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Kirche in WDR 3 | 18.08.2025 | 07:50 Uhr
Schönheit
Guten Morgen.
Ich glaube, ich muss Ihnen mal was sagen.
An diesem Montagmorgen.
Vielleicht geht Ihr erster Blick gerade in den Spiegel.
Die Augen starren vielleicht noch müde über die Kaffeetasse.
Oder die Hände halten das Lenkrad.
Ihre Gedanken gehen in den Arbeitstag oder schon in den Feierabend.
Gehen die Notizen für die kommende Woche durch.
Post-It´s oder To-Do-Listen.
Es ist Sommer und ich glaube, es ist Zeit, Ihnen was zu sagen.
Weil der Sommer die Zeit ist für hauteng und Haut-Zeigen.
Zeit für nackte Kniee, kurze Hosen und Badeanzug.
Es ist Sommer und die Erfrischung der Badeseen und Freibäder lockt.
Das heißt, es ist auch Zeit für die scheelen Blicke.
Kritisch zu den Geheimratsecken, dem Bauch oder den Haaren an den Beinen.
Die Seitenbemerkungen.
Das Linsen in den Spiegel.
Geht das oder ist das zu eng, zu freizügig, zu dolle?
Ich glaube, heute sollen Sie was hören.
Das:
„Sieh, mein Freund, du bist schön.“ Das steht in einem Liebeslied. (Die Bibel, Hoheslied 1,16)
Einem sehr alten Liebeslied aus der Bibel.
Eine Liebende sagt es zu ihrem Liebhaber.
Und er antwortet: „Siehe, meine Freundin ist schön.“
Und dann zählen sie auf, was sie an einander schön finden.
Von diesem Liebespaar muss ich Ihnen heute Morgen was sagen, glaube ich, nämlich das:
Schön bist du.
Deine Augen sind schön, sie haben sich mit Tränen gefüllt.
Sie haben Lachfältchen.
Sie schauen manchmal tiefer.
Mit Liebe oder Zuneigung.
Haben schon mal Lachen, Schmerz und Freude gesehen.
Deine Lippen sind schön, sie haben Worte gesagt oder Du hast sie schweigen lassen.
Haben gestritten und gelächelt.
Sie haben ein Lied gepfiffen.
Und geküsst.
Schön sind deine Lippen.
Sieh deine Hände:
Sie haben Butterbrote geschmiert und sich zur Versöhnung ausgestreckt.
Sie haben vielleicht Babies gehalten.
Sicher und warm.
Sieh deine Schultern. Die waren zum Anlehnen für jemand anderen da.
Sie sind auch schonmal zusammengesackt.
Waren stark und schwach und manchmal beides zu gleichen Zeit.
Deine Haut wurde gestreichelt,
dein Magen gefüllt,
dein Herz hat geklopft und schlägt immer noch hinter deinen Rippen.
Auch jetzt.
Sieh deine Knie. Du bist gefallen und irgendwie aufgestanden.
Wenigstens einmal, auch wenn es schwerfiel und weh tat.
Deine Füße stehen auf weitem Grund, im engsten Raum.
Können tanzen.
Und die notwendigen Schritte gehen.
Sieh, die Narben hier und da.
Sie zeigen, dass Du überlebt hast.
Sieh, mein Freund, du bist schön.
Sieh, meine Freundin. Du bist schön.
Steht schon in der Bibel.
Gott schaut Dich an wie ein Liebhaber.
Ich glaube, das muss ich Ihnen heute sagen.
An der Schwelle zu diesem Tag.
Am Beginn dieser Woche.
Als Post-It für Ihren Spiegel.
Liebe Grüße aus Gummersbach,
Ihre Pfarrerin Anneke Ihlenfeldt.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze