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Kirche in WDR 5 | 23.08.2025 | 07:55 Uhr
Alexandru und das Imperium
Guten Morgen.
Ich will Ihnen von Alexandru erzählen.
Auch wenn ich gar nicht viel von ihm weiß.
Von ihm und dem Paradies will ich erzählen.
Ich habe beides auf der Raststätte Aggertal-Süd getroffen.
Da sitze ich manchmal mit Keksen und Tee und habe Zeit mitgebracht.
Auf so einer Raststätte haben die meisten wenig Zeit.
Fahrerwechsel, eben zur Toilette und den Hund Gassi führen.
Dann geht es weiter.
Nach Köln und dann in den Süden oder Norden.
Hoffentlich in den Urlaub.
Manche fahren unsere Waren durch die Republik.
Alle haben wenig Zeit und ehrlich: So richtig schön ist es ja auf keiner Raststätte.
Mich fasziniert diese Raststätte trotzdem
Und so sitze ich dort an einem der Tische –
mit Tee und Keksen.
Offenen Ohren und Augen.
Meistens schaue ich nur die Reisenden an und schenke den Kindern und Familien einen Keks.
Manchmal kommt einer von denen vorbei, die unsere Waren durch die Republik fahren, und wir tauschen Lächeln aus und ein paar Worte.
So habe ich Alexandru kennen gelernt.
Er fährt einen von den weißen Transportern, die Sie bestimmt schon mal gesehen haben.
Voll gestopft mit Paketen und Päckchen.
Von einem der Unternehmen, die sich „Imperium“ nennen und alles von A nach Z fahren.
Alexandru trägt an den Füßen Plastiklatschen und die Toilette kann er sich nicht leisten.
Deswegen schlägt er sich in die Büsche an der Raststätte Aggertal-Süd.
Auf dem Weg dahin untersucht er schnell und systematisch die Mülleimer auf Pfandflaschen.
Manchmal greift er rein.
Manchmal verzieht er das Gesicht und schaut mit Ekel auf seine Hand.
Auf dem Weg zurück kommt er an meinem Tisch vorbei.
Ich biete ihm Tee und Kekse an, und er grinst.
Nimmt sich gleich zwei.
Wie gut, dass ein anderes Imperium eine Übersetzungs-App auf meinem Handy hat und so können wir ein paar Informationen austauschen.
Seinen Namen hat er von einem großen Herrscher. Das macht ihn stolz.
Auf seinem Handy sind Bilder von Kindern. Seine Enkel? Nein; er grinst noch breiter.
Seine Kinder. Das Mädchen geht auf ein Gymnasium und will studieren.
Dann muss er weiter. Das Imperium beherrscht seine Zeit.
Aber er schnappt sich noch ein paar Kekse, schaut sie an und sagt mit Genuss in der Stimme: „Paradies“.
Dann ist er weg.
Und Jesus sagt: „Das Reich der Himmel ist mitten unter Euch. Seht ihr es nicht?“ (Die Bibel, Lukas 17, 21)
Eine Bitte hätte ich noch: Wenn Sie auf eine Raststätte fahren, dann lassen Sie doch die Pfandflaschen neben dem Mülleimer stehen.
Dann muss Alexandru nicht rein greifen.
Das hat was mit Würde zu tun.
Und vielleicht auch was mit dem Himmelreich, mit dem Paradies.
Aber das weiß ich nicht so genau.
Liebe Grüße aus Gummersbach,
Ihre Pfarrerin Anneke Ihlenfeldt.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze