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Kirche in WDR 2 | 10.09.2025 | 05:55 Uhr
Dennoch
Dennoch. Ein Wort, dass mir immer wichtiger wird: Dennoch gehe ich am Sonntag wählen, obwohl irgendwie keine Partei so richtig passt. Dennoch hab ich Hoffnung für die Zukunft, obwohl die Nachrichtenlage gerade oft düster ist.
Dennoch glaube ich: an Gott. Glaube daran, dass er die Liebe selbst ist. Mehr geht ja nicht. Und das, obwohl er so oft scheinbar dabei zuschaut, wie lieblos es in dieser Welt zugeht. Gott wirft immer wieder Fragen auf. Warum rüttelt er manche Menschen nicht mal wach? Warum stoppt er die nicht, die Kriege führen? Wenn sie andere missachten und Macht missbrauchen: könnte Gott da nicht mal deutlicher werden, damit diese Menschen umdenken? Und warum ist das Leid auf dieser Welt so ungerecht verteilt?
Diese Fragen sind keine Kleinigkeit. Und ich glaube - dennoch. In meinem Bücherregal steht seit fast dreißig Jahren ein Buch mit dem Titel „Und dennoch bleibe ich.“ „Dezember 1997“ habe ich mir mit Kuli auf die erste Seite geschrieben. Ein kleiner Band mit spirituellen Texten von Hermann Josef Coenen, einem inzwischen verstorbenen Priester. Und darin gibt es ein Gedicht mit dem Tiel „Dennoch“. Unter anderem schreibt er darin: „Für mich ist der Glaube kein festes Päckchen von Sätzen, die ich im Rucksack trage von Kind an. Eher schon eine Beziehungs-Geschichte mit allen Höhen und Tiefen von Nähe und Distanz, von Harmonie und verbittertem Schweigen und neuer Versöhnung.
Und wenn ich ein aufmerksamer Zeitgenosse bin, dann verändern sich mein Gottesbild und meine Beziehung zu Ihm im Kontext von Relativitätstheorie und Chaosforschung, von Bevölkerungsexplosion und Wohlstand. Die kirchliche Großwetterlage spielt auch eine Rolle und vor allem meine persönlichen Glückserfahrungen und Enttäuschungen. So hat mein Glaube oft die Gestalt des „Dennoch““. Und das Gedicht endet schließlich mit dem Satz „Ich lasse Dich nicht, Du segnest mit denn!“ Dieser Satz stammt aus dem Alten Testament. Da ringt Jakob mit Gott und sagt zu ihm: Ich lasse nicht los, bis ich gesegnet bin. Übersetzt könne man auch sagen, bis es gut ist. Denn Segen bedeutet, „gut sagen“. Wenn ich will, dass sich etwas verändert, wenn ich etwas oder jemanden besser verstehen will, wenn ich besser verstanden werden will, braucht es dieses dranbleiben. Auch mal mit sich, mit Gott, mit anderen Menschen zu ringen, weil das, was ist, noch nicht 100%ig gut ist. Dafür steht für mich das Wörtchen „Dennoch“, deshalb ist es mir so wichtig. Ich kann mich auf etwas und jemanden einlassen, auch wenn nicht alles passt. Solange die Grundrichtung stimmt, bleibe ich in Kontakt, ernsthafte Auseinandersetzung inklusive. Dennoch - Für mich gilt das für meine Beziehung mit Gott, für mein in der Kirche sein, für Beziehungen mit Menschen, die mir wichtig sind. Und auch am Sonntag in der Wahlurne, wird mir das „Dennoch“ helfen, mein Kreuz zu setzen. Weil ich will, dass es gut wird, bleibe ich dran.