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Kirche in WDR 3 | 15.07.2025 | 07:50 Uhr
Die großen in der Ahrtal-Flutkatastrophe
Ich weiß noch genau, wo ich in der vergangenen Nacht vor vier Jahren war. Am späten Abend auf der Autobahn 61 Richtung Österreich in den Urlaub. Es regnete in Strömen, Autofahren war wahrlich kein Vergnügen – zumal nachts. Im Autoradio immer beängstigender werdende Nachrichten: Die Flusspegel stiegen, Warnungen wurden gesendet. Ich dachte nur noch: Gut, dass Du auf dem Weg in den Urlaub bist – nur weg aus diesem Unwetter. Mit diesen Gedanken passierte ich auch die Ahrtalbrücke – nicht ahnend, was sich da einige dutzend Meter unter mir für eine Katastrophe anbahnte. Je südlicher ich kam, desto besser wurde das Wetter. Um so schlimmer die Meldungen in der ARD-Infonacht. Wollte ich mir das geben? – Schließlich war ich froh, nach sehr stressigen Wochen einmal rauszukommen. Also: Programmwechsel – irgendwas mit viel Musik. Aber die Frühnachrichten des Österreichischen Rundfunks ließen kein Entfliehen mehr zu: Die Flutkatastrophe im Ahrtal wie im gesamten südlichen Rheinland nahm ihren Lauf. Gottseidank keine Alarmmeldungen aus dem Rhein-Kreis Neuss – haarscharf war meine Heimat an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. Die Meldungen bestimmten die Urlaubszeit voll und ganz.
Heute vor vier Jahren: Das Ahrtal, Teile des Rhein-Erft-Kreises, Stolberg und Esch-weiler und eine Reihe anderer Städte und Dörfer ertrinken in Wassermassen. Katastrophen-Alarm auf allen Ebenen – nichts geht mehr. Über 200 Menschen verlieren ihr Leben, unermessliche Werte: vernichtet. Aber auch das: Der Wasserwelle folgt eine unvorstellbar große Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft. Tausende, die sich als Freiwillige auf den Weg machten und anpacken. Einfach so – teils mit einfachsten Hilfsmitteln. Wildfremde Menschen werden zu Fluthelferinnen und – helfern. Zahllose Heldinnnen und Helden wurden geboren – in diesen dunkelsten Tagen an der Ahr.
Schon damals war klar: Mit dem Klimawandel ist nicht zu spaßen. Und: wenn wir ihn schon nicht wirklich aufhalten können, müssen wir uns besser darauf vorbereiten. Und so kommt es, dass die Europäische Union den 15. Juli zum Gedenktag an die Flutopfer gemacht hat.. Kein neuer Feiertag – ein Gedenktag. Er soll uns an die Tage im Juli 2021 erinnern und mahnen, den Klimawandel und seine Folgen unbedingt ernst zu nehmen.
Aber noch mal zu den Heldinnen von vor vier Jahren. Ausgerechnet heute sieht die altehrwürdige Leseordnung der katholischen Kirche diesen Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium vor: „Der Größte von euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“
Sich selbst zum Diener anderer machen – das macht groß. Wieviele Große sind so in den Tagen der Flutkatastrophe an der Ahr und anderswo entstanden? – Auch das gehört zu dieser Katastrophengeschichte dazu. Das macht Mut.
Ich wünsche Ihnen einen Tag voller Mut und Größe,
Ihr Pfarrer Ulrich Clancett aus Jüchen.