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Kirche in WDR 5 | 03.09.2025 | 06:55 Uhr
Die Feinde lieben
Guten Morgen.
„Liebt eure Feinde.“ Das ist eine der bekanntesten ethischen Forderungen von Jesus. Und gleichzeitig wahrscheinlich die schwierigste. Sollte ich wirklich jemanden lieben, der mir ans Leben will, der mich hasst, der meine Existenz nicht akzeptiert? Das geht doch gar nicht. Und darüber war man sich in der Kirchengeschichte auch immer einig. Das ist nur ein Rat von Jesus, keine Forderung. „Versuch es doch mal damit“, hat er gemeint. Du musst das nicht. Und somit meinten dann die christlichen Könige, Sie hätten das Recht, Krieg zu führen und auf ihre Feinde draufzuhauen, ganz ohne Liebe. Kreuzzüge gingen ins Heilige Land, wo man so viele Feinde wie möglich tötete, angeblich im Namen Jesu, der doch eigentlich von Feindesliebe gesprochen hatte. Da war man also von einem „das ist ein Rat, aber nicht durchführbar“ schon bei einem „beachte das gar nicht und hau drauf“ angelangt. Komplett abgelegt hatte man diese Idee von Jesus. Und, ich bin ehrlich, ich persönlich auch. Vergiss das, das geht nicht, habe ich mir schon als Jugendlicher gesagt.
Dann hatte ich im Studium einen Professor, der sagte in einer Vorlesung zu diesem Wort Jesu „Liebt eure Feinde“: „Ich weiß nicht, ob das schwer ist, meine Feinde zu lieben, denn ich habe keine.“
Das fand ich eine sehr überraschende Aussage. Das könnte eine ganz neue Sichtweise auf die Feindesliebe sein: Einfach keine Feinde haben.
Wenn ich als Kind das Vaterunser gebetet habe, und es hieß „erlöse uns von dem Bösen“, habe ich immer an so einen großen, schweren Jungen aus dem Kindergarten gedacht. Ich hatte ganz schön dolle Angst vor dem. Ich weiß nicht mal mehr, wie der hieß und was er mir angetan hat, aber ich fand ihn böse. Wahrscheinlich war das damals für mich mein Feind. Und dann im Gymnasium, dieser eine Junge, der mit seinem ganzen Leben und seiner ganzen Grundhaltung für das genaue Gegenteil von dem stand, was ich richtig fand. Den habe ich auch als Feind betrachtet. Obwohl: Ans Leben wollte der mir auch nicht.
Im Moment würde ich tatsächlich niemand als Feind betrachten. Manchen kann ich nicht leiden, manche können mich nicht riechen. Da geht man sich, wenn möglich, aus dem Weg. Aber Feinde sind wir deshalb doch nicht.
Vielleicht habe ich auch Glück gehabt. Wenn man verwickelt ist in Bandenkriege und Clankriminalität, wenn man in den Krieg ziehen muss, wenn man in die Spirale von Gewalt und Gegengewalt gerät, dann ist das wohl anders. Da hat man wohl schnell echte Feinde.
Vielleicht ist das ja schon ein wichtiger Aspekt von „liebt eure Feinde“: Halt dich fern von Verhaltensweisen, die dir Feinde einbringen. Beteilige Dich nicht, wo Gewalt herrscht und zur Normalität wird. Setz dich dafür ein, dass man junge Menschen eben nicht in den Krieg schickt: Denn im Krieg verändern sie sich und werden einander zu Feinden.
„Liebt eure Feinde“, das ist mir noch immer eine zu große Sache. Aber rechtzeitig gegenhalten, wenn Feindschaft sich entwickelt, das kann gelingen. Gewalt schon weit im Vorfeld meiden. Im Privaten wie in der Weltpolitik. Keine Gewöhnung an Gewalt und Feindschaft zulassen. Wenn wir das schaffen, das wäre schon groß genug.
Es grüßt Sie, Pfarrer Klaus Künhaupt aus Essen.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze