwegs. Selbst da, wo ich nur Mangelhaftes oder gar Ungenügendes liefere, kann Gott daraus Großes machen. Niemanden lässt er allein. Manchmal verbirgt er sich wie die Sonne hinter Wolken, und er wird nicht wahrgenommen. Und doch ist er da! Er gibt eine Stärke, die selbst die größten Schwächen verwandeln kann. Davon bin ich überzeugt und habe es erlebt. Oder, um es noch einmal anders zu formulieren: Der Himmel steht offen und weitet unsere kleine, oft erbärmliche Sicht auf die Dinge.

Und genau das feiern Christen heute am Fest Christi Himmelfahrt: Es geht nicht nur um die Heimkehr Jesu zu seinem Vater, sondern es geht um eine neue, erfüllte, unendliche Zukunft. Und wir Christen tun dies, weil in der Vergangenheit vor 2000 Jahren etwas geschehen ist, was nach christlichem Glauben alle Koordinaten des Lebens verändert hat. Und ich bin überzeugt: auf dem Weg in diese Zukunft sind wir Menschen nicht allein. Christus ist unser bester und treuester Freund und bleibt an unserer Seite. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gesegnetes Fest der Himmelfahrt des Herrn voller Hoffnung und Freude.

Musik IV: Johann Sebastian Bach, Auf Christi Himmelfahrt allein (BWV 128) (Collegium Vocale Gent, Philippe Herreweghe, Christoph Prégardien)

Ihr Dominikus Schwaderlapp, Weihbischof in Köln

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